Nordwest-Zeitung

Mehr Glasfasera­usbau – weniger Offshore

EWE-Chef Dohler über neue Strategie, künftigen Investor und Probleme beim Kontowechs­el

- VON JÖRG SCHÜRMEYER

In einige Bereiche will EWE kräftig investiere­n. Im Kerngeschä­ft soll dagegen gespart werden.

FRAGE: E;E-Vorstand und Führungskr­äfte haben in den vergangene­n Monaten an einer Überarbeit­ung der Strategie gearbeitet. ;ie lässt sich der künftige Ansatz in einem Satz zusammenfa­ssen? DOHLER: Ganz einfach: Wir machen aus Innovation einfach Alltag. „Wir machen“ist stark auf Tun fokussiert. „Innovation“ist etwas, wofür EWE schon immer stand und auch künftig stehen soll. Und „einfach Alltag“heißt, dass wir vom Kunden und nicht von uns her denken wollen und es ihm im Alltag möglichst einfach machen wollen. FRAGE: ;arum ist überhaupt eine Überarbeit­ung der Strategie notwendig?

DOHLER: Wir sind nicht im Krisenmodu­s, das möchte ich ausdrückli­ch betonen. Aber der Marktdruck ist groß und wir wissen heute schon, dass wir in den nächsten vier, fünf Jahren – allein schon aufgrund des Marktumfel­des – rund 100 Millionen im Ergebnis verlieren werden. Hier wollen und müssen wir frühzeitig gegensteue­rn: durch die Erschließu­ng von Wachstumsf­eldern, aber auch durch die Steigerung der Leistungsf­ähigkeit.

FRAGE: Im Frühjahr haben Sie gesagt, dass Sie es bevorzugen, wenige Sachen richtig zu machen statt von allem ein bisschen. Auf welche „wenigen Sachen“will sich E;E künftig konzentrie­ren?

DOHLER: Wir haben sechs strategisc­he Handlungsf­elder festgelegt, von denen wir sagen: Hier müssen wir einen guten Job machen, wenn wir langfristi­g eine erfolgreic­he EWE haben wollen. Bei vier dieser Felder geht es um marktbezog­ene Themen. Das ist erstens das Thema klarer Kundenfoku­s, zweitens das Thema Infrastruk­tur, drittens das Thema Systeminte­gration/Vernetzung, also das Zusammenbr­ingen der bisher noch weitgehend getrennten Bereiche Energie, Wärme, Mobilität, Telekommun­ikation und Daten, und viertens das Thema digitale und datenbezog­ene Geschäftsm­odelle. Alles was da nicht reinpasst, passt strategisc­h nicht zu uns. Die beiden anderen strategisc­hen Handlungsf­elder sind eher nach innen orientiert. Das ist zum einen das Thema Performanc­e, also das Arbeiten an unseren Kosten, an unserer Geschwindi­gkeit und an unserer Qualität. Und zum anderen ist dies das Thema Zusammenar­beit, also die Art, wie wir künftig zusammenar­beiten wollen.

FRAGE: Das klingt noch etwas abstrakt. ;ie wirkt sich das auf einzelne Geschäftsf­elder von E;E aus?

DOHLER: Wir haben uns all

Stefan Dohler

steht seit Mitte Januar als Vorstandsv­orsitzende­r an der Spitze der EWE. Der 52-JHhrige trat die Nachfolge von Matthias BrIckmann an, der im JeKruar 2017 im Zuge der LKlitschko-AffHreM fristlos entlassen wurde. Dohler kam vom schwedisch­en Energiekon­zern Vattenfall zu dem OldenKurge­r Energieund Telekommun­ikationsun­ternehmen.

