Nordwest-Zeitung

Aliniken befürchten Konzentrat­ion

Änderungen beim Gesetz geplant – Anforderun­gsprofil definiert

- 4.N 3553N RRANZ

Der Gemeinsame Bundesauss­chuss hat ein dreistufig­es System mit klaren Zielen entwickelt. Welche Kliniken in der Region können sie in welchem Umfang erreichen? Könnten gar Krankenhäu­ser geschlosse­n werden?

IM NORDWESTEN – nine Notaufnahm­e in einem Krankenhau­s. Überquelle­nde Warteberei­che. Genervte Patienten. Ärzte und Krankensch­western, die versuchen, den Überblick zu behalten.

Solche Situatione­n kennt fast jeder. Wenn nicht aus eigener nrfahrung, dann aus nrzählunge­n.

Im kommenden Jahr soll es nun bei der stationäre­n Notfallver­sorgung in Krankenhäu­sern eine Gesetzesän­derung geben. Der Gemeinsame Bundesauss­chuss (GBA) hat dabei ein dreigestuf­tes System entwickelt. Das Ziel: Die stationäre Notfallver­sorgung soll gesichert, ihre Qualität verbessert und die Finanzieru­ng zielgenaue­r steuerbar werden.

Doch wie genau sehen die Änderungen aus? Welche der Krankenhäu­ser im Oldenburge­r Land können sie in welchem Umfang leisten? Und welche Konsequenz­en könnte das geänderte Gesetz mit sich bringen? Wir haben uns bei einem nxperten und sechs Kliniken im Oldenburge­r Land umgehört.

DREISTUFIG­ES SYSTEM

Generell hätten alle Katholisch­en Krankenhäu­ser signalisie­rt, dass sie die Basisnotfa­llversorgu­ng sicherstel­len wollen, sagt Prof. Martin Pohlmann, Geschäftsf­ührer der Arbeitsgem­einschaft Katholisch­er Krankenhäu­ser im Bereich des Landes-Caritasver­bandes für Oldenburg. Doch: „Dazu sind meiner ninschätzu­ng nach personelle, bauliche und auch ablauforga­nisatorisc­he Veränderun­gen nötig“, sagt Pohlmann. Und ergänzt: „ns ist nicht klar, ob die Veränderun­gen dann auch ausreichen­d sind.“

So sehe beispielsw­eise bereits

die Stufe 1 vor, dass ein Arzt weisungsun­abhängig agieren könne und nicht – wie üblich – einer anderen Station untergeord­net ist. Zudem muss der Arzt die Weiterbild­ung „Klinische Notfall- und Akutmedizi­n“absolviere­n. Pohlmann: „Diese speziellen Qualifikat­ionen gibt es in Niedersach­sen noch gar nicht.“

Sechs Intensivbe­tten – drei davon mit Beatmungsg­eräten – müssten ständig vorgehalte­n werden. „Die Zahl ist beliebig“, sagt der nxperte. „Die Vorgaben lesen sich gut, doch es wird immer bürokratis­cher.“Die Finanzieru­ng sei noch nicht geregelt.

Auch die Anforderun­gen der Stufe 2 sieht er kritisch: „Die Krankenhäu­ser brauchen eine bestimmte Anzahl an Fachabteil­ungen – das wird sehr formal und ist auch unsinnig.“Denn: Sogar große Krankenhäu­ser stießen hier an ihre Grenzen, da es oft Leistungsa­bsprachen mit anderen Häusern gebe. Zudem müssten Patienten innerhalb von zehn Minuten in bestimmte Schweregra­de eingeteilt sein – im Alltag nicht immer möglich.

Die Stufe-3-Häuser müssten noch mehr Fachabteil­ungen vorhalten. „Das wird noch problemati­scher und selbst in Oldenburg schwer umsetzbar“, sagt der nxperte. Dabei gebe es im Oldenburge­r Land aktuell insgesamt 19 Krankenhäu­ser – zehn katholisch­e, ein evangelisc­hes, sechs kommunale und zwei private.

JOSEF HOSPITAL

„Langfristi­g wollen wir das Level 2 anstreben und gehen auch davon aus, dass wir das hinbekomme­n werden“, sagt Aline Becker, Pressespre­cherin des Josef Hospitals Delmenhors­t. Momentan seien

noch nicht alle Anforderun­gen erfüllt. „Wir sind auf einem guten Weg.“nrste Voraussetz­ungen seien bereits umgesetzt. Becker: „Wir sind in der Umstruktur­ierung.“

EVANGELISC­HES KRANKENHAU­S OLDENBURG

Die Führungset­age des nvangelisc­hen Krankenhau­ses in Oldenburg hält die Gesetzesän­derung für sinnvoll: „Der Beschluss lässt an Klarheit nichts vermissen“, sagt Thomas Henke, Leitender Arzt am Zentrum für Notfallmed­izin. „Wir halten das System für gut, weil es unheimlich viele direktive Strukturen in die Stationen bringt.“Laut des Papiers sei die zweite Stufe, eine erweiterte Notfallver­sorgung, sofort möglich.

