Wenn auf hoher See die Post abgeht
„Mein Schiff 3“kehrt mit 2500 Fans von Europas lautester Kreuzfahrt nach Bremerhaven zurück
Sie wollen Bier, sie stehen auf Currywurst und auf sehr laute Musik: 2500 „Hardmetaller“verwandeln die „Mein Schiff 3“in ein schwimmendes Festival. So eine Kreuzfahrt hat es in sich.
BREMERHAVEN – Sonntagmorgen, 10.15 Uhr: Im Bremerhavener Boarding House, gleich hinter dem Weserdeich, bedienen sich die Gäste am Frühstücksbüffet. Die meisten haben im Restaurant Platz genommen. Draußen sind zu viele Wespen. Nur einem ist das völlig egal. Ollie, ein Altrocker aus Hessen mit langen grauen Haaren und schwarzer Lederkutte, lässt sich in einen der Stühle fallen. Seine Koffer schiebt er mit dem Fuß zur Seite. In wenigen Stunden geht es los. Ollie hat den TUILuxusliner „Mein Schiff 3“gebucht. Der legt am Abend ab – zur lautesten Kreuzfahrt Europas.
Ollie und seine ebenfalls in Leder gehüllten Mitreisenden sind am Morgen aus Frankfurt kommend mit dem Flieger in Bremen gelandet. Nun sitzt die Gruppe vor dem Boarding House. Frühstücken will niemand. Ollie bestellt bei der Bedienung mehrere Gläser Bier und eine Weinschorle. „Und mir bringst Du bitte einen kleinen Jackie“. Als die Kellnerin kurz darauf mit dem gewünschten Glas Bourbon erscheint, flüstert Ollie ihr ins Ohr: „Ich liebe Dich“.
Gruß mit der Bierdose
Eine halbe Stunde später fährt die Gruppe mit dem Taxi weiter zum Columbus Cruise Center. In der unteren Abfertigungshalle herrscht lautes Stimmengewirr. Viele Fans harter Metal-Musik kennen sich von Festivals. Immer, wenn ein Bus neue Passagiere absetzt, braust eine mächtige „La-Ola-Welle“durch das Gebäude. „Wacken 2014“hat einer auf seinem schwarzen T-Shirt stehen. Die Bierdose in der rechten Hand wird zum Gruß in die Luft gereckt. Und viele Bierdosen antworten.
Vor den Teilnehmern dieser ungewöhnlichen Themenkreuzfahrt liegen fünf gemeinsame Tage an Bord eines erst 2014 in Dienst gestellten Luxusresorts. Seit 2013 bietet TUI-Cruises diese Full Metal Cruise an. Sie waren bislang immer ausgebucht. Bordfarbe: Schwarz. Wer dazu gehören will, sollte sich an dieses Outfit halten. Aber vorgeschrieben ist das nicht.
Kaum Beschwerden
Überhaupt gelten die „Hardmetaller“laut TUI als besonders pflegeleichtes Klientel. Beschwerden gibt es kaum, die Leute gehen anständig und freundlich miteinander um und auch die Crew hat angeblich ihren Spaß. Von wegen „Time to say Goodbye“. An Bord wird „Highway to Hell“durch eigens an Bord gehievte Superverstärker gepreßt. So laut, dass die Besatzung unter Deck zu dem AC/DC-Hit von einst mittanzen könnte.
Für die Proviantmeister der TUI-Schiffe gelten im Vorfeld einer Full Metal Cruise besondere Anforderungen, denn es ist aus Sicht des Reiseveranstalters wichtig, sich auf den Geschmack der Gäste einzustellen. Also: Hauptsache, man hat auf jeden Fall genug Bier an Bord. Für die Fünf-Tage-Reise wurden 27 000 Liter Fassbier und 45 000 Bierdosen geordert. Aber auch Ollie wird auf seine Kosten kommen, denn neben 700 Flaschen Rum warten noch 800 Flaschen Whiskey auf durstige Kreuzfahrer.
900 Kilo Currywurst
Die wollen aber nicht nur megalaute Musik auf die Ohren haben und Bier trinken. Irgendwann stellt sich bei all der „flüssigen Nahrung“auch der kleine Hunger ein. Dafür ist gesorgt. 900 Kilo Currywurst und Unmengen Pommes Frittes sollten reichen. Damit würden sich „normale“Kreuzfahrtgäste wohl nicht zufrieden geben, zumal die TUI-Schiffe für ihre erlesene Küche bekannt sind.