unsere Geschäftsf­elder angeschaut und diese in drei Kategorien eingeteilt. Die erste Kategorie sind die Bereiche, in denen wir wachsen wollen, in die wir Ressourcen reinstecke­n wollen und die wir als strategisc­h bedeutsam für unsere Zukunft ansehen. Dazu gehört erstens der Glasfasera­usbau. Wir glauben, dass eine schnelle Datenverbi­ndung eine ähnliche Bedeutung haben wird, wie früher ein Strom-, Gas- oder Wasseransc­hluss. Und hier haben wir ja auch bereits kräftige Investitio­nen angeschobe­n. Zweitens gehört dazu das Thema Erneuerbar­e Energien onshore. Wir sind hier in einer Windregion, wir sind in der Region Infrastruk­turbetreib­er. Und deshalb müssen wir uns diesem Thema stellen – auch wenn es unter einem starken Marktdruck steht. Weitere strategisc­h bedeutsame Themen für uns sind Energiedie­nstleistun­gen, Mobilität und neue Speicherlö­sungen. Und das sechste Thema sind datengetri­ebene Geschäftsm­odelle. Wir wollen schauen, wie wir mit den Daten, die wir von unseren Kunden haben, diesen eine bessere Qualität liefern können, also etwa bei der Beratung über Stromverbr­auch – wenn den Kunden dies interessie­rt.

FRAGE: In Sachen Erneuerbar­e Energien haben sie jetzt bewusst von onshore, also an Land, gesprochen. ;as ist mit Dort war er zuletzt als Jinanzvors­tand der Vattenfall AB in Stockholm tHtig. Der 52JHhrige, der geKIrtig aus Cochem stammt und lange in HamKurg geleKt hat, ist gelernter Seemann, Diplom-Ingenieur fIr Luft- und Raumfahrtt­echnik und Kesitzt einen Master of Business Administra­tion. Er ist Vater von zwei Kindern.

Offshore-;indenergie? DOHLER: Das Thema Offshore haben wir in der Tat in die Kategorie drei eingeordne­t. Hierunter fallen all die Geschäftsb­ereiche, die wir nicht als strategisc­he Zukunftsfe­lder ansehen und die wir auch nicht mit frischem Geld weiter wachsen lassen wollen. In der Offshore-Windenergi­e braucht man sehr tiefe Taschen. Zudem sind fast alle Windparks in der deutschen Nordsee bis 2025 vergeben. Aus eigener Kraft können und wollen wir hier nicht weiter

wachsen. Das heißt, wir können langfristi­g weiter Betreiber unserer bestehende­n Windparks bleiben, aber wir werden kein frisches Geld mehr reingeben.

FRAGE: ;elche Geschäftsf­elder fallen noch in diese Kategorie drei, also die Bereiche, die E;E nicht als strategisc­he Zukunftsfe­lder ansieht? DOHLER: Keine strategisc­he Zukunft sehen wir auch für große Erdgasspei­cher, obwohl die 38 Kavernen heute noch einen bedeutsame­n Anteil in unserem Portfolio einnehmen. Wir glauben, dass der Bedarf für große Erdgasspei­cher zurückgehe­n wird. Was wir aber sehr wohl tun, ist zu schauen, was man sonst mit den Speichern machen kann, Stichwort Kavernenba­tterie. FRAGE: ;ie sieht es mit BTC, der IT-Tochter von E;E, aus? DOHLER: Auch das Thema ITDienstle­istungen, also unsere Tochter BTC im Wesentlich­en, fällt in diese Kategorie drei. Ein wesentlich­er Teil des Geschäfts von BTC sind Standard-IT-Dienstleis­tungen, etwa SAP-Beratung für Dritte. Damit ist BTC auch sehr erfolgreic­h am Markt. Aber wir wollen als EWE strategisc­h kein IT-Dienstleis­ter werden, der Standard-IT-Beratung macht. Und deswegen sagen wir: BTC soll sich auf den Markt fokussiere­n, dort gute Geschäfte machen und dann einen Finanzbeit­rag für die EWE liefern. Wenn BTC wachsen will, dann muss es aus dem eigenen Ergebnis heraus finanziert werden oder man muss sich Partner suchen. FRAGE: Heißt das weitergeda­cht, dass E;E auch Geschäftsb­ereiche aufgeben oder verkaufen will?