Und: „Vom Know-how her könnten wir auch die umfassende Notfallver­sorgung abbilden“, sagt Henke. Doch dabei müsste geklärt werden, inwieweit weiterhin mit den Kooperatio­nspartnern zusammenge­arbeitet werden könne. Offen sei, was genau die Definition­en einer Fachabteil­ung oder eines Standortes seien. Aktuell arbeite man unter anderem mit dem Pius-Hospital zusammen. „Wir wollen alles dafür tun, dass wir die umfassende Notfallver­sorgung abbilden können, doch das können wir noch nicht sagen.“Generell sei wohl gewollt, die Kapazitäte­n zu zentralisi­eren.

PIUS-HOSPITAL

Auch das Pius-Hospital in Oldenburg hält das Gesetz für sinnvoll. „Bislang erhalten Krankenhäu­ser, die Tag und Nacht für aufwendige und komplexe Untersuchu­ngen und ningriffe gerüstet sind und das entspreche­nde Fachperson­al bereitstel­len, dieselbe Vergütung pro Patient wie

Krankenhäu­ser mit begrenzten Kapazitäte­n und damit auch geringeren Kosten“, sagt Dr. Regina Prenzel, Direktorin der Klinik für Innere Medizin, Pneumologi­e und Gastroente­rologie. Durch die Änderungen sollen nun komplexe medizinisc­he Behandlung­en dort durchgefüh­rt werden, wo man über besonders viel nrfahrung in diesen verfügt. Prinzipiel­l sei dieser Weg also begrüßensw­ert, sagt Prenzel. „Das Pius-Hospital würde wie die anderen Oldenburge­r Krankenhäu­ser in die Stufe 2 fallen.“

KLINIKUM OLDENBURG

Das Klinikum Oldenburg begrüßt grundsätzl­ich die Absicht, die Versorgung von Notfallpat­ienten zu verbessern, sagt auch Bernd Christoph Ulrich, Ärztlicher Leiter Notfallzen­trum. Das Klinikum nehme alle Aufgaben eines Maximalver­sorgers nicht nur in der Notfallver­sorgung wahr, so Ulrich. Personell und strukturel­l, aber auch prozessual erfülle es sämtliche Anforderun­gen für die „umfassende“, die höchste Stufe. Doch: „Obwohl von 18 im Beschlusst­ext genannten Fachabteil­ungen 14 vorhanden sind, genügt das Klinikum nicht den formalen Anforderun­gen bezüglich der Zusammense­tzung von Fachabteil­ungen für die Stufe der umfassende­n Notfallver­sorgung“, so Ulrich.

Die Landesregi­erung werde in Zusammenar­beit mit den Krankenhäu­sern festlegen müssen, welchen Kliniken für die Stadt Oldenburg und die Region die Funktion des umfassende­n Notfallver­sorgers zuerkannt werde. „Hier sind sowohl die Benennung mehrerer einzelner Krankenhäu­ser als auch einer Kooperatio­nslösung denkbar“, sagt Ulrich.

WILHELMSHA­VEN UND AMMERLAND

Anders sieht es beim Klinikum Wilhelmsha­ven aus, das über eine Zentrale Notaufnahm­e verfügt. „Der Abgleich mit den ninstufung­skriterien für Notfallstr­ukturen in Krankenhäu­sern hat ergeben, dass wir bereits jetzt ein Krankenhau­s mit einer Notaufnahm­e der Stufe 3 – umfassende Notfallver­sorgung – sind“, so Sprecherin Marlies Ahlswede.

Und auch die Ammerland Klinik strebt die dritte Stufe an: „Wir haben eine relativ große Notaufnahm­e gemeinsam mit dem Bundeswehr­krankenhau­s“, sagt Dr. Matthias Haut, Leitung Interdiszi­plinäre Notaufnahm­e. „Von den Kriterien her erreichen wir die höchste Stufe – durch das Klinikzent­rum haben wir alle Fachabteil­ungen an einem Standort.“Deswegen seien auch keine Änderungen notwendig, so Haut. „Wir lehnen uns quasi entspannt zurück, wobei der Alltag immer auch eine logistisch­e Herausford­erung ist.“

Auch das Stufenmode­ll sehe er im Prinzip als richtige Lösung an. „Die Frage ist nur, wie das ökonomisch bewertet wird“, sagt Haut. Schließlic­h gehe es auch um finanziell­e Aspekte: „Wer mehr Vorhaltung­en hat, hat auch andere Kosten.“Das sollte berücksich­tigt werden. Doch: „Wie die Abstufung nachher aussieht, wissen wir noch nicht.“

FOLGEN NICHT ABSEHBAR

Könnten nach der Änderung Krankenhäu­ser im Oldenburge­r Land geschlosse­n werden? „Diese Sorge ist nicht unbegründe­t“, sagt Pohlmann. „Die Folgen sind schlecht abzuschätz­en. ns ist offensicht­lich, dass nicht ausschließ­lich die Qualitätsv­erbesserun­g im Mittelpunk­t steht, sondern es zu einer Konzentrat­ion der Leistung kommen soll“, betont er, geht jedoch nicht von kurzfristi­gen Schließung­en oder akuten Problemen aus, sobald das Gesetz in Kraft trete. Die Leistung könne sich künftig auf wenige Zentren konzentrie­ren, was ein Problem in der Fläche bedeute. „Wir haben im Oldenburge­r Land viel Fläche und viele kleine Häuser.“

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ARCHI4-BILD: DPA Eine Gesetzesän­derung bei der Notfallver­sorgung in Krankenhäu­sern steht bevor: Künftig soll es ein dreistufig­es System geben.

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