Nordwest-Zeitung

Alles dreht sich um Erpresser-Stimme

Prozess gegen mutmaßlich­en Entführer von Unternehme­rsohn gestartet

- VON CAROLIN ECKENFELS

Gut drei Jahre nach der Entführung hat jetzt der Prozess gegen einen 48(Jährigen begonnen. Doch wer war noch an der Tat beteiligt?

GIEßEN – Der Angeklagte im Prozess um die Entführung des behinderte­n Sohnes von Milliardär Reinhold Würth (83) spricht leise und mit deutlichem Akzent. Er macht einige Angaben zu seiner Person, aber viel sagt der 48-Jährige nicht zu Beginn der Verhandlun­g am Dienstag vor dem Landgerich­t Gießen.

Im Verlauf des Prozesses wird seine Stimme noch eine wichtige Rolle spielen: Die Staatsanwa­ltschaft stützt ihre Anklage vor allem auf die Analyse eines Telefon-Mitschnitt­s eines Mannes, der im Juni 2015 drei Millionen Euro Lösegeld für den Entführten forderte. Das war der Angeklagte – davon sind die Ermittler überzeugt.

„Der Fall ist absolut außergewöh­nlich“, sagt der Sprecher der Gießener Staatsanwa­ltschaft, Thomas Hauburger, nach dem Verhandlun­gstag. Zum einen, weil der Verdacht gegen den 48-Jährigen „primär“auf der Stimmanaly­se fuße – das sei für die Justiz ein Novum. Zum anderen wegen des glückliche­n Ausgangs der Entführung: Der damals 50 Jahre alte Markus Würth wurde zwar unterkühlt und durchnässt an einen Baum gekettet in einem Wald bei Würzburg gefunden, er war ansonsten aber unversehrt.

Die Anklage wirft dem 48Jährigen erpresseri­schen Menschenra­ub vor. Er habe die Würth-Entführung aus einer integrativ­en Wohngemein­schaft im osthessisc­hen Schlitz zusammen mit Komplizen lange geplant und durchgefüh­rt. Der oder die Mittäter sollen den aufgrund seiner Behinderun­g „vertrauens­seligen“Mann mitgenomme­n haben.

Am Telefon soll der Angeklagte sich als „Dr. Hassan“gemeldet und vorgegeben haben, der Sohn liege im Krankenhau­s. Dann habe er von der Entführung berichtet und drei Millionen Euro gefordert. Die Übergabe scheiterte kurz darauf allerdings, offenbar wegen Verzögerun­gen und unklarer „Übergabemo­dalitäten“. Nach der Panne habe der Angeklagte verraten, wo der Entführte, versorgt mit einer Wasserflas­che, ausharren musste.

Nach seiner Festnahme im März bestritt der Angeklagte die Tat. Ob er vor Gericht aussagen wird, ist der Verteidigu­ng zufolge noch nicht entschiede­n. Der Prozess wird fortgesetz­t – die Suche nach möglichen Komplizen ebenfalls.

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