DOHLER: Nein, das ist ganz bewusst nicht die Idee an dieser Kategorie drei. Wir sagen lediglich, dass diese Geschäftsf­elder künftig strategisc­h nicht zu unserem Kerngeschä­ft gehören werden und dass wir da kein frisches Geld mehr reingeben werden. Diese können sehr wohl im Portfolio bleiben, wenn sie einen guten finanziell­en Wertbeitra­g liefern. Wir sagen aber auch: Wenn Bereiche deutlich unter unserem Erwartungs­horizont liegen, dann werden wir wenig Geduld mit ihnen haben. Dann geht es in der Tat darum: Entweder reparieren oder trennen.

FRAGE: ;as ist mit dem bisherigen Kerngeschä­ft von E;E, also etwa dem Vertrieb von Strom und Gas?

DOHLER: Energiever­trieb, aber auch Telekommun­ikation und Netze, sind heute unser absolutes Kerngeschä­ft und werden auch künftig ein extrem wichtiger Baustein für unsere Strategie bleiben. Diese Bereiche ordnen wir zwischen den Kategorien eins, also den Wachstumsf­eldern, und drei ein. In diesen Kerngeschä­ftsfeldern wird es künftig vor allem darum gehen, an der Performanc­e zu arbeiten, also an den Kosten, an der Geschwindi­gkeit und an der Qualität.

FRAGE: Bedeutet Arbeit an Kosten auch Abbau von Arbeitsplä­tzen?

DOHLER: Wenn man alles zusammenni­mmt, werden wir sicher einen harten Kostendruc­k haben, aber wir planen kein Restruktur­ierungs- oder Abbauprogr­amm. Es kann aber natürlich trotzdem sein, dass wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir netto am Ende weniger Belegschaf­t brauchen, um denselben Job zu machen. Ich denke, dass da auch das Thema Fluktuatio­n, also dass wir Mitarbeite­r auch absehbar in die Rente verlieren werden, eine Rolle spielt. FRAGE: Praktisch jedes Unternehme­n sagt, dass es den Kunden in den Mittelpunk­t rücken will, E;E betont das nun auch. Nennen Sie bitte einmal ein konkretes Beispiel, was sich ändern muss?

DOHLER: Nehmen Sie diesen Fall: Sie sind Rundum-Sorglos-Kunde bei EWE und wollen Ihr Konto wechseln. Dann müssen Sie heute tatsächlic­h mit mehreren Menschen bei der EWE Kontakt aufnehmen, bis Sie ihr Konto überall richtig hinterlegt haben. Das kann nicht sein. Künftig muss es so sein, dass der Kunde einen Anruf tätigt, die Informatio­nen durchgibt und dann wird das von uns in allen Systemen erledigt, sodass der Kunde nichts davon merkt. Wenn wir ernsthaft sagen, der Kunde steht im Mittelpunk­t, dann müssen wir die ganze Art, wie wir arbeiten, überdenken. Heute sind wir noch sehr in Säulen, in Geschäftsb­ereichen, organisier­t. Das werden wir anders organisier­en müssen. Denn es kann nicht sein, dass sich ein Privat- oder Gewerbekun­de durch teilweise vier oder fünf Gesellscha­ften durcharbei­ten muss.

FRAGE: Als große Aufgabe liegt vor E;E noch die Suche nach einem neuen Investor, der als Minderheit­seigner einsteigt. ;ie soll dieser künftige Partner aussehen?

DOHLER: Wir haben immer gesagt: Wenn die neue Strategie steht, können wir auch die Partnersuc­he forcieren. Welche Art von Investor wir suchen, ist aber bewusst offen gehalten. Was bringt ein Investor an strategisc­hen Erkenntnis­sen, an Technologi­e, an Geld mit? Was will er für Mitsprache­rechte haben? Welchen Dividenden­anspruch hat er? Es kommt auf die Mischung an und am Ende entscheide­n natürlich die Anteilseig­ner, wer der richtige Partner ist. Das Einzige, was heute schon relativ sicher ist, ist, dass es ein langfristi­ger orientiert­er Partner sein soll. Und wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass wir den Prozess im Jahr 2019 komplettie­ren.

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BILD: TORSTEN VON REEKEN Äußert sich zur neuen Strategie: EWE-Vorstandsc­hef Stefan Dohler

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