Sst das schon #(Schleich-)Werbung?
Beiträge etwa über Mode oder auch das Lieblingseis unterliegen gesetzlichen Regeln
Viele Blogger haben sich bereits Abmahnungen eingefangen. Die NWZ hat mit zwei Influencerinnen aus der Region und einer Oldenburger Medienrechtsanwältin gesprochen.
OL89NB9RG/GARREL – Nachmittags auf social media: Eine Influencerin, also eine Instagram-Nutzerin, deren Beiträge mehrere tausend andere Nutzer verfolgen, veröffentlicht ein Familienfoto samt Text. „Moin, ihr Lieben! Mein Mann @Markus, die Kids und ich gönnen uns gerade ein richtig leckeres Spaghetti-Eis bei @Giovanni! Ich wünsche euch einen superschönen Sommertag!“Dazu ein Foto von sympathisch lächelnden Eltern vor einer Eisdiele sowie zwei grinsenden Kindern mit Eisbechern. Nichts weiter als ein kleiner, netter Einblick ins Privatleben einer Familie? Mitnichten. Die Strafe, die die drohende Abmahnung für diesen Beitrag auf der FotoPlattform Instagram nach sich ziehen könnte, kann die Beitragsverfasserin teuer zu stehen kommen.
Der Fehler? Fehlende Werbekennzeichnung. Denn durch die @-Kennzeichnung verlinkt die Influencerin direkt auf die Eisdielen-Kette „Giovanni“, macht Schleichwerbung. Ein Verstoß gegen das Gesetz des unlauteren Wettbewerbs (UWG).
Auf der einen Seite die oberflächliche, fast immer bestens gelaunte Bilder-Welt auf Instagram und Co, auf der anderen Seite Paragrafen, Aktenordner, Abmahnungen. Es sind zwei Welten, die da aufeinander prallen.
Influencerin aus Garrel
Kooperationen mit Unternehmen hat Olga Litau, 31jährige Influencerin aus Garrel, auch früher schon immer als solche gekennzeichnet; wenn sie also dafür bezahlt worden ist, dass sie sich auf einem Foto mit dem jeweiligen Produkt zeigt und ihre Meinung dazu schreibt. Nachdem das Thema der Kennzeichnungspflicht vor einigen Wochen eine solche Dynamik unter den Bloggern und Influencern entwickelte, durchforstete Olga aber auch alle ihre alten Beiträge, markierte einige nachträglich mit einem deutlichen Werbehinweis, löschte Fotos, bei denen sie sich unsicher war. Insgesamt überarbeitete sie Beiträge, die sie über einen Zeitraum von drei Jahren veröffentlicht hatte. Das dauerte.
Das Dilemma für Influencer wie Olga: Ihre Follower fragen sie zum Beispiel grundsätzlich, wo sie ihr Oberteil, das sie auf dem Foto trägt, den Rock oder die Uhr gekauft hat. Um dieser Frage zu entgehen beziehungsweise nicht jedem einzeln antworten zu müssen, markiert die 31-Jährige von vornherein, wo sie das Produkt gekauft hat – ohne, dass es eine Kooperation mit dem jeweiligen Unternehmen gäbe. Und obwohl sie gar keine Werbung mache, erklärt Olga, müsse sie dazuschreiben, dass es sich um Werbung handle. Dass sie das Kleidungs- oder Schmuckstück womöglich selbst gekauft hat, schreibt sie nicht dazu. In der Tat urteilte der Europäische
Gerichtshof im Juni 2011 beispielsweise, dass eine beabsichtigte Schleichwerbung auch dann vorliegen kann, wenn für die fragliche Werbung kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gezahlt worden ist. Nach dem UWG kommt es darauf an, ob ein objektiver Zusammenhang zwischen dem Beitrag und der Absatzförderung von Waren besteht.
Das sagt die Expertin
Maike Bartlmae, Oldenburger Fachanwältin für Medienrecht, erklärt: „Es ist ein schleichender Prozess. Jemand beginnt über etwas zu bloggen, das ihn interessiert, zum Beispiel Mode. Aber in dem Moment, wo man als Gegenleistung Produkte kostenlos bekommt, ist man im Bereich der Werbung. Und das muss gekennzeichnet sein. Nichtsdestotrotz muss es aber ja möglich sein, redaktionell über etwas zu berichten.“Beispielsweise, wenn die Influencerin mit ihrer Familie gerade in einer bestimmten Eisdiele sitzt. Allerdings, betont die Expertin, müsse man es dann bei einer bloßen Nennung belassen, statt auf das Unternehmen eine Verlinkung zu erstellen – wie im oben stehenden Beispiel auf die (fiktive) Eisdielen-Kette „Giovanni“.
Denn auch wenn es sich um keine bezahlte Kooperation handle, werde ein verlinktes Unternehmen womög-
lich auf die Influencerin aufmerksam – was wiederum den Weg für eine künftige Kooperation bereiten könne. Oder die Eisdiele lädt die Familie im Nachhinein zum Eis ein, gibt ihnen das Geld zurück.
