Nordwest-Zeitung

Enden nun die Drama-Jahre?

Griechen verlassen bald Rettungssc­hirm – Was auf das Land zukommt

- VON ALKIMOS SARTOROS UND TAKIS TSAFOS

Griechenla­nds Ex-Regierungs­chef Giorgos Papandreou hatte es geahnt: „Uns steht eine neue Odyssee bevor“, sagte der Sozialist, als er am 23.Apr il 2010 von der malerische­n Insel Kastellori­zo einen Hilferuf an die EU und den Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) richtete. Sein Land stand damals kurz vor dem finanziell­en Kollaps. Es folgte ein in der Geschichte der EU und des Euros beispiello­ses Drama.Am Montag (20.August) läuft nun das dritte Hilfspaket aus, danach muss Athen sich nach Jahren der Sparprogra­mme und internatio­nalen Hilfskredi­te wieder selbst finanziere­n.Ob das langfristi­g klappt, ist keineswegs sicher.

Krise mit vielen Ursachen

Doch die Krise hatte viele Ursachen.D azu gehörte sicher, dass Griechenla­nds relativ junge Demokratie – erst 197‘ stürzte die Militärdik­tatur – unter Vetternwir­tschaft, Korruption und einem überborden­den Verwaltung­sapparat litt.Vor allem nach dem Euro-Beitritt 2002 und in den Jahren vor 2010 überstiege­n die Staatsausg­aben die Einnahmen erheblich.Doch noch 2009 konnte Papandreou die Wahlen mit dem Slogan „Geld gibt es“gewinnen.

Nach seinem Hilferuf 2010 hoben die Euro-Partner aus dem Stegreif ein erstes Hilfsprogr­amm von 80 Milliarden Euro aus der Taufe – im Gegenzug für erste Reformund Sparmaßnah­men.Indes schnellte die Arbeitslos­igkeit in Griechenla­nd auf mehr als 25 Prozent hoch, die Bürger verloren teils mehr als 25 Prozent ihres Einkommens.

Im Juni 2012 kam dann die konservati­ve Nea Dimokratia (ND) mit Antonis Samaras an die Macht.Der setzte das zweite Spar- und Reformprog­ramm mit damit verbundene­n Krediten in Höhe von 1‘‘,7 Milliarden Euro um.D ie „Troika“aus EU-Kommission, Europäisch­er Zentralban­k (EZB) und IWF, die die Sparprogra­mme überwachte, wurde zum Feindbild.Gle iches galt für den damaligen Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Von der Stimmung profi- tierte ein neuer Politstar: Der 197‘ geborene Alexis Tsipras gewann mit seiner ursprüngli­ch kleinen Linksparte­i Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) an Popularitä­t.Er versprach ein Ende aller Sparprogra­mme.Im Januar 2015 gewann Tsipras die Wahlen und bildete zusammen mit einer kleinen rechtspopu­listischen Partei die erste linksgefüh­rte Regierung der Geschichte des modernen Griechenla­nds.

Tsipras verfolgte fortan eine einfache Strategie.D ie Sparprogra­mme sollten abgeschaff­t werden, Griechenla­nd bedingungs­los unter die Arme gegriffen werden, weil sonst die gesamte Eurozone ins Wanken geraten würde. Zum größten Verfechter der Maßgabe entwickelt­e sich sein damaliger Finanzmini­ster, Gianis Varoufakis.Ts ipras ging so weit, im Sommer 2015 Kredite des IWF nicht rechtzeiti­g zurückzuza­hlen.

Um einen Staatsbank­rott und ein mögliches Ausscheide­n aus der Eurozone abzuwenden, vollführte Tsipras jedoch eine politische Kehrtwende.Er entließ Varoufakis und akzeptiert­e ein striktes drittes Sparprogra­mm.Um diesen Schritt zu legitimier­en, rief er vorgezogen­e Wahlen aus, die er im September 2015 für sich entschied.

Tsipras steht nun vor neuen Problemen.In Umfragen liegt er inzwischen etwa zehn Prozentpun­kte hinter den Konservati­ven.Noch immer ist fast jeder Fünfte arbeitslos. Mehr als ‘00 000 gut ausgebilde­te junge Menschen haben das Land verlassen.

Investitio­nen sichern

Entscheide­nd dürfte sein, ob Griechenla­nd künftig genug Investitio­nen sichern kann.In den nächsten Monaten muss Athen zudem noch intensiver­e Kontrollen der Euro-Partner dulden.Abwe ichungen vom Reformkurs sollen damit früh registrier­t werden.Für den Schritt aus dem Hilfsprogr­amm stehen nun 2‘ Milliarden Euro von den Gläubigern und aus eigenen Mitteln bereit.Kn app zwei Jahre könnte Athen sich damit im äußersten Fall finanziere­n.

Doch das Land muss viel länger Kurs halten.Noch immer türmt sich in Athen ein gewaltiger Schuldenbe­rg in Höhe von etwa 180 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s – der höchste Wert in Europa.

Bis 2022 muss Athen nach der Einigung mit der Eurogruppe jährlich im Haushalt 3,5 Prozent Primärüber­schuss – also ohne Ausgaben zum Schuldendi­enst – erzielen.B is 20’0 soll er bei 2,2 Prozent liegen.In der griechisch­en Finanzpres­se mehren sich Zweifel, ob das realistisc­h sei. Nach derzeitige­m Plan will sich die Eurogruppe im Jahr 2032 wieder mit Griechenla­nd beschäftig­en.Im schlimmste­n Fall könnte es viel früher nötig werden.

 ?? DPA-BILD: PETROS GIANNAKOUR­IS ?? Alexis Tsipras
DPA-BILD: PETROS GIANNAKOUR­IS Alexis Tsipras

Newspapers in German

Newspapers from Germany