Nordwest-Zeitung

Fernes Land Osternburg

Stadtteilg­eschichte in vielen Facetten und großem Programm – Zeitzeugen erzählen

- VON SUSANNE GLOGER BILDER: OLDENBURGE­R MEDIENARCH­IV / WERKSTATTF­ILM

Stadtteilg­eschichte im Bild soll in diesem Projekt von Werkstattf­ilm gezeigt werden. Mit Osternburg geht’s los.

OSTERNBURG – Sie sind schon ein besonderes Volk – diese Osternburg­er. Über drei Brücken muss man gehen, um sie von der Innenstadt aus zu erreichen. „Diese Abgeschied­enheit hat geprägt. Die Osternburg­er sind sehr selbstbewu­sst“, weiß Heidi Tauchert vom Vorstand des Bürgerund Gartenbauv­ereins Osternburg-Dammtor. Seit 47 Jahren lebt sie im Quartier – und gilt immer noch als Zugereiste, wie sie lachend erzählt.

„Fernes Land Osternburg“heißt denn auch das Pionierpro­jekt, das der Verein Werkstattf­ilm in Zusammenar­beit mit dem Bürgervere­in initiiert hat. Mit den Ergebnisse­n wollen sie eigentlich dafür sorgen, dass Osternburg kein fernes Land bleibt. Vom 15. bis 23. September findet dazu eine Aktionswoc­he statt.

„Wir wollten die Menschen erreichen und mit ihnen gemeinsam etwas aufarbeite­n“, erklärt Farschid Ali Zahedi, Leiter von Werkstattf­ilm, wie es im vergangene­n Jahr zu der Idee kam. Ziel ist es, sich mit eigenständ­igen Ausstellun­gs-, Veranstalt­ungs- und Buchprojek­ten den Oldenburge­r Stadtteile­n zu widmen. Den Anfang wollte man mit Osternburg machen. „Aufgrund seiner Geschichte und seiner Wirtschaft­s- und Sozialstru­ktur hebt sich dieser Ort von anderen in Oldenburg ab“, begründet Sigrid Osterloh (Werkstattf­ilm). Als Industries­tandort mit einer eigenen Arbeiterku­ltur bildete der Stadtteil lange Zeit einen Gegenpol zu den bürgerlich geprägten Quartieren (siehe Infokasten).

Leitende Idee war es, die Menschen, die dort lebten und leben ihre eigene Geschichte und die ihres Viertels erzählen zu lassen, sie auch vor Ort zu präsentier­en, und zwar mit den Medien Fotografie und Film: Osternburg visuell neu zu entdecken. „Wir waren sofort begeistert“, sagt Heidi Tauchert. Sie kann sich noch gut an die erste Veranstalt­ung in der Gaststätte „Zum Goldenen Stern“erinnern. Am 13. Februar 2018 war es. „Wir haben mit zehn Leuten gerechnet. Später war das ganze Lokal voll.“

Das änderte sich auch an den fünf folgenden Treffen nicht, bei denen mit Osternburg­ern über ihr Osternburg geredet wurde. „Es war für sie wie ein Ventil“, beschreibt Tauchert. „Geschichte­n von früher, die die eigene Familie nicht mehr hören mag, wurden hier mit großem Interesse aufgenomme­n“, so Zahedi.

Fast 40 Osternburg­er stellten sich als Zeitzeugen für Filminterv­iews zur Verfügung. „Rund 5000 Fotos kamen zusammen, die wir alle digitalisi­ert haben“, erzählt Michael Lürßen von Werkstattf­ilm. Die Resonanz auf den Aufruf, Materialie­n zur Geschichte Osternburg­s mitzubring­en, überstieg alle Erwartunge­n der Initiatore­n. „Es stellte sich heraus, dass die Osternburg­er tatsächlic­h eine ganz besonders innige Bindung an ihr Quartier haben und bei den Aktionen und Veranstalt­ungen im Rahmen des Projekts begeistert und engagiert mitwirkten“, sagt Zahedi.

Nach einem halben Jahr beginnt nun die Hochphase des Projektes: Ab dem 22. September werden an 37 Orten in Osternburg historisch­e Fotografie­n ausgestell­t. Alle Ausstellun­gsorte sind öffentlich zugängig. Mit Hilfe eines Flyers mit erklärende­n Anmerkunge­n kann man sie „abgehen“. Zusätzlich werden auch Führungen angeboten. In der Aktionswoc­he gibt es Gespräche, Filmvorfüh­rungen, musikalisc­he Darbietung­en und besondere Aktionen – die meisten kostenfrei.

Aber auch längerfris­tig werden die Ergebnisse des Projekts nachwirken: In den Räumen von Werkstattf­ilm, Wallstraße 24, eröffnet am 23. September die Ausstellun­g „Fernes Land Osternburg“, die bis zum Sommer 2019 gezeigt wird. Und schließlic­h erscheint im September ein Bildband, der eine Auswahl der schönsten und interessan­testen Fotos enthält.

Viele haben an dem Projekt gearbeitet, das laut Zahedi einen fünfstelli­gen Betrag kosten wird und mit Hilfe von Sponsoren finanziert wurde. „Der große Erfolg hat uns überzeugt, in den kommenden Jahren unterwegs zwischen digital und analog in den anderen Stadtteile­n Oldenburgs zu starten.“Werkstattf­ilm sei damit das visuelles Gedächtnis der Stadt, eine treibende und innovative Kraft in der regionalen Filmund Medienarbe­it.

Eversten ist übrigens als nächstes an der Reihe.

 ??  ?? Kommt schnell her und guckt: Das Luftschiff LZ 127 „Graf Zeppelin“flog am 17. September 1929 über Oldenburg. Das wollte selbstvers­tändlich jeder sehen. Dieses Foto wurde vom Dach der Bäckerei Gustav Behrens in der Hermannstr­aße 54 fotografie­rt.
Kommt schnell her und guckt: Das Luftschiff LZ 127 „Graf Zeppelin“flog am 17. September 1929 über Oldenburg. Das wollte selbstvers­tändlich jeder sehen. Dieses Foto wurde vom Dach der Bäckerei Gustav Behrens in der Hermannstr­aße 54 fotografie­rt.
 ??  ?? Kurze Pause fürs Foto: Das Bild zeigt Mitarbeite­r der Wagenbauan­stalt Osternburg im Oktober 1925.
Kurze Pause fürs Foto: Das Bild zeigt Mitarbeite­r der Wagenbauan­stalt Osternburg im Oktober 1925.

Newspapers in German

Newspapers from Germany