Kroos überrascht mit scharfer Özil-Kritik
Real-Star bezeichnet Rassismus-Vorwürfe als „Quatsch“
MADRID – Mesut Özil sei „ein lieber Kerl“, sagt Toni Kroos und rechnet dann doch mit dem Ex-Kollegen ab. „Die Art und Weise seines Rücktritts“sei „nicht in Ordnung“, sagt Kroos in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung und kritisiert Özil dann frontal: „Der Anteil, der in seiner Erklärung gut und richtig angesprochen wird, wird leider durch den wesentlich höheren Anteil an Quatsch überschattet.“
Der Verbal-Angriff von Kroos auf Özil ist schon erstaunlich, schließlich übten sich andere Kollegen wie Nationalmannschafts-Kapitän Manuel Neuer oder Thomas Müller bei dem heiklen Thema zuletzt eher in FußballDiplomatie.
Dass sich Özil im Kreis des DFB-Teams nach eigener Aussage zuletzt offenbar diskriminiert gefühlt habe, kann Kroos nicht nachvollziehen: „Ich denke, dass er selbst weiß, dass es Rassismus innerhalb der Nationalmannschaft und des DFB nicht gibt.“ EM 2016: Toni Kroos (hinten) und Mesut Özil beim Training
Das Gegenteil sei der Fall, so Kroos. „Wir setzen uns ja immer wieder aus Überzeugung für Vielfalt und Integration ein. Mesut war dafür ein gutes Beispiel, wie viele andere unserer Mitspieler auch“, sagt der Mittelfeldstar von Real Madrid, der mit dem spa- nischen Champions-LeagueSieger am späten Mittwochabend im europäischen Supercup gegen Atlético Madrid mit 2:4 nach Verlängerung unterlag.
Auch zu dem Auslöser der Affäre, dem gemeinsamen Bild von Özil und Ilkay Gündogan mit dem umstrittenen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hat der 28-Jährige eine klare Meinung. „Mesut wurde für das Foto kritisiert – und das zu Recht. Und er hat die Chance verstreichen lassen, sich dazu zu erklären“, sagt Kroos: „Trotzdem wurde er von der sportlichen Leitung und im Mannschaftskreis absolut unterstützt. Später wurde er – wie wir anderen auch – für die Leistung bei der WM kritisiert.“Özil war erst bei seinem Rücktritt im Juli auf das Foto mit Erdogan eingegangen.
Kroos räumt aber auch ein, dass die „Art der Kritik“sicher „nicht immer auf gutem Niveau“geäußert wurde, „aber da muss man als Spieler dann durch“. Özil hätte „einen besseren Abgang verdient gehabt“, sagt Kroos, weil der Stratege vom FC Arsenal „grundsätzlich“ein „verdienter Nationalspieler“sei. Im Gegensatz zu Özil will Kroos weiter für Deutschland spielen, um bei der EM 2020 „deutlich erfolgreicher“als bei der völlig verkorksten WM in Russland abzuschneiden. Doch dafür müssen sich laut Kroos einige Dinge ändern: Neben sportlichen Aspekten vor allem die Einstellung in der Mannschaft.
Diese müsse „wieder dahinkommen, dass jeder sein Ego in den Hintergrund stellt, sich und seine Stärken zum Wohl des Teams einbringt und der mannschaftliche Erfolg im Mittelpunkt steht“, sagt er: „Wer nur auf Lobeshymnen hört und dann denkt, er ist der Beste, Tollste und Schönste, der tut sich schwer damit, wenn er plötzlich auf der Bank sitzt.“
„Mesut wurde für das Foto kritisiert – und das zu Recht“