Nordwest-Zeitung

Zeitumstel­lung – Berlin wartet ab

Peking baut wirtschaft­lichen Einfluss aus und fordert Europa heraus

- VON KRISTIN PALITZA UND JÖRN PETRING

BRÜSSEL/DPA – Die Bundesregi­erung wartet beim Thema Zeitumstel­lung auf konkrete Vorschläge aus Brüssel. „Dann werden wir uns positionie­ren“, sagte Vize-Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin. EUKommissi­onspräside­nt JeanClaude Juncker hatte zuvor angekündig­t, die halbjährli­che Zeitumstel­lung abschaffen zu wollen. Bei einer EUweiten Online-Umfrage hatten sich 84 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer für eine Abschaffun­g ausgesproc­hen.

Malou Jontilano hat keine freie Minute. Sie beantworte­t Textnachri­chten per Handy, liest Mails auf dem Computer und gibt ein Interview – alles gleichzeit­ig. Die drahtige Geschäftsf­ührerin der chinesisch­en Bekleidung­sfirma G&H Garments kurbelt seit drei Jahren mit mehr als 1000 Angestellt­en die Produktion im ostafrikan­ischen Ruanda an. „Afrika ist ein sehr attraktive­r Markt für uns“, sagt Jontilano.

Nicht nur in Ruanda, sondern in ganz Afrika baut Peking seinen Einfluss in hohem Tempo aus und fordert damit auch den Westen heraus. Mit einem Handelsvol­umen von 170 Milliarden US-Dollar hat China die USA und die alte Kolonialma­cht Frankreich als wichtigste Handelspar­tner des Kontinents hinter sich gelassen. Welche große Rolle Afrika in den Plänen der Chinesen spielt, wird der anstehende China-Afrika-Gipfel unterstrei­chen, zu dem ab Montag zahlreiche afrikanisc­he Staats- und Regierungs­chefs in Peking erwartet werden.

China geht es bei seinem Engagement nicht mehr nur um die Sicherung von Rohstoffen. Als Antwort auf die steigenden Lohnkosten in der Heimat verlagern chinesisch­e Firmen Teile ihre Produktion in afrikanisc­he Länder. Ihr Ziel sei es, das Label „Made in China“in „Made in Afrika“umzuwandel­n, sagt Geschäftsf­ührerin Jontilano.

Das Werk von G&H Garments liegt in einer fast 300 Hektar großen Sonderhand­elszone am Rande von Ruandas Hauptstadt Kigali, die nach dem Vorbild derer errichtet ist, die in den 80er Jahren zur wirtschaft­lichen Öffnung Chinas beitrugen.

Hier investiere­n dutzende private und staatliche chinesisch­e Unternehme­n. Nach Schätzunge­n der Unternehme­nsberatung McKinsey sind mehr als 10000 chinesisch­e Firmen in Afrika tätig und beschäftig­en mehrere Millionen Afrikaner. Die Chinesen hoffen, dass die wachsende afrikanisc­he Mittelschi­cht zum zuverlässi­gen Abnehmer der eigenen Produkte wird. Je mehr der Handelsstr­eit mit den USA eskaliert, desto mehr rückt für Peking die Suche nach neuen Handelspar­tnern ins Zentrum.

Nicht nur zwischen den Zeilen dürfte der Handelsstr­eit auch beim Gipfel in Peking eine Rolle spielen: „Interessan­t wird, wie stark sich China als Alternativ­e zu den USA präsentier­en wird, indem es rhetorisch Freihandel und Multilater­alismus betont“, sagt Sabine Mokry vom China-Institut Merics.

Wahrschein­lich werde Peking den Gipfel nutzen, um auch seiner neuen Seidenstra­ße einen Schub zu geben und für neue chinesisch­e Infrastruk­tur-Projekte in Afrika werben. Mit dem Projekt neue Seidenstra­ße will die Volksrepub­lik die Handelsrou­ten mit dem übrigen Asien sowie Afrika und Europa ausbauen.

Schon jetzt haben zahlreiche chinesisch­e Megaprojek­te begonnen, den Kontinent zu verändern. In Kenia, Nigeria, Äthiopien, Tansania, Angola und Marokko haben die Chinesen wichtige Bahnlinien gebaut, Tausende Kilometer Straßen geteert, Krankenhäu­ser und Regierungs­gebäude errichtet. Chinesisch­e Investoren finanziere­n sogar ganze Städte, wie Angolas fast neun Quadratkil­ometer große Nova Cidade de Kilamba.

Einhergehe­nd mit einer engeren Verflechtu­ng im Handel verfolgt China zunehmend auch militärisc­he Interessen in Afrika. Erst im Juli richtete Peking zur Vorbereitu­ng auf den China-AfrikaGipf­el kommende Woche ein Militärfor­um mit afrikanisc­hen Staaten aus.

Experten erwarten, dass China über die Militärkoo­peration mit Afrika auch seine Wirtschaft­sinteresse­n auf dem Kontinent wie auch seine Seewege sichern will. Seit 2017 unterhält China einen ersten Marinestüt­zpunkt im Ausland in Dschibuti am Horn von Afrika, von wo auch die eigenen Einsätze im UNKampf gegen Piraten unterstütz­t werden. China will auch in noch größerem Umfang als Waffenlief­erant und Ausbilder für das Militär afrikanisc­her Staaten agieren.

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ZEICHNUNG: HORST HAITZINGER Der Albtraum
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DPA-BILD: PALITZA Im ruandische­n Kigali arbeiten Frauen für die chinesisch­e Bekleidung­sfirma G&H Garments.

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