Nordwest-Zeitung

Fahrräder ganz groß

Junge Zweiradmec­haniker aus Oldenburg ziehen mit ihren Kreationen alle Blicke auf sich

- VON CLAUS HOCK

Zwei Fahrrad-Enthusiast­en aus Oldenburg bauen so genannte Tallbikes – mehrstöcki­ge Fahrräder, die aus mehreren Rahmen zusammenge­baut werden. Die werden bis zu 2,30 Meter hoch und sorgen im Straßenver­kehr regelmäßig für einiges Aufsehen . . . . .

Zwei junge Fahrrad-Enthusiast­en aus Oldenburg bauen Tallbikes. Die mehrstöcki­gen Räder der beiden sind mehr als zwei Meter hoch.

OLDENBURG – Zwar gibt es in Oldenburg keine Gaslaterne­n mehr, aber das hält Frederik Vosgerau (22) und Bero Bartels (19) nicht davon ab, das 19. Jahrhunder­t in die Gegenwart zu holen. Frederik, der Zweiradmec­haniker, und Bero, der Zweiradmon­teur, lieben es, Fahrrad zu fahren – und das über den Köpfen von Fußgängern und anderen Radlern. Die beiden jungen Oldenburge­r bauen in ihrer Freizeit nämlich Hochräder. Nein, nicht die mit den beiden unterschie­dlich großen Rädern, sondern sogenannte Tallbikes. Und diese wurden ursprüngli­ch genutzt, um Gaslaterne­n anzuzünden.

Heute führen Tallbikes ein Nischendas­ein. Zu kaufen gibt es sie kaum, die meisten entstehen in den Hobbywerks­tätten von Fahrrad-Enthusiast­en wie Frederik und Bero. Die bauen zwar auch auf Auftrag, aber angefangen hat alles mit einer Schnapside­e von Frederik.

Für den Kra&er&arkt

„Ich wollte was Auffällige­s für den Kramermark­tumzug haben“, erinnert sich der 22Jährige. Also baute er sich sein erstes Tallbike, fünf Jahre ist das jetzt her. „Das Fahren war so geil, man war so hoch über allen anderen. Das wollte ich häufiger haben“, sagt Frederik. Also fuhr er so oft es ging mit seinem Tallbike. Fünf Fahrräder hat er mittlerwei­le gebastelt, das größte ist dreistöcki­g, misst 2,30 Meter und besteht aus vier Rahmen. „Damit erregst du mehr Aufsehen als mit einem Sportwagen“, weiß Frederik. Dass es beispielsw­eise in den Vereinigte­n Staaten eine größere Tallbike-Szene gibt und dass die mehrstöcki­gen Fahrräder überhaupt so heißen, hat er erst später herausgefu­nden.

Mit seiner Begeisteru­ng steckte Frederik irgendwann auch Bero an, der wie sein Arbeitskol­lege bei Vosgerau am Damm arbeitet. Die Werkstatt gehört Frederiks Vater. Und so fragte Bero, ob er auch mal ein Tallbike bauen könne. „Na klar“, war die Antwort von Frederik. „Zu zweit schrauben macht eh viel mehr Spaß.“Das erledigen beide übrigens nach Feierabend. „Aber wir dürfen die Werkstatt von meinem Vater dafür nutzen“, sagt Frederik.

>allbikes sind 7ingucker

Seitdem gehören die beiden zu insgesamt fünf Tallbikern, die in Oldenburg regelmäßig für Aufsehen sorgen. Kein Wunder, denn vor allem Frederiks „Tripplebik­e“, ist kaum zu übersehen. Manch Autofahrer war schon so überrascht, dass er während der Fahrt das Handy zückte, um ein Foto zu machen „und dann einen Auffahrunf­all baute“, erinnert sich Frederik. Häufiger sind aber die Fragen „Wie kommt man da rauf“und „Wie kommt man da runter?“. Letztere beantworte­t Frederik pragmatisc­h: „Notfalls springen!“

Das Aufsteigen ähnelt den Bewegungen, die Reiter voll- führen, wenn sie auf ihr Pferd steigen. Frederiks Tripplebik­e hat zwei Trittstang­en, als dritte Aufstiegsh­ilfe dient die Pedale. Ähnlich Steigbügel, die Reiter benutzen. Anfangs nutzten beide noch Mauern oder Ähnliches, um sich beim Aufsteigen abzustütze­n. Heute nehmen sie einfach Anlauf und hangeln sich die Räder hinauf. Durch die Bewegung wird das Rad stabilisie­rt, so dass ein Aufsteigen während der Fahrt leicht funktionie­rt – oder zumindest leicht aussieht. „Das ist bei meinem kleineren Tallbike einfacher“, sagt Bero, dessen Rad „nur“eine Höhe von 1,50 Metern hat. Das Absteigen funktionie­rt ähnlich.

Ein Blick in die 5<ene

Die Tallbike-Szene ist vor allem in den USA aktiv, aber auch in Europa gibt es viele Fans dieser Räder. Der Weltrekord­halter für das größte fahrtüchti­ge Fahrrad kommt aus Los Angeles. Seit 2013 hält Richie Trimble den offizielle­n Guinness World Record. Das Rad trägt den Namen „Stoopidtal­ler“und ist mit einer Lenkerhöhe von 6,15 Metern der Nachfolger vom kleinen (4,42 Meter Sattelhöhe) „Stoopidtal­l“.

Eine Zulassung brauchen die Räder nicht. Sie müssen nur die gleichen Voraussetz­ungen erfüllen wie jedes Fahrrad. Sie müssen also eine Klingel, eine Bremse und taugliche Beleuchtun­g haben. „Ich hatte mal eine LED-Lichterket­te rund um das Rad gebaut, die musste ich abbauen“, sagt Bero. „Das war zu auffällig und ablenkend.“

OLDE BUR Gur Bastelspaß

Im Stich gelassen haben die Selbstbaut­en die beiden noch nie. Man müsse sich zwar an den anderen Schwerpunk­t der Hochräder gewöhnen, aber das habe man schnell raus. „Gerade zu Anfang muss man aufpassen, dass man keinen Wheelie (wenn das Vorderrad in die Luft steigt) macht“, sagt Frederik. Ansonsten könne man Geschwindi­gkeiten wie auf einem normalen Fahrrad erreichen. „Man muss vorausscha­uender Fahren“, gesteht Bero ein.

Der Spaß am Basteln und Fahren ist nur eine Seite der Medaille. „Ich bin für mehr Fahrrad und weniger Auto“, so Frederik. Es sei gesünder, weniger laut und man sei in einer Stadt wie Oldenburg mit dem Fahrrad ohnehin schneller. Darüber hinaus sind die Kreationen der Mechaniker ein Beispiel für Upcycling. „Für die Räder wurde kein Rahmen neu gekauft“, betont Frederik. Nur bestimmte Teile, wie die Pedale oder Ketten, die kaufen beide lieber neu.

NFn Video sehen Sie unter www.klarnordis­ch.de/tallbike-in-oldenburg

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CLAUS HOCK Fallen in der Stadt mit ihren Tallbikes auf: Frederik Vosgerau (l.) und Bero BartelsBIL­D:

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