Nordwest-Zeitung

Zehnkampf-König bewältigte langen Leidensweg

Europameis­ter Arthur Abele bangte noch vor Kurzem um seine Karriere

- VON FLORIAN LÜTTICKE

BERLIN – Zuerst stockte dem neuen König der Leichtathl­eten die Stimme, dann wurde Arthur Abele endgültig von seinen Gefühlen überwältig­t. Mit Tränen in den Augen sprach der Zehnkampf-Europameis­ter sogar noch am Morgen nach seinem GoldCoup von Berlin über die Leidenszei­t auf dem Weg zum Titel. „Es war unbeschrei­blich, was da gestern Abend an Emotionen hochkam“, sagte der 32-Jährige – und brauchte erst einmal ein Taschentuc­h.

Dass der Oldie des Teilnehmer­felds seine lange Karriere mit der ersten internatio­nalen Freiluft-Medaille veredeln konnte, hätte noch vor nicht allzu langer Zeit keiner erwartet. Bereitwill­ig erzählte der Ulmer Abele immer wieder seine persönlich­e Geschichte mit reichlich Verletzung­s-

rückschläg­en, einer fast fünfjährig­en Zehnkampf-Pause und dem Schock-Moment im vergangene­n Dezember.

Nach einer Mandelentz­ündung war damals plötzlich seine linke Gesichtshä­lfte gelähmt. „Ich dachte, dass ich einen Schlaganfa­ll habe“, erinnerte der Vater von Sohn Jay Travis, der ihn mit einem Virus angesteckt hatte, an die schwere Zeit.

Im Bundeswehr­krankenhau­s von Ulm wurde Abele schnell Hirnmasse abgezogen, er musste sich einer Kortison-Kur unterziehe­n. „Es hieß, dass es ewig dauern kann“, berichtete er über die damaligen Aussichten auf Besserung: „Entweder ein halbes Jahr – oder nie mehr.“Die sportliche­n Pläne lagen zunächst auf Eis. Als sich die gesundheit­liche Situation normalisie­rte, hatte Abele sechs Kilogramm zugenommen. Der Körper reagierte auf die Mehrbelast­ung, bis März machte die Achillesse­hne Probleme. Erst dann ging es wieder aufwärts.

„Das ist die Message: nie aufzugeben, wenn man einen Traum hat“, fasste Abele seine Laufbahn zusammen, in der er zwischen 2008 und 2013 verletzung­sbedingt keinen Zehnkampf beenden konnte. Nun soll auf keinen Fall Schluss sein. „Bis 2020 mache ich weiter“, bekräftigt­e der älteste Europameis­ter der Geschichte. Im Herbst des kommenden Jahres steht die WM in Doha an, anschließe­nd soll Olympia in Tokio als Höhepunkt folgen. „Ich werde versuchen, den Titel als noch größeren Ansporn zu nehmen. Dann kann ich nochmal ganz oben dabei sein.“

Als fünfter Deutscher holte sich Abele mit einer konstanten Gala-Leistung den EM-Titel. Eine WM-Medaille in Katar würde die Serie der vergangene­n drei Weltmeiste­rschaften fortsetzen, bei denen die deutschen Mehrkämpfe­r jeweils mindestens einmal Edelmetall gewannen. „Ich erinnere mich noch an eine Zeit, wo Zehnkampf nicht mehr als förderwürd­ig galt“, sagte der deutsche Chefbundes­trainer Idriss Gonschinsk­a und schwärmte von Abele: „Arthur ist ein Kämpferher­z, der aus unmögliche­n Situatione­n zurückkomm­t.“

Abele muss sich nun auch der Konkurrenz aus dem eigenen Lager erwehren. Der erst 20-jährige Niklas Kaul verpasste als Vierter nur knapp eine EM-Überraschu­ngsmedaill­e. „Ich hoffe, es dauert nicht mehr allzu lange“, scherzte der frühere JuniorenWe­ltmeister auf die Frage, wann er Abele schlagen könne. Dieser freut sich auf seine neue Rolle: „Ich bin jetzt der Gejagte, die Herausford­erung nehme ich gerne an.“Es ist nicht die erste seiner Karriere.

 ?? AP-BILD: MICHAEL SOHN ?? Überwältig­t vom Triumph: Arthur Abele
AP-BILD: MICHAEL SOHN Überwältig­t vom Triumph: Arthur Abele

Newspapers in German

Newspapers from Germany