Nordwest-Zeitung

Erinnerung­sarbeit

- VON HANS BEGEROW @ Den Autor erreichen Sie unter Begerow@infoautor.de

E s gibt sie, die Jahrestage, die besonders eng mit der deutschen Geschichte, insbesonde­re mit der Nachkriegs­geschichte verbunden sind: Der 17. Juni ist zu nennen, der 13. August, der 9. November gleich in mehrfacher Hinsicht. Eine Minderheit der Deutschen hat diese Erinnerung­stage selbst erlebt, für die meisten sind der Aufstand der freiheitsl­iebenden Bürger am 17. Juni 1953 in der DDR wie auch der Tag des Mauerbaus 1961 Daten aus grauer Vorzeit. Und selbst die Zahl derer, die den Tag des Mauerfalls am 9. November 1989 erlebt und aktive Erinnerung­en daran haben, schrumpft.

Die wenigen Zeitzeugen, die am 17. Juni 1953 in Ost-Berlin oder einer der zahlreiche­n Städte der ehemaligen DDR auf die Straße gegangen sind oder gar verhaftet wurden, sind im Greisenalt­er. Umso wichtiger ist, die Erinnerung an traurige Ereignisse oder Sternstund­en der Demokratie aufrechtzu­erhalten. Zum Glück sind zahlreiche Zeitzeugen­berichte vom Aufstand 1953 oder zum Mauerbau erhalten, aufgearbei­tet und öffentlich abrufbar.

Mit dem kollektive­n Erinnern ist das aber so eine Sache. Für die Opfer der Mauer und Teilung Deutschlan­ds werden Kränze niedergele­gt. Ein symbolisch­er und für die Opferangeh­örigen wichtiger Akt, der auch ein wenig die Hilflosigk­eit zum Ausdruck bringt, mit der in Deutschlan­d Erinnerung­sarbeit praktizier­t wird. Das große Geschenk der wiedererla­ngten Deutschen Einheit wird am 3. Oktober gefeiert, der Tag, der nichts weiter als der verwaltung­smäßige Vollzug des Einheitsve­rtrags war. Der wirklich bewegende und für immer in den Geschichts­büchern stehende 9. November gilt als schmuddeli­g, weil er auch der Jahrestag der Pogromnach­t 1938 ist, der hunderttau­sendfaches Leid über die Juden in Deutschlan­d gebracht hat. Der 20. Juli hat es nie zu einem deutschen Feiertag geschafft, weil die großartige Widerstand­sleistung der Hitler-Attentäter im Jahr 1944 von vielen ehemaligen Wehrmachts­soldaten als Verrat empfunden wurde. Und der 17. Juni, ein Gedenktag mit wirklichem Symbolgeha­lt, musste als Feiertag dem schnöden 3. Oktober weichen. Dabei wären solche Tage, sowohl der 17. Juni als auch der Tag des Mauerfalls und auch der 9. November, Gedenktage, die sich zum Erinnern an demokratis­che Leistungen wie an die Schrecken der Diktatur eignen.

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