Wichtig ist auch, dass eine Kennzeichnung als Werbung in deutscher Sprache – nicht etwa mit dem englischsprachigen Hinweis „sponsored by“– verfasst wird und direkt zu erkennen ist. Dass sie also zum Beispiel nicht inmitten anderer Hashtags untergeht.
„Einige markieren ihre Beiträge zwar, aber nur ganz klein“, hat die Oldenburger Bloggerin und Instagramerin Sarah von Heugel festgestellt. Dass es so viele Abmahnungen gegeben hat, findet sie einerseits zwar absurd. Andererseits ist sie aber auch der Meinung, dass „zu viele Leute lange Schindluder betrieben“haben. „Viele haben keine durchgängige Handschrift“, ist der 32-Jährigen aufgefallen. Sie selbst habe eine einheitliche Sprache. Wenn es sich um Werbung handelt, sollen ihre Follower das direkt sehen, damit sie entscheiden können, ob sie den Beitrag lesen wollen oder nicht.
Werbung erkennen
„Es handelt sich hauptsächlich um junges Publikum“, gibt Maike Bartlmae zu bedenken. Daher findet sie es wichtig, dass man darauf Rücksicht nimmt und eine vernünftige Werbekennzeich- nung vornimmt. In der Tat haben viele Nutzer sozialer Netzwerke einer Studie des Digitalverbands Bitkom zufolge Schwierigkeiten, zwischen Werbung und inhaltlichen Beiträgen zu unterscheiden. 48 Prozent der Befragten gaben demnach in der repräsentativen Studie an, die Inhalte nicht genau zuordnen zu können. Unter den jüngeren Nutzern im Alter von 14 bis 29 Jahren seien es sogar 56 Prozent.
„Sogar wenn ich meinen Mann im Beitrag verlinke, muss ich das als Werbung kennzeichnen“, ächzt Olga Litau. Doch das sei Unsinn, erklärt Medienrechtsanwältin Maike Bartlmae. Die Verlinkung zu „Markus“im eingangs erwähnten Beispiel wäre also völlig unproblematisch – es sei denn, hinter „Markus“verbirgt sich eben nicht das private Profil des Ehemannes, sondern sein Unternehmen, oder es handelt sich um sein Mitarbeiterprofil des Unternehmens X, für das er arbeitet. Sarah von Heugel
9nd bei Anti-Werbung?
Pauschal alles als Werbung zu kennzeichnen, kann übrigens ebenfalls nach hinten losgehen. „Durch die Kennzeichnung als Werbung entsteht der Eindruck, es gäbe eine Geschäftsbeziehung“, erklärt Maike Bartlmae. Womöglich wäre es für ein Unternehmen aber kontraproduktiv, wenn dieser Eindruck entstehen könnte – beispielsweise, wenn es sich bei dem vermeintlichen Kooperations- partner um eine rechtsextreme Person handelt.
Was ist denn, wenn eine Influencerin zwar ein Produkt kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen hat – dieses Produkt dann aber in einem öffentlichen Beitrag negativ bewertet? Sozusagen AntiWerbung betreibt? Werbekennzeichnung: ja oder nein? „Das kommt auf den Vertrag an“, sagt Maike Bartlmae. Aber wenn es einem Unternehmen wichtig ist, authentisch zu sein, fördere ein kritischer Beitrag die Glaubwürdigkeit – und sei somit letztlich Werbung. Olga Litau beispielsweise befand zuletzt eine Creme, die von einer Kosmetikfirma als „für jeden Hauttyp geeignet“beworben werde, eben NICHT als dafür geeignet. Und veröffentlichte ihre Meinung auf ihrem Profil. Die Kosmetikfirma selbst sagte nichts zur Anti-Werbung.
Und dann gibt es auch Firmen, berichtet Sarah von Heugel, die mit ihr kooperieren und Gratisprodukte zur Verfügung stellen wollen – aber fordern, dass die Bloggerin den entsprechenden Beitrag nicht als Werbung kennzeichnet. Laut Expertin Maike Bartlmae ein sittenwidriges Vorgehen des Unternehmens. Bei solchen Anfragen antwortet Sarah von Heugel erst gar nicht.
Viele Blogger seien vorsichtiger geworden – und haben trotzdem Angst, etwas falsch zu machen, hat Olga Litau festgestellt. Eine Bekannte von ihr habe zwar auch nachträglich, nachdem das Thema der Kennzeichnungspflicht unter den Bloggern und Influencern hochkochte, alte Beiträge markiert. „Aber man hatte sie schon länger im Visier“, erzählt Olga Litau, „und hatte Screenshots von diesen Beiträgen gemacht.“Die Folge: eine Abmahnung durch den Verband Sozialer Wettbewerb, dessen Satzungszweck laut Homepage ist, unlauteren Wettbewerb und Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen.
„Das Problem ist, dass es keinen rechtsgültigen Leitfaden gibt“, sagt Sarah von Heugel. Sie hat sich für ihren Blog nun einen Rechtsschutz zugelegt. Auf Online-Portalen verfolgt sie Urteile zu dem Thema. Dass jemand für ein 4Euro-Eis einer bestimmten Eismarke abgemahnt worden ist? „Absurd.“