Das bedeutet nicht, dass die schwarz gekleideten Metal-Fans abgeneigt wären, auch einmal leckere Spezialitäten aus der Bordküche zu probieren. Viele der „harten“Jungs und Mädels gelten als Stammgäste auf Kreuzfahrtschiffen. Ohne schwarze Kutte wird auf solchen Reisen gern vornehm diniert – wer hätte das gedacht.
19 Künstler an Bord
Die Musik, die beinahe Tag und Nacht aus den Boxen über das Schiff dröhnt, kommt übrigens nicht nur aus der Konserve. 19 Künstler hat die TUI für diese spezielle Kreuzfahrt unter Vertrag genommen. Gerade die LiveActs verstärken an Bord noch einmal das Festival-Gefühl und sind bei den Passagieren sehr angesagt.
19 Künstler also. Darunter sind durchaus Namen, die selbst Musikliebhaber schon einmal gehört haben dürften, die sonst eher weniger auf Metal stehen. Mit dabei sind beispielsweise „Mr. Hurley & die Pulveraffen“. Sie gaben ihre Visitenkarte jüngst erst beim Deichbrand-Festival ab. Ferner tritt „Torfrock“auf. Und auch der Komiker Bülent Ceylan ist an Bord.
Wohin das Schiff fährt?
Wenn man sich bei den „Hardmetallern“erkundigen würde, wohin das Schiff während der fünftägigen Reise eigentlich fährt, müssten einige wohl die Antwort schuldig bleiben. „Keine Ahnung“, gibt im Bremerhavener Kreuzfahrtterminal Manfred (34) aus der Nähe von München zu Protokoll. Seine Freundin lacht. „Ist das Dein Ernst? Wir halten in England und in Schottland an“, informiert sie ihren Manfred und fügt etwas leiser hinzu: „Glaube ich jedenfalls“. Manfred ist das ohnehin egal. Er will laute, harte Musik – möglichst schnell. Seine Freundin freut sich dagegen eher auf das Yoga-Angebot an Bord. Es soll speziell auf Metal-Fans zugeschnitten worden sein.
Rettungsübung
Bevor die „Mein Schiff 3“in Bremerhaven ablegen darf, geht es zur Rettungsübung. Sie ist internationale Vorschrift und gilt auch für Metal-Music-Fans in Feierlaune. Geduldig hören sie sich an, was Besatzungsmitglieder über das Verhalten im Notfall zu sagen haben. Wie man die Rettungsweste anlegt, interessiert weniger. Das erkläre sich von selbst, meint Manfred und nimmt einen kräftigen Zug aus der Bierdose.
Nach Übungsende kann es losgehen. Die einen „Hardmetaller“schauen schnell in der Kabine vorbei, überprüfen, ob draußen am Balkon die Totenkopffahne auch richtig im Wind weht. Andere versorgen sich schnell noch mit Bier und fahren hinauf ins oberste Stockwerk. Hier stehen schwarz gekleidete, harte Kerle in einer Reihe mit vier Kollegen, die einen weißen Bademantel als Outfit vorgezogen haben. Einige Meter weiter winkt ein lustiger Typ mit einer Festivalfahne. Dann legt der Luxusliner ab.
Bis zur letzten Minute
Wenn „Mein Schiff 3“am frühen Freitagmorgen wieder am Bremerhavener Columbus-Cruise-Center festmacht, dürften die meisten Passagiere wohl nur wenige Stunden in der Koje gelegen haben – wenn überhaupt, denn eine Full Metal Cruise will bis zur letzten Minute ausgekostet werden. Wie es Ollie und seiner Gruppe auf dieser Kreuzfahrt ergangen ist? Das lässt sich nicht so genau sagen. Beschwert haben soll sich Ollie jedenfalls nicht.
Nach der Cruise ist vor der Cruise. Die Stammgäste solcher Themenfahrten wissen das und buchen schon für 2019. Das Interesse wird offenbar immer größer an so einem „Metal-Trip“auf See. Ahoi und immer cool bleiben: Nächstes Jahr gehtOs dann direkt ab Malle.