Auftakt zum letzten Akt
Welches Spiel die Groß- und Regionalmächte in Syrien treiben
In Syrien steht ein weiterer Schlussakt des Bürgerkriegsdramas an: In den kommenden Wochen wird das Regime in Damaskus, unterstützt von seinen russischen und iranischen Verbündeten das letzte große, von Islamisten-Rebellen beherrschte Gebiet um die Stadt Idlib zurückerobern. Es wird sich um das vorläufige Finale einer konsequent verfolgten Strategie handeln. Dabei liquidierten die Regierungstruppen eine Rebellen-Enklave nach der anderen und stellten die Kontrolle des Assad-Regimes wieder her.
Inzwischen ist der syrische Bürgerkrieg aber kaum mehr als „Bürgerkrieg“im klassischen Sinne zu bezeichnen. Längst sind die einheimischen Konfliktparteien zu Klienten äußerer Mächte geworden. Längst bestimmen die Interessen fremder Regionalund Großmächte das Schicksal des Landes.
Ohne die Unterstützung Russlands wäre das Regime in Damaskus längst zusammengebrochen. Assad hängt am Tropf Moskaus – wirtschaftlich und militärisch. Russland verfolgt dabei im Wesentlichen zwei Ziele: Die unbedingte Erhaltung der territorialen Integrität des Landes unter Ausschluss islamistischer und djihadistischer Kräfte sowie die Etablierung einer starken militärischen und politischen Position im Vorderen Orient – Syrien als unsinkbarer Flugzeugträger, als Operationsbasis und Sprungbrett in den Mittelmeerraum.
Der Iran stellt dem AssadRegime vor allem das, was Russland aus innenpolitischen Gründen nur begrenzt liefern will: militärisches Personal Aufmarsch- und Operationsbasis gegen den Erzfeind Israel dienen.
Aus diesem Grund besteht das Hauptziel Israels darin, jeden iranischen Einfluss in Syrien zu beseitigen. In den vergangenen Monaten geschah das durch eine Kombination militärischer Operationen mit intensiven Verhandlungen vor allem mit Moskau. Bei letzteren wurde mindestens eine Interessenabgrenzung erreicht. In unmittelbarer Grenznähe wurde so etwa russische Militärpolizei auf syrischem Gebiet stationiert, um iranische Präsenz auszuschließen.
für die vorderste Front. Daneben etabliert Teheran sich militärisch und politisch als Juniorpartner Moskaus und Seniorpartner Assads, denn Syrien spielt in der Strategie der Mullahs eine zentrale Rolle. Geopolitisch verfolgt Teheran die Vision einer Einflusssphäre, die alle von schiitischen Muslimen beherrschten Gebiete umfasst – von der arabischen Halbinsel über Irak und Syrien bis hin in den Libanon. Dieser „Schiitische Halbmond“könnte dann als
Die Türkei hat eine stabile Einflusssphäre im Norden Syriens etabliert. Dort stützt sich Ankara auf islamistische Milizen, die aus den Restbeständen des fast vollständig zerschlagenen Islamischen Staates hervorgegangen sind. Hauptziel des Erdogan-Regimes ist es dabei, jegliche Staatsbildung der Kurden in Syrien zu unterbinden. Daneben existiert ein neo-osmanisches Programm, das als Fernziel die direkte oder indi- rekte Wiedergewinnung der nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete des Osmanischen Reiches zum Ziel hat.
Für Washington ist Syrien keine strategische Priorität. Die Amerikaner unterhalten eine kleine militärische Präsenz im Osten des Landes und stützen einige Rebellengruppen. Ihnen geht es darum, den iranischen Einfluss zu begrenzen sowie Syrien als Brutstätte des internationalen islamischen Terrors auszuschalten.
Das europäische Interesse besteht darin, die Flüchtlingsströme aus Syrien einzudämmen. Sein Einfluss auf das Kriegsgeschehen ist jedoch gering.
Und die Zukunft? Ein Auseinanderbrechen des Staates, noch vor 2015 wahrscheinlich, ist kein akutes Szenario mehr. Wahrscheinlich ist hingegen, dass sich in Syrien unter dem formalen Dach eines Einheitsstaates ein System von Einflusszonen herausbildet. Die interessierten Mächte – vor allem Russland, Türkei und Israel könnten ihre Interessen auf die eine oder andere Art abgrenzen und ausgleichen und so das Land befrieden. Wunschträume von Demokratisierung dürften sich nicht erfüllen.