Schulweg zu Fuß fördert Selbstsicherheit von Kindern
Fast zwei Drittel werden von Eltern gebracht – So will der „Schulexpress“das ändern
BREMEN/HANNOVER/OLDENBURG – Trotz regelmäßiger Kampagnen für den Schulweg zu Fuß steigt nach Angaben der Bremer Expertin Verena Nölle der Anteil der Kinder, die von Eltern mit dem Auto in die Schule gebracht werden. „Das behütende und eingrenzende Phänomen der Helikoptereltern, die übervorsichtig sind, nimmt weiter zu“, sagt die Gründerin der Initiative „Schulexpress“. Die Aktion unterstützt Kinder dabei, den Schulweg zu Fuß zurückzulegen. Nach einer Forsa-Umfrage gingen 2016 in Deutschland nur noch 37 Prozent der Grundschüler zu Fuß zur Schule.
Das Eltern-Taxi morgens stehen zu lassen, habe gleich mehrere Vorteile, betont Nölle. „Das reduziert den Verkehr vor den Schulen, erhöht so die Sicherheit und hat auch Auswirkungen auf die Kinder selbst. Denn Mädchen und Jungen, die sich bewegen und zu Fuß gehen, nehmen die Welt intensiver wahr, was die Lernfähigkeit fördert.“Wer sich weniger bewege, sei hingegen eher müde und passiv. „Und natürlich wird mit dem Fußweg auch die Umwelt entlastet.“
Um das zu unterstützen, gründete Nölle 2004 an einer Grundschule im Bremer Ortsteil Borgfeld den ersten „Schulexpress“. Der ist mittlerweile an mehr als 100 Schulen in Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und selbst in Österreich unterwegs: Im Umfeld der Schulen wurden „Haltestellen“eingerichtet, an denen sich Erst- und Zweitklässler zu Laufgemeinschaften treffen, um von dort zur Schule zu gehen – mit und ohne Begleitung der Eltern. „Und bei Wind und Wetter“, ergänzt Nölle.
Auch im Nordwesten Niedersachsens machen einige Schulen beim „Schulexpress“mit – zum Beispiel in den Landkreisen Oldenburg und Ammerland und den beiden Städten Delmenhorst und Oldenburg.
Eine der teilnehmenden Schulen ist die Grundschule am Staakenweg in Oldenburg-Eversten. Lehrerin Edith Engeler schätzt die Initiative sehr, die mit 15 Haltestellen seit 2011 an der Grundschule am Staakenweg gelebt wird. „Ich kann morgens direkt erkennen, welches Kind hergelaufen ist und welches mit dem Auto gebracht wurde“, sagt die Lehrerin. Kinder, die gelaufen seien, kämen ruhiger, zufriedener in den Unterricht, „sie haben sich schon ausgequatscht und können sich besser konzentrieren“.
In Engelers Augen ist der Schulweg die beste und nachhaltigste Verkehrserziehung. Hier lernen die Kinder, auf den Verkehr zu achten und Verantwortung zu übernehmen. Die Eltern bekommen zur Einschulung ihrer Kinder Flyer, in denen die kürzesten und sichersten Schulwege verzeichnet sind. „Diese können die Eltern mit den Schülern gemeinsam üben. Aber irgendwann muss eigentlich kein Erwachsener mehr mitgehen“, rät Engeler.
In den 1970er Jahren sind nach Angaben des Deutschen Kinderhilfswerkes noch rund 90 Prozent der Grundschüler zu Fuß gegangen. Zu diesen Zahlen möchte Projektinitiatorin Nölle irgendwann wieder zurückkommen. Auch, weil der selbst zurückgelegte Schulweg das Selbstbewusstsein der Schüler fördere, bekräftigte die Mutter von vier Kindern. „Selbst gehen macht stark“, hat sie beobachtet.
Nölle kommt auch in Schulen, informiert über Verkehrssicherheit und wirbt für mehr Bewegung. „Ich glaube auch, dass mit dem steigenden Mangel an Bewegung das Zappelphilipp-Phänomen zunimmt“, warnt die „Schulexpress“-Gründerin. „Aus dem Bett an den Frühstückstisch, dann ins Auto und in der Schule auf den Stuhl – ohne sich groß bewegt zu haben. Das kann nicht gut sein.“