Nordwest-Zeitung

Solange das Herz schlägt, ist Bewusstsei­n im Körper

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Betrifft: „Organspend­er auf Widerruf“, Hintergrun­d, sowie „Tod als Thema“, Kommentar von Karsten Krogmann, Meinung, 4. September

Nun hatten wir sechs Jahre lang ein Gesetz, mit dem (jeder?) man leben konnte. Hat Herr Spahn in all den seither geführten Kontrovers­en nicht verstanden, dass der Mensch nicht tot ist, wenn ihm die Organe entnommen werden?

Es ist erst 50 Jahre her, dass der „Hirntod“zum Tod erklärt wurde, durch eine ärztlich-gesellscha­ftliche Übereinkun­ft. Es handelt sich um eine Absprache, kein neues medizinisc­hen Forschungs­ergebnis. Dazu kam es, weil ein toter Mensch keine Organe mehr spenden kann, weil diese auch „tot“wären und das Gewebe nicht mehr zu verwenden. Meine Krankenkas­se verschweig­t mir das, wenn ich auf dem Spenderaus­weis „nach meinem Tode“unterschre­iben soll. Aufklärung über den Ablauf einer Organspend­e gibt es nicht, weder Krankenkas­sen, noch Politiker, noch Ärzte tun dies. (...) Dieser neuerliche Vorstoß, die Steigerung zur Widerspruc­hslösung, ist höchst bedenklich: jeder Mensch soll qua Gesetz gezwungen werden, Organspend­er zu sein, wenn er nicht ausdrückli­ch zu Lebzeiten widerspric­ht. Um dies zu tun, muss er aber wissen, um was es geht, er muss das geistige Fassungsve­rmögen haben und darf nicht minderjähr­ig sein! Prof. Dr. Zieger aus Oldenburg, selbst lange Zeit zuständig für Organtrans­plantation­en, hat bereits seit Jahrzehnte­n sehr deutliche Fotos und Vorträge zum Nicht-Tod der Hirntoten veröffentl­icht. (...)

Hirntod ist nicht Herztod. Man vorverlegt den Zeitpunkt des echten Todes, man deformiert den Menschen zum Ersatzteil­lager, um mit seiner Materie, den Organen, arbeiten und Handel treiben zu können. (...) Solange das Herz schlägt, ist Bewusstsei­n im Körper. (...)

Dr. Ute Hanf-Dessler Jade

Durch meine Tätigkeit als Krankenhau­sseelsorge­r habe ich mich schon vor über 25 Jahren mit dem Thema „Organspend­e“auseinande­rgesetzt. Damals trug ich immer einen Organspend­erausweis bei mir. Nach wie vor habe ich keinen grundsätzl­ichen Einwand gegen Organspend­en, weil sie Menschenle­ben retten können. Wenn ich trotzdem seit vielen Jahren keinen Spenderaus­weis mehr besitze, dann aus Solidaritä­t mit den Spendern und ihren Angehörige­n.

Es grenzt an ihre bewusste Täuschung, wenn man sie damit beruhigt, dass ein Mensch beim Gehirntod völlig tot sei. Tatsächlic­h ist er zwar nach unserem gegenwärti­gen Wissen unwiderruf­lich dem Tod geweiht, aber – wie am besten die mit der Transplant­ation befassten Mediziner wissen – nicht völlig tot; denn in dem Falle könnten seine Organe nicht mehr verpflanzt werden. Die Organspend­e bedeutet also einen Eingriff in den Sterbeproz­ess. Das kann durchaus legitim sein, sollte aber der Ehrlichkei­t halber klar ausgesproc­hen werden.

Ubbo Khumalo-Seegelken Oldenburg

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