HERTA MÜLLER WIRD 65 JAHRE ALT
Nobelpreisträgerin Herta Müller wird 65 – Buch „Atemschaukel“
Sie wuchs in Rumänien auf und floh einst aus der Diktatur. 2009 bekam die heutige Berlinerin überraschend den Literaturnobelpreis.
BERLIN – Wohl kaum jemand hat die Grauen einer Diktatur so schonungslos und zugleich poetisch beschrieben wie Herta Müller. Sie zeichne „Landschaften der Heimatlosigkeit“, befand die Jury, die ihr 2009 den Literaturnobelpreis zusprach. Am 17. August wird die rumäniendeutsche Autorin 65 Jahre alt. Nach den Erfahrungen im CeausescuRegime ist der Kampf gegen Unterdrückung, der Einsatz für Freiheit und Menschenrechte ihr wichtigstes Anliegen geblieben. „Ich kann mich nicht wegschleichen und will mich nicht täuschen, sondern das ertragen, was ich sehe“, sagte sie einmal.
So setzte sie sich für die Freilassung der Witwe des chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo ein und kämpft für ein Exilmuseum in ihrer Wahlheimat Berlin. Es soll die Erinnerung an die Hunderttausenden Deutschen wachhalten, die während der NS-Zeit ins Ausland fliehen mussten.
Einen neuen Roman hat die Autorin seit „Atemschaukel“2009 und dem Literaturnobelpreis im selben Jahr nicht mehr vorgelegt. „Sie hat Angst vor dem Schreibprozess“, sagt ihr früherer Mann, der Schriftsteller Richard Wagner. Herta Müller ist mit Auskünften zurückhaltend. Auch zu ihrem Geburtstag lässt sie sich nicht zu einem Interview überreden. Statt- dessen widmet sie sich der heiter-subversiven Schnipsel- Poesie, die sie in den 80er Jah- ren entdeckte. Mit Schere und Klebstoff entstehen aus ein- zelnen ausgeschnittenen Wörtern poetische Collagen, die oft erst auf den zweiten Blick ihren Hintersinn preis- geben. Unter dem Titel „Zeit ist ein spitzer Kreis“zeigt die brandenburgische Stiftung Schloss Neuhardenberg aus Anlass des Geburtstags eine Auswahl dieser „Wort-Bilder“vom 16. September bis zum 2. Dezember.
Müllers Ruf ist gleichwohl ungebrochen. Zu ihrem Hauptwerk „Atemschaukel“wurde sie durch das Schicksal ihres Freundes Oskar Pastior (1927–2006) inspiriert, der für fünf Jahre in ein russisches Arbeitslager deportiert wurde. Schmerzlich für die Autorin war die spätere Nachricht, dass der Lyriker einst Informant der Securitate war. Sie selbst, als Tochter deutschsprachiger Eltern in dem rumänischen Ort Nitzkydorf bei Temeswar aufgewachsen, hatte in den 70er Jahren nach einem Germanistik-Studium die Zusammenarbeit mit dem berüchtigten Geheimdienst verweigert. Jahrelang war sie deshalb Verfolgung und Arbeitslosigkeit ausgesetzt. Ihr Debütband „Niederungen“über das elende Leben in ihrem Dorf kann 1982 nur in zensierter Form in Rumänien erscheinen. Als sich danach die Schikanen gegen die „Nestbeschmutzerin“noch verschärfen, reist sie 1987 mit ihrem damaligen Mann Richard Wagner nach Deutschland aus.
Sie erhielt viele Auszeichnungen, und der Literaturnobelpreis ist 2009 die Krönung. „Meine Bücher haben den Preis bekommen, nicht ich“, sagt sie gern – schon, um sich vor zu viel Rummel zu schützen.