Nordwest-Zeitung

Politik schaut nicht aufs einzelne Kind

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Betrifft: „Was macht Inklusion schwierig? – Unklarheit­en, offene Fragen und schwammige Ziele prägen die Debatte“, Gastbeitra­g von Dr. Jörg Schlee, Meinung, 24. Juli

In seinem Gastbeitra­g hat Jörg Schlee dankenswer­terweise eine etwas differenzi­ertere Sicht auf die (schulische) Inklusion gezeigt als jene Enthusiast­en, die nur pauschale Losungen (wie: „Inklusion ist Menschenre­cht!“) skandieren und die UN-Behinderte­nkonventio­n gründlich missinterp­retieren. Den Blick auf das einzelne Kind in Hinblick auf seine besten Entwicklun­gsmöglichk­eiten nimmt die heutige Politik nicht mehr wahr. Dennoch übersieht Schlee, dass die politische­n Ziele bereits seinerzeit bei der Beschlussf­assung im Bundestag zu später Stunde und mit weniger als 50 anwesenden Abgeordnet­en klar und deutlich waren: Es wurde beruhigend in Aussicht gestellt, die Förderschu­len abschaffen zu können, damit es nicht mehr Geld kosten möge.

Ein unausgespr­ochenes Inklusions­ziel ist die faktische Abwicklung des mehrgliedr­igen Schulsyste­ms. Die Bertelsman­n Stiftung und besonders Die Linke sind sich einig im Engagement für die inklusive Einheitssc­hule. Trotz solcher Inklusions­bemühungen bestehen jedoch massive Ausgrenzun­gsprozesse vielfältig­er Art innerhalb der Gesellscha­ft, wie der Sozialethi­ker Uwe Becker in seinem Buch „Die Inklusions­lüge“darlegt. Jede Familie, die von Hartz IV leben muss, erfährt es ständig – auch ohne behinderte­s Kind.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Bandelt Hamburg

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