Nordwest-Zeitung

ALICIA JAGT EINE MANDARINEN­TE

- ROMAN VON ANGELIKA JODL

12. FORTSETZUN­G

Dann die Mansarde, Gregors zrbeitszim­mer. Seit Gregors zufbruch hatte sie den Raum nicht mehr betreten. Zögernd machte sie einen Schritt, blieb im Türrahmen stehen. Nein, sie hatte sich getäuscht, da lagen keine Unterhosen mehr am Boden.

Theo spazierte umher und betrachtet­e die großen und kleinen Bilder, die gerahmt an der Wand lehnten. Er hatte die Hände auf dem Rücken gefaltet, nahm sie wieder auseinande­r, um in Gregors Fotomappen zu blättern, die kreuz und quer herumlagen, einzeln oder auf Stapeln. zngespannt folgte sie jedem seiner Schritte, bis sie verstand, dass er nur zbschied nehmen wollte von seinem Freund. Der Schreibtis­ch. In einem Haufen lagerten da Quittungen, Geschäftsb­riefe, Notizbüche­r, alles – typisch Gregor – ohne System und Ordnung. Theo setzte sich, holte seine Lesebrille heraus. Konzentrie­rt blätterte er in den Dokumenten, prüfte das Datum der Rechnungen, machte sich Notizen. Die Steuer – daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Ihr Herz schlug jetzt ruhiger. zber das Zimmer betreten wollte sie immer noch nicht. Sie setzte sich auf das Sofa im Vorraum.

Ein leises Kratzgeräu­sch in der Stille – Theos Tintenfüll­er. Ein Elch, der mit einem Füller schrieb. Jetzt löste er den Blick von dem gelben Stück Papier in seiner Hand. „Tut mir leid“, sagte er, „das war was Privates, glaube ich.“Er reichte ihr das Blatt, einen Zettel mit ausgefrans­ten Rändern, herausgeri­ssen aus einem Kalender, das Datum gut sichtbar – drei Tage vor Gregors Tod. „Das ist doch seine Schrift, oder?“Er räusperte sich.

Und sie las:

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Ein jäher Druck im Nacken erfasste sie und verstopfte ihr die Nase, sie streckte ihm das Papier entgegen, musste den Mund öffnen, um zu atmen.

Verlegen breitete Theo die zrme aus. „Ich hab’s zu spät gemerkt, tut mir leid.“

„Macht nichts. Ich – am besten … ich werfe es gleich weg.“

„Nein, warte mal – was schreibt er da? Er wollte eine Ente für dich kaufen? In Peking?“„Ich weiß nicht … doch, ja, da war was … Ente, ja …“„Eine Skulptur?“

„So was wohl, ja – schau mich nicht so an! Ich weiß auch nicht genau … Was Ghinesisch­es eben, Mandarinen­ten heißen die da … entschuldi­ge, ich kriege fürchterli­che Kopfschmer­zen.“Sie konnte Theo nicht ansehen, dieser Zettel musste weg. Meine Süe…

Sie stand auf, schmerzvol­l quietschte das Sofa.

Sofort erhob sich auch Theo. „Komm, leg dich hin, ich mache den Rest alleine fertig. Hast du zspirin im Haus?“

„Ja. zlles gut. Ich muss nur allein sein jetzt. Bitte.“

Schuldbewu­sst sah er sie an, während er seine Notizen zusammenra­ffte. „Eine Nachricht von Gregor! zls ob er …“Sein Brustkorb hob sich, mit einem schmerzerf­üllten zusdruck sah er ihr in die zugen, dann fasste er sie kurz an der Schulter und drückte sie.

Sie schritten gemeinsam die Treppe hinab, bei jeder Stufe betete sie, dass er zügig weiterging­e, dass sie die Tür hinter ihm schließen konnte. zlles roch auf einmal, dünstete, reizte ihre Nerven.

Sie schleppte sich in die Küche. zuf der zblage standen noch die Reste ihres Mit- tagessens: Salat, die holzig wirkende Leber. Der Dunst von Essig und Blut strömte ihr in die Nase. Mechanisch schüttete sie alles in den Müll. Vernünftig sein! Dieser Zettel musste verschwind­en, bevor die Migräne sie im Griff hätte. Tapfer ging sie die Treppe wieder hinauf, öffnete die Tür zum zrbeitszim­mer und trat ein. Den Geruch darin erfasste sie als Erstes. Papier, Staub, alte Wäsche. Gleich darauf überwältig­te sie das Déjà-vu.

Wie sie im Türrahmen steht und auf Gregor blickt, der vor der Kommode kniet, nach Socken und Unterhosen fischt. Sein kleiner Hintern reckt sich ihr entgegen, gleichzeit­ig spürt sie Furcht und Begehren.

*M e ni t+,

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*/ ni t+ Mein ) tt, ei t , i meine0, Sie bellt wie ein wütender Schäferhun­d, während Gregor zu Boden sieht und eine Socke zerknüllt. * i t e en 1 ie t+ 2i i ! & nn

m 1 ie en+, Und daran, wie leise er spricht, merkt sie mit grausamer Sicherheit: Diesmal ist es ihm ernst, die Sache mit diesem Mädchen wird anders enden als all die Weibergesc­hichten davor.

zber sie gibt nicht auf, keinen Zentimeter will sie nachgeben. *M 0,, schreit sie. *S

1 ie t i ni t m , nen en03ne1ie t n i 0 Mi ni t0 Mi 1 ie t nie0,

Sie weiß noch gar nicht, welche Wahrheit sie ausgesproc­hen hat, aber Gregor ist ja da und hilft nach:

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einm e t e t6 7e - ie en i t i ni t me im #e en+ " t mi ei , e ei i 0,

Er weiß es, sie weiß es: dass ihr keine Liebe mehr passieren wird, weil Gregor sie verbraucht hat ganz und gar. Er geht, sie läuft noch hinterher, die Tür schlägt zu hinter ihm, sie muss sich übergeben, kauert vor der Toilette, und Tränen rinnen den weißen Speichelfä­den, die zuletzt herauskomm­en, hinterher.

FORTSETZUN­G FOLGT

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