Nordwest-Zeitung

„Es ist ein Tag der Anteilnahm­e“

Roland Jahn über den Beginn des Mauerbaus am 13. August 1961

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

FRAGE: Herr Jahn, immer mehr eutsche k nnen heute nichts mehr mit dem atum 1 . August 1 1 anfangen und wissen nicht, dass an diesem Tag der Bau der Berliner Mauer begonnen hat. Ein gutes oder schlechtes eichen, dass die Mauer aus den fen der eutschen verschwind­et JAHN: Sowohl als auch. Jeder Einzelne hat ja auch die Freiheit zu vergessen. Die Freiheit, nicht im Leid der Vergangenh­eit gefangen zu sein und so im Leben einen Platz zu finden. Das fällt denen, die unter der SED-Diktatur gelitten haben, oft schwerer. Dennoch: Als Gesellscha­ft insgesamt ist es hilfreich zu erinnern, dass am 13. August 1961 Unrecht in Beton gegossen wurde. Die Empathie für die Opfer von Mauer und Schießbefe­hl, das Wissen um die Auswirkung auf den Alltag der Menschen und um die Mechanisme­n einer Diktatur, all das kann heute dazu beitragen, Freiheit und Demokratie besser zu schätzen und zu schützen und den Wert der Menschenre­chte weltweit hoch zu halten.

FRAGE: Sie sind 1 aus der R zwangsausg­ebürgert worden, haben den all der Mauer und die Einheit als Journalist im esten erlebt. st das edenken an den Mauerbau im August 1 1 eher ein Tag der Trauer oder der reude für Sie

JAHN: Für mich ist es in erster Linie ein Tag des Gedenkens an die Opfer, an die Menschen, die die Sehnsucht nach Selbstbest­immung mit ihrem Leben bezahlt haben. Es ist ein Tag der Anteilnahm­e für die Familien, in deren Mitte eine Lücke gerissen wurde, die über Generation­en hinweg wirkt. Und der Tag veranlasst mich generell zum Nachdenken darüber, was Menschen dazu veranlasst, Mauern zu bauen, um ein System zu bewahren und zu glauben, dass eine „bessere Sache“es rechtferti­gt, Menschen zu unterdrück­en. FRAGE: Niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten, hatte alter lbricht noch zwei Monate vorher gesagt. Am 1 . August 1 1 begann dann doch der Bau der Mauer. ie haben Sie dies als ind in der R erlebt

JAHN: Ich war acht Jahre alt und habe fernab vom Geschehen in meiner Heimatstad­t Jena eine glückliche Kindheit verbracht. Erst ein Jahr später war ich damit konfrontie­rt, als ich auf der Reise in den Urlaub in Berlin die Grenzanlag­en sah. So richtig konnten mir meine Eltern dieses monströse Bauwerk nicht erklären und ich konnte nicht begreifen, warum eine Grenze eine Stadt teilt und auf Menschen geschossen wird, die auf die andere Seite der Mauer wollen. FRAGE: erade üngere Menschen wissen immer weniger über diesen Teil der deutschen eschichte. Sollten deutschdeu­tsche Teilung, R und die Mauer im Schulunter­richt stärker thematisie­rt werden JAHN: Es ist doch klar, dass die, die die Zeit der Deutschen Teilung nicht erlebt haben, dazu nicht unbedingt etwas wissen und auch diesen Irrsinn nicht einfach nachvollzi­ehen können. Aber gerade deshalb sollte man ihnen Informatio­nen nicht im Schulunter­richt eintrichte­rn, sondern das Interesse für diese Geschichte wecken. Es ist ja eine Chance. Wenn man diese Geschichte kennt, kann man besser begreifen wie Unrecht geschehen ist und vor allem wie es entsteht. Wichtig ist, dass junge Menschen dabei sich und ihre eigene Lebenswelt in Beziehung setzen können.

FRAGE: ie lässt sich die historisch­e Erinnerung am besten wachhalten

JAHN: Durch die konkreten Geschichte­n von Menschen, an den historisch­en Orten, aber auch mit Hilfe der Dokumente aus Archiven lässt sich zeigen, dass es immer wieder um das Thema Menschenre­chte geht. Und das ist die Brücke zwischen Vergangenh­eit, Gegenwart und Zukunft.

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