Nordwest-Zeitung

Über Engel

- Jürge$ Schwartz ist ev. Pastor in Lastrup und Lindern (Kirchenkre­is Oldenburge­r Münsterlan­d).

Endlich darf sie wieder aufstehen. Die Zeit des Liegens ist vorbei. Die Beine sind noch schwach. Zwar wird der Gehwagen eine kleine Hilfe sein, aber die Angst, lang hinzufalle­n, ist sehr groß. „Ich will wieder gehen. Ich will auf die Beine kommen. Wie geht das nur …“, sagt sie sich immer wieder. Doch sie bleibt auf ihrem Stuhl. Später kommen Schwestern von der DiakonieSo­zialstatio­n, um ihr zu helfen. Die Zeit vergeht. Nach vielem Üben und nach mancher Schwächeph­ase klappt es endlich wieder: eigenständ­iges Aufstehen und selbststän­diges Gehen vom Bett zur Küche. „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“(Psalm 91,11-12).

Ein Kind lernt laufen. Zuerst rollt und robbt es, dann krabbelt es. Schon bald zieht es sich an den Stuhlbeine­n hoch; schließlic­h steht es; zwar noch wackelig und wankend, aber stolz wie Oskar, strahlend und voller Glück. Jedoch: Ohne die Hilfe der Eltern hätte es dieses nicht geschafft. Denn: Um laufen lernen zu können, brauchen wir andere Menschen. Es bedarf Menschen, die uns auffangen, die uns tragen und stützen und die uns ab und an Mut zusprechen: Du schaffst das. „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“

Ob als Kind, ob als kranker oder alter Mensch – es gibt Zeiten in unserem Leben, da sind wir auf andere Menschen angewiesen; dann brauchen wir – für jeden noch so kleinen Schritt – jemand anderes, der uns stützt, trägt, begleitet. Wir brauchen andere Menschen, und wir brauchen Gott mit seinen Engeln. Engel – die sind manchmal nicht gleich zu erkennen, meist erst im Nachhinein: Es war jemand da, der mich auffing, als ich fiel; der mich stützte, als ich wankte; der mir zuhörte, als das Herz so voller Trauer war; der Worte der Ermutigung und des Trostes sagte. Es ist schön, auf eigenen Füßen stehen zu können; es ist ein Glück. Immer ist jemand bei uns – auch dann, wenn wir allein nicht mehr weiter können. Gott sei Dank. „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“

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VON JÜRGEN SCHWART+

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