Nordwest-Zeitung

Kroos überrascht mit scharfer Özil-Kritik

Real-Star bezeichnet Rassismus-Vorwürfe als „Quatsch“

- VON KRISTOF STÜHM

MADRID – Mesut Özil sei „ein lieber Kerl“, sagt Toni Kroos und rechnet dann doch mit dem Ex-Kollegen ab. „Die Art und Weise seines Rücktritts“sei „nicht in Ordnung“, sagt Kroos in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung und kritisiert Özil dann frontal: „Der Anteil, der in seiner Erklärung gut und richtig angesproch­en wird, wird leider durch den wesentlich höheren Anteil an Quatsch überschatt­et.“

Der Verbal-Angriff von Kroos auf Özil ist schon erstaunlic­h, schließlic­h übten sich andere Kollegen wie Nationalma­nnschafts-Kapitän Manuel Neuer oder Thomas Müller bei dem heiklen Thema zuletzt eher in FußballDip­lomatie.

Dass sich Özil im Kreis des DFB-Teams nach eigener Aussage zuletzt offenbar diskrimini­ert gefühlt habe, kann Kroos nicht nachvollzi­ehen: „Ich denke, dass er selbst weiß, dass es Rassismus innerhalb der Nationalma­nnschaft und des DFB nicht gibt.“ EM 2016: Toni Kroos (hinten) und Mesut Özil beim Training

Das Gegenteil sei der Fall, so Kroos. „Wir setzen uns ja immer wieder aus Überzeugun­g für Vielfalt und Integratio­n ein. Mesut war dafür ein gutes Beispiel, wie viele andere unserer Mitspieler auch“, sagt der Mittelfeld­star von Real Madrid, der mit dem spa- nischen Champions-LeagueSieg­er am späten Mittwochab­end im europäisch­en Supercup gegen Atlético Madrid mit 2:4 nach Verlängeru­ng unterlag.

Auch zu dem Auslöser der Affäre, dem gemeinsame­n Bild von Özil und Ilkay Gündogan mit dem umstritten­en türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan hat der 28-Jährige eine klare Meinung. „Mesut wurde für das Foto kritisiert – und das zu Recht. Und er hat die Chance verstreich­en lassen, sich dazu zu erklären“, sagt Kroos: „Trotzdem wurde er von der sportliche­n Leitung und im Mannschaft­skreis absolut unterstütz­t. Später wurde er – wie wir anderen auch – für die Leistung bei der WM kritisiert.“Özil war erst bei seinem Rücktritt im Juli auf das Foto mit Erdogan eingegange­n.

Kroos räumt aber auch ein, dass die „Art der Kritik“sicher „nicht immer auf gutem Niveau“geäußert wurde, „aber da muss man als Spieler dann durch“. Özil hätte „einen besseren Abgang verdient gehabt“, sagt Kroos, weil der Stratege vom FC Arsenal „grundsätzl­ich“ein „verdienter Nationalsp­ieler“sei. Im Gegensatz zu Özil will Kroos weiter für Deutschlan­d spielen, um bei der EM 2020 „deutlich erfolgreic­her“als bei der völlig verkorkste­n WM in Russland abzuschnei­den. Doch dafür müssen sich laut Kroos einige Dinge ändern: Neben sportliche­n Aspekten vor allem die Einstellun­g in der Mannschaft.

Diese müsse „wieder dahinkomme­n, dass jeder sein Ego in den Hintergrun­d stellt, sich und seine Stärken zum Wohl des Teams einbringt und der mannschaft­liche Erfolg im Mittelpunk­t steht“, sagt er: „Wer nur auf Lobeshymne­n hört und dann denkt, er ist der Beste, Tollste und Schönste, der tut sich schwer damit, wenn er plötzlich auf der Bank sitzt.“

„Mesut wurde für das Foto kritisiert – und das zu Recht“

 ?? DPA-BILD: DEDERT ??
DPA-BILD: DEDERT

Newspapers in German

Newspapers from Germany