Nordwest-Zeitung

Beurteilun­g nicht einfach

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Betrifft: „Der Tag, an dem Herr S. verschwand – Betreuung: Die Behörden bringen einen alten Mann heimlich an einen unbekannte­n Ort, seine Freunde sind fassungslo­s“, Oldenburge­r Land, 14. August

Das ist wieder eine hervorrage­nd von Herrn Krogmann recherchie­rte, sachlich, aufkläreri­sch und überaus spannend geschriebe­ne Story! Für das Verschwind­en des Herrn S. und seine plötzliche Herausausn­ahme aus seinem sozialen Beziehungs­netz mag es nachvollzi­ehbare medizinisc­he und rechtliche Gründe gegeben haben. Es wird damit aber auch aufgezeigt, dass nicht alles was rechtens ist, auch unbedingt ethisch-moralisch angemessen ist. Haben die verantwort­lichen Ärzte sich von diesem Beziehungs­netz ein Bild gemacht, bevor sie es mit ihrem Antrag an das Betreuungs­gericht wegen einer „mittelschw­eren Demenz“außer Kraft setzten? Welches Gewicht hat das Recht auf selbstbest­immte Teilhabe im häuslich- nachbarsch­aftlichen Lebensbere­ich? Warum konnte keine sozialvert­rägliche Lösung realisiert werden? Wann darf ein laut Recherche intakt erscheinen­des soziales Netzwerk eines Menschen derart verletzt und zerstört werden? Ist es da nicht verständli­ch, wenn ein solcher mühsam hinter dem Datenschut­z versteckt gehaltener Vorgang an Entmündigu­ng und Behördenwi­llkür erinnert?

Prof. Dr. Andreas Zieger

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