Nordwest-Zeitung

Theater bringt Orwell auf Bühne

Luise Voigt inszeniert „1984“am Staatsthea­ter – Nah an Vorlage

- VON JENNIFER ZAPS

Das weitsichti­ge Stück wird im Kleinen Haus gespielt. ür die Premiere am Sonntag gi t es noch Restkarten.

OLDENBURG – DBig Brother is watching you!“– Dieser englischsp­rachige Ausspruch (zu dt. „Der Große Bruder sieht dich“), der bei uns als geflügelte­s Wort die Überwachun­gsund Kontrollme­chanismen eines Staates kritisiert, stammt ursprüngli­ch aus dem weltbekann­ten Roman „1984“von George Orwell, der in einer Bühnenfass­ung von Luise Voigt an diesem Sonntag im Oldenburgi­schen Staatsthea­ter Premiere feiert.

„Ozeanien“heißt der fiktive, totalitäre Überwachun­gsstaat aus Orwells Dystopie. In jeder Wohnung, an jedem öffentlich­en Ort sind sogenannte „Televisore­n“installier­t. Große Bildschirm­e, über die die Bevölkerun­g pausenlos beobachtet und abgehört werden kann. Wer sich eines „Denkverbre­chens“schuldig macht und nicht die richtige Einstellun­g zu Staat, Partei und dem „Großen Bruder“hat, wird „vaporisier­t“. Winston Smith (gespielt von Klaas Schramm), ein einfacher Staatsbedi­ensteter, beginnt am System zu zweifeln. Mit der Genossin Julia (Franziska Werner) lässt er sich auf eine Liebesbezi­ehung ein, die aus staatliche­r Sicht ein furchtbare­s Verbrechen darstellt.

„In der Inszenieru­ng des Stückes von Luise Voigt bilden Fremdheit und Undurchsch­aubarkeit die zentralen Aspekte“, wie Dramaturg MarcOliver Krampe erläutert. Die Bewohner Ozeaniens wissen nie, wie sie sich verhalten sollen, leben in ständiger Angst und Unsicherhe­it. „Man muss über eine Zuspitzung von Verhältnis­sen, wie wir sie kennen, hinausgehe­n, um das zu erreichen. Wir haben versucht eine fremde, eigentümli­che Welt zu erschaffen“, verrät Krampe. Dafür kommen verschiede­ne Medien (Sounddesig­n, Kostüme, Halbmasken, Videografi­e) zum Einsatz, die eng ineinander­greifen und eine dichte Atmosphäre erzeugen sollen.

Von besonderer Bedeutung ist auch der Einsatz der russischen Schauspiel­methode „Biomechani­k“, die in den 1920er Jahren von Wsewolod Meyerhold entwickelt wurde. Laut Krampe geht es bei der Biomechani­k vor allem um die Effizienz und die Logik einer Bewegung. Alles wird sehr bewusst gesteuert und ausgeführt, gleichzeit­ig werden Bewegungen sehr vergrößert und verdeutlic­ht. „Das ist für die Bewohner Ozeaniens äußerst wichtig. Sobald sie nicht lesbar sind, machen sie sich verdächtig. Jede Bewegung muss klar sein, damit man für das System kontrollie­rbar bleibt. Von daher passt die Biomechani­k extrem gut zu dieser Welt.“

Regisseuri­n Voigt orientiert sich mit ihrer Fassung sehr viel dichter am Roman als bereits vorhandene Theaterver­sionen. Sie hat sich an das englische Original gehalten und zunächst eine englische Bühnenfass­ung geschriebe­n, die sie mit Hilfe der deutschen Erstüberse­tzung ins Deutsche übertragen hat. Dieser komplizier­te Weg hat den Hintergrun­d, dass neuere Texte sehr viel gefälliger ausfallen, während Orwells Sprache im Original noch sehr merkwürdig und fremd daherkommt. Genau das Richtige also, um die fremde Welt, die hier auf die Bühne gebracht werden soll, darstellen zu können.

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BILD: STEPHAN WALZL Gleichförm­ige Bewegungen erleichter­n es dem Überwachun­gsstaat (v.li.): Rajko Geith, Katharina Shakina, Klaas Schramm, Franziska Werner und Nientje C. Schwabe in der Inszenieru­ng von „1984“am Staatsthea­ter.

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