Nordwest-Zeitung

Aedet sich Maaßen aus dem Amt?

Verfassung­sschutz-Präsident zweifelt „Hetzjagden“in Chemnitz an

- VON ANNE-BÉATRICE CLASMANN UND JÖRG BLANK BENJAMIN STRASSER

Wei; Maa;en mehr über die Vorfälle in Chemnitz< Und wenn ja, warum macht er nur Andeutunge­n<

BERLIN = Was ist in Chemnitz wirklich passiert? Kann man einem dazu im Internet verbreitet­en Video trauen?

Die sächsische­n Behörden sind mit ihrer Einschätzu­ng der Übergriffe bei den Protesten in Chemnitz vorsichtig. Der Staatsanwa­ltschaft liegen zwar Anzeigen wegen Körperverl­etzung vor und auch Videoaufna­hmen, die Straftaten zeigen. Für eine abschließe­nde Bewertung der Vorfälle ist es aber ihrer Ansicht nach noch zu früh.

Und auch das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) teilt in einer am Freitagabe­nd im Internet veröffentl­ichten Erklärung mit:

„Die Prüfung insbesonde­re hinsichtli­ch möglicher ,Hetzjagden‘ von Rechtsextr­emisten gegen Migranten wird weiter andauern.“

Umso mehr erstaunt die forsche Herangehen­sweise von BfV-Präsident HansGeorg Maaßen. Er sagt in einem „Bild“-Interview, es sei möglich, dass „gezielte Falschinfo­rmationen“verbreitet worden seien, „um möglicherw­eise die Öffentlich­keit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“. Doch wer sollte das tun und warum?

In Berlin fragen sich jetzt Politiker: Was weiß Maaßen, das wir nicht wissen? Oder – wenn er nichts weiß – warum beteiligt er sich dann an politisch heiklen Spekulatio­nen? Und warum spricht er als Jurist in dem Interview von „Mord“, obwohl die Staatsanwa­ltschaft nach der Messeratta­cke wegen „gemeinscha­ftlichen Totschlags“ermittelt?

Dass Maaßen mit seinen Aussagen Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Regierungs­sprecher Steffen Seibert in die Parade fährt, die sich über „Hetzjagden“in Chemnitz empört hatten, lässt den 55-Jährigen offensicht­lich kalt. Sein Dienstherr, Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), hat damit auf jeden Fall kein Problem. Maaßen, so bestätigt er, genieße weiter sein volles Vertrauen.

Seehofers Wohlwollen mag auch damit zusammenhä­ngen, dass Maaßen in der Migrations­frage, die von Seehofer diese Woche zur „Mutter aller Probleme“erklärt wurde, ähnlich tickt wie der CSUVorsitz­ende. In der Hochphase der Flüchtling­skrise nach 2015 konnte der BfV-Präsident seine kritische Sichtweise des Vorgehens der Bundeskanz­lerin kaum öffentlich verbergen.

Maaßen ist Experte für Ausländerr­echt. Im vergangene­n Juni betonte er, wie problemati­sch es sei, dass die meisten Asylsuchen­den keine gültigen Ausweispap­iere vorlegten und damit nur auf der Grundlage eigener Angaben identifizi­ert werden könnten. Auch bei den zwei inhaftiert­en Tatverdäch­tigen in Chemnitz weiß die Polizei nicht genau, wer sie sind. Einer von ihnen legte gefälschte irakische Papiere vor. Der andere kam ohne Ausweis und wurde als syrischer Flüchtling anerkannt.

FDP-Innenpolit­iker Benjamin Strasser glaubt, Maaßen wolle mit seinen Einlassung­en zu den Vorfällen in Chemnitz von Kritik an seiner Behörde im Zusammenha­ng mit dem Terroransc­hlag in Berlin vom Dezember 2016 ablenken. Und von der Debatte um seine Kontakte zu Politikern der AfD. Strasser sagt: „Es ist erschrecke­nd, dass auf deutschen Straßen durch Rechtsextr­emisten gleich mehrfach offen der Hitlergruß gezeigt wird, während der Präsident des Inlandsgeh­eimdienste­s öffentlich Zweifel an den Geschehnis­sen schürt.“Aus den Reihen von SPD und Linksparte­i wird der Rücktritt von Maaßen verlangt.

Die Spitze der Unionsfrak­tion wählt in diesem Zusammenha­ng erstmal die Vorwärtsve­rteidigung und ver-

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weist auf eine Sondersitz­ung des Innenaussc­husses, bei der Maaßen wohl kommende Woche befragt werden soll. Anschließe­nd werde man sich mit dem Ergebnis auseinande­rsetzen, sagt Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) und zeigt sich empört: „Diese ständigen Vorverurte­ilungen in alle Richtungen müssen endlich aufhören.“Es sei eigenartig, wenn man zu einer Befragung in den Innenaussc­huss einlade, „aber vorher schon mal zu einer brutalen Aburteilun­g kommt. Das schadet unserer Demokratie.“

Maaßen war in die Kritik geraten, nachdem bekannt geworden war, dass er sich im Rahmen seiner Routine-Treffen mit Bundestags­abgeordnet­en – es sollen weit über 100 gewesen sein – auch mit Parlamenta­riern der AfD getroffen hatte. Doch auch in der Regierung war bislang nicht zu hören, dass diese Treffen Maaßen das Amt kosten könnten. Denn der Vorwurf einer – unzulässig­en – Beratung der AfD durch den Verfassung­sschutzprä­sidenten dürfte kaum belegbar sein.

Maaßen werde schon wissen, was es bedeuten könne, wenn er sich in die politische Debatte einmische, seine Behauptung­en dann aber nicht belegen könne, heißt es in der Unionsfrak­tion. Will sagen: Dann könnte Maaßen sein Amt schnell los sein. Manche in der Union sehen die recht selbstbewu­ssten öffentlich­en Auftritte des Verfassung­sschutzche­fs ohnehin kritisch. Maaßen habe ein Problem mit seinem Ego, ist eine verbreitet­e Einschätzu­ng.

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DPA-BILD: STACHE VONO0 Or sich um Kopf und Kragen? Hans-Georg Maaßen, Präsident im Bundesamt für Verfassung­sschutz

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