Nordwesten trotzt großer Finanzkrise
Auswirkungen der Lehman-Pleite in Region weniger stark
IM NORDWESTEN – Fast genau zehn Jahre ist es her, als der Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 die Finanzmärkte erschütterte und die Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs brachte.
Die Folgen sind vielerorts auch heute noch spürbar, allerdings, erklärte Finanzprofessor Stefan Janßen von der Jade Hochschule in Wilhelmshaven auf Nachfrage der Ð, hat sich Deutschland schnell davon erholt. Auch im Nordwesten blieben die Folgen überschaubar. Das habe vor allem damit zu tun, dass Deutschland eine Exportnation sei und es hierzulande eher kleinere Geldhäuser gibt.
Dennoch sind auch hier noch einige Folgen zu spüren. „Das Vertrauen in die Kapitalanlagemärkte ist erschüttert, gerade bei Aktien halten sich viele zurück, da einige auch durch falsche Beratung damals Geld verloren haben“, sagte Janßen.
Was er mit Sorge beobachtet: „Wir diskutieren momentan darüber, ob die Deutsche Bank mit der Commerzbank fusionieren soll, um überhaupt noch vorn mitzuspielen. Dabei sind diese Geldhäuser für deutsche Verhältnisse schon außerordentlich groß. Im internationalen Vergleich sind sie das natürlich nicht, aber wir sollten uns fragen, ob es die richtige Strategie ist, die Sicherheit kleinerer Banken mit ihren einzelnen Stärken aufzugeben“, sagte Janßen. Insbesondere in den USA gehe der Trend wieder verstärkt zu großen Banken, die die Märkte dominieren. „Damit besteht aber auch das Risiko, dass solche Häuser in Schieflage geraten. Andererseits kann ich verstehen, dass deutsche Banken mithilfe von Fusionen versuchen, einer Übernahme aus dem Ausland zu entgehen.“
Obwohl die Märkte inzwischen stabiler geworden seien, „kann eine ähnliche Krise immer wieder auftreten, gerade wenn wir die Lage in anderen Ländern – auch in der EU – betrachten. Hier gibt es mitunter viele Schulden und eine hohe Arbeitslosigkeit“, sagte Janßen.
Unterdessen fühlt sich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg gegen einen möglichen künftigen Banken-Zusammenbruch gewappnet. Das sagte ihre Finanzchefin Susanne Teichmanis. Rund 4,3 Millionen Euro musste die Kirche nach dem Platzen der Immobilienblase am Ende damals abschreiben.
Am Anfang stand ein zunächst wenig beachtetes Problem am US-Immobilienmarkt. Bald brannte es überall lichterloh.
BERLIN – Das Unheil schlich sich auf leisen Sohlen an – selbst von Fachleuten und Politikern unbemerkt und unterschätzt: Alles sieht im Frühjahr 2007 nach einer auf die USA begrenzten Krise des Immobilienmarkts aus. Am Ende jedoch steht die gewaltigste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Der letzte Akt, zu dem Niedrigzinsen mit Folgen für jeden Sparer gehören, ist bis heute nicht zu Ende.
Ak : Der US-Traum vom Eigenheim bis 2007 Begünstigt von relativ niedrigen Zinsen kaufen immer mehr Amerikaner, die es sich eigentlich nicht leisten können, Häuser oder Wohnungen auf Pump. Finanziert wird das von Banken, die immer häufiger beide Augen zudrücken. Experten sprechen von „Subprime“-Hypotheken. Banken entledigen sich des Risikos oft, indem sie die wackeligen Forderungen mit finanzmathematisch ausgeklügelten Wertpapieren kleingestückelt in alle Welt verkaufen – mit dem Segen von Ratingagenturen, die den letztlich durch Häuser abgesicherten Papieren oft beste Bonität bescheinigen. Das Geschäft mit solchen, selbst für Experten nicht nachvollziehbaren Finanzderivaten, gilt als entscheidender Brandbeschleuniger – ebenso wie große Lücken in Regulierung und Aufsicht der Finanzindustrie.
Ak : Die Blase pla ! ers e "lei en 2007 Erste Probleme zeigen sich irgendwann im Frühjahr 2007. Mehr und mehr Hausbesitzer können ihre Raten nicht mehr bezahlen. Die Immobilienpreise geraten ins Rutschen. Spezialisten für Hypothekenkredite machen dicht, Fonds geraten in Schwierigkeiten. Doch der damalige US-Notenbankchef Ben Bernanke sieht kein größeres Problem. Von „Subprime“-Krediten hört man in Deutschland erst, als die IKB Deutsche Industriebank 2007 in die Knie geht. Auch sie hatte in Wertpapiere investiert, die auf solchen Hypotheken fußten.
