Zur Unterhaltung auf den Ziegelhof
Karl Born ließ neben ehemaliger Ziegelei nach dem Zweiten Weltkrieg Freilichtbühne bauen
Betonschwellen wurden zu einer Tribüne verarbeitet. 1000 Besuchern bot sie Platz.
BÜRGERFELDE – Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ sich der ehemalige Seemann und Pilot Karl Born in Oldenburg nieder. Im Gepäck: optimistische Ideen für die Kulturszene der Stadt. Dass er später am sogenannten „Ziegelhof“jahrzehntelang sehr erfolgreiche Kinos betrieb, das wissen die meisten Oldenburger noch. In Vergessenheit geraten ist dagegen sein erstes Projekt: die Freilichtbühne.
Auf dem zerbombten Gelände einer historischen Ziegelei eine Freilichtbühne buchstäblich aus dem Boden zu stampfen – dazu musste man schon Visionär sein, genau wie Karl Born. In einer alten Festschrift ist zu lesen: „Im Zeichen der Zigarettenwährung mangelte es an allem. Genehmigungen der Besatzungsbehörden mussten eingeholt werden. Sämtliche Baustoffe waren so knapp wie nie.“Irgendwo ließen sich aber dann doch 1000 Betonschwellen auftreiben, die für Luftschutzzwecke gegossen worden waren, und alle Oldenburger Schulen beteiligten sich im Frühjahr 1946 an den Arbeiten zur Freilichtbühne. 500 Kubikmeter Erde waren zu bewegen.
Karl Born mobilisierte auch Studenten der Staatsbauschule, die Anlage fachkundig zu entwerfen. Eine beachtliche Naturbühne entstand unter dem hohen, alten Baumbestand des Ziegelhof-Geländes. In einem Zeitungsbericht ist die Rede von grünen Akazien um eine gewellte Rasenfläche. Auf den Bänken, halbkreisförmig und ansteigend angeordnet, fanden fast eintausend Besucher Platz. Und so viele werden es wohl auch gewesen sein, die am 18. August 1946 zum ersten Mal die Ränge füllten.
Die Freilichtbühne war aus dem Kulturleben der Stadt viele Sommer lang nicht wegzudenken. Das Orchester des Staatstheaters spielte hier regelmäßig, und auch die Berliner und die Münchner Philharmoniker waren zu Gast. Theaterstücke wurden aufgeführt, sowohl vom Staatstheater als auch von auswärtigen Bühnen und Schultheatergruppen. „König Drosselbart“, „Der Zigeunerbaron“, „Kasperl und die Zaubergeige“und die Komödien von August Hinrichs. „Der Ollnborger Kring“, ein Verein der Brauchtumspflege, war hier Stammgast. Ebenso der Oldenburger Ideengeber: Karl Born baute den Ziegelhof um
Jugendchor, der sich wenige Tage nach Kriegsende gegründet hatte.
Wer kennt noch die Pianistin Elly Ney, wer die Sängerin und Schauspielerin Lilian Harvey? Sie waren die Stars ihrer Zeit, und sie traten am Ziegelhof in Oldenburg auf. Während Karl Born nebenan zunächst einen Festsaal baute und dann seine legendären Kinos, verbrachten die Oldenburger ihre Sommerabende in der Freilichtbühne, bis es nicht mehr ging.
Der Torjubel vom Fußballfeld nebenan störte die Vorstellungen. Aber das war gar nichts gegen das, was noch kommen sollte. Wenige Meter entfernt, wo sich heute das Autobahndreieck OldenburgWest befindet, hörte man mehr und mehr vom Wirtschaftswunder: die alte Umgehungsstraße wurde immer belebter und lauter. Und vom Fliegerhorst dröhnten Ende der 1950er Jahre zusätzlich noch die Maschinen der neuen deutschen Luftwaffe.
Darum verschwand die Freilichtbühne 1958 sangund klanglos, nach zwölf Sommern, von der Oldenburger Kulturszene. Aber man kann die alte Freilichtbühne heute noch erahnen: Wer auf das Gelände des NDR-Studios in Oldenburg will, muss von der Adolf-Grimme-Straße einen ganz beachtlichen Hügel hinauf, von dem aus sich früher die Zuschauer ihren Überblick verschafften. Hohe, alte Bäume stehen auch noch hier: die Kulisse von damals. Sogar das alte Ziegelhof-KinoGebäude existiert noch – als Fitness-Studio und WellnessOase. Im vorderen Bereich ist seit Jahrzehnten ein griechisches Lokal beheimatet.
Gerhard Snitjer ist Mitarbeiter bei „Bremen Zwei“