Ak : Der #ehman$usammenbru%h 200& Die Hypothekenmarktkrise wächst sich zu einer Bankenkrise an. Großbanken berichten weltweit von Milliardenverlusten. Die US-Investmentbank Bear Stearns wird nur dank der Übernahme durch J.P. Morgan vor dem Kollaps bewahrt. Im September überschlagen sich die Ereignisse: Die US-Behörden müssen die riesigen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac mit Milliardenaufwand retten. Die Investmentbank Lehman Brothers erklärt Insolvenz und wird nicht vom Staat gerettet. Noch immer beruhigen Experten. IW-Direktor Michael Hüther erklärt: „Ich gehe davon aus, dass die Finanzmarktkrise sich nicht im dritten Akt des Dramas befindet, sondern im Schlussakt, der aber länger dauern kann, wie bei einer Wagnerschen Oper.“
Ak : Es brenn li%h erloh 200&'0* Die Nachwehen der LehmanPleite machen jede Hoffnung auf eine rasches Ende des Dramas zunichte. Wachsende Verwerfungen lassen den Geldstrom innerhalb des Finanzsektors versiegen, weil Banken einander nicht mehr über den Weg trauen. Zentralbanken pumpen Milliarden in die Märkte und senken die Leitzinsen drastisch. Erstmals treffen sich die Staats- und Regierungschefs der führenden Wirtschaftsnationen (G20) in Washington. Sie wollen die Weltwirtschaft vor einem Absturz bewahren und beschließen außerdem einen umfassenden Plan zur Neuordnung der außer Kontrolle geratenen globalen Finanzmärkte.
Noch im September 2008 sagt Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Bundestag, er halte die Auswirkungen der Krise auf Deutschland für begrenzt. Nur Wochen später sieht er sich zu einem dramatischen Auftritt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gezwungen: Um zu verhindern, dass die Deutschen in Panik ihre Konten räumen, erklären beide: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind.“
Doch auch in Deutschland wird die Lage ungemütlich: Der deutsche Staat steigt 2009 bei der Commerzbank ein, der Hypothekenfinanzierer HRE und die Westdeutsche Landesbank müssen mit staatlichen Milliarden gestützt werden.
Ak : Die +el s /r 200* in 5ie 6e ession Wie der Geldkreislauf zwischen den Banken austrocknet, klemmt es auch bei der Kreditvergabe. Das sorgt dafür, dass die Finanzkrise in die Realwirtschaft überspringt – und zwar global: Praktisch alle wichtigen Volkswirtschaften stürzen in eine Rezession. Milliardenschwere Konjunkturpakete werden aufgelegt. Weil Niedrigzinsen nicht die erhoffte Wirkung zeigen, überschwemmen Notenbanken die Welt immer mehr mit Geld. Potente Volkswirtschaften wie Deutschland und die USA erholen sich zwar unerwartet schnell vom Einbruch und gehen schon 2010 wieder auf Wachstumskurs. Andere Ökonomien zwingt die Rezession jedoch in die Knie.
Ak : #au er ;il<eru< aus =rie%henlan5 20>0 Die Folgen der Rezession belasten die Staatshaushalte besonders in den schwächeren Volkswirtschaften des Euroraums. Investoren verlieren das Vertrauen, dass Krisenländer wie Griechenland ihre Schulden überhaupt zurückzahlen können – zumal Athen zugeben muss, dass sein Defizit wegen gefälschter Daten viel höher ist als zuvor genannt. Deswegen müssen diese Länder immer höhere Zinsen aufbringen, um überhaupt Käufer für Anleihen zu finden, was wiederum die Schulden in die Höhe treibt – ein Teufelskreis. In kurzer Folge müssen nach Griechenland auch für Portugal, Irland und Zypern internationale Hilfsprogramme aufgelegt werden.
Ak : E$B-?he< Draghi eil 20>2 als 6e er herbei Hilfsprogramme und Niedrigzinsen reichen nicht, um die aus der Finanzkrise hervorgegangene Euro-Schuldenkrise beizulegen – bis EZB-Präsident Mario Draghi im Juli 2012 ein Machtwort spricht: Die Europäische Zentralbank werde alles tun, um den Euro zu retten („Whatever it takes“). Die EZB kauft bis heute in anderem Rahmen für etliche Milliarden Staatsanleihen – und hält die Zinsen voraussichtlich bis weit ins nächste Jahr auf dem aktuellen Rekordtief. Die Krisenländer haben inzwischen ihre Hilfsprogramme erfolgreich abgeschlossen und sind mehr oder weniger auf Erholungskurs. Die Folgen der Krise – weiterhin hohe Arbeitslosigkeit und drastisch gesenkte Sozialausgaben – dürften dort allerdings noch für Jahre spürbar bleiben.