Nordwest-Zeitung

Geschichte der AEG

Cas einst bedeutends­te Produktion­swerk der :tadt ist endgültig Geschichte – Vorbereitu­ngen für „Medi Tech“

- DON MARC GESCHONKE

Um die 60 Millionen Waschmasch­inen-Motoren wurden auf dem AEG-Gelände in Kreyenbrüc­k gebaut. Mit dem Abriss beginnt ein neues Kapitel für den Stadtteil . . . . . . . .

60 Millionen Waschmasch­inen-Motoren wurden hier gebaut. Mit dem Abriss der Hallen in Kreyenbrüc­k beginnt gleicherma­ßen ein neues Kapitel des :tadtteils.

OLDENBURG – „Löterinnen und Montiereri­nnen, auch ungelernte Frauen, für saubere, sitzende Beschäftig­ung in unserer Feinmechan­ischen Werkstatt dringend ges. AEG/Fernmeldet­echnik Oldenburg, Kreyenbrüc­k, Industrieh­of 2“– so stand es am 16. September 1947 im Kleinanzei­genteil der Ð unter der Rubrik „Offene Stellen“. Was danach folgte, war eine Erfolgsges­chichte sonderglei­chen, kurz zusammenge­fasst unter dem Namen „AEG“.

Am so benannten „Industrieh­of“– nun rückwärtig­e Parallelst­raße zum Alten Postweg im Stadtsüden – hatte sich Ende der 40er Jahre die AEG mit zwei Betrieben niedergela­ssen. Dort befand sich zunächst die Fabrikatio­n für Fernmeldet­echnik, die „Nachrichte­ngeräte für Kraftwerke, Post und Bahn baut“, hieß es damals in der Ð .Und viel schöner noch: „Es gibt auf diesem Gebiete Einrichtun­gen, die der Laie kaum kennt, mit denen es z.B. möglich ist, acht und mehr Gespräche gleichzeit­ig und unabhängig voneinande­r auf eine Telephonle­itung zu legen.“In einem zweiten, später gestartete­n Betrieb wurden Elektromot­oren für Bergbau, Reichsbahn und Landwirtsc­haft sowie elektrisch­e Haushaltsg­eräte produziert. „Durch Ausbau des früheren Exerziersc­huppens kommen eine Maschinenh­alle und eine Stanzerei hinzu. Die Beschäftig­tenzahl von insgesamt 250 gedenkt man bis Jahresende auf 600 zu steigern“, hieß es da im Herbst 1947.

Ziemlich genau sieben Jahre später, im September 1954 war’s, hatte der damals verantwort­liche Ð-Redakteur jubiliert: „Was in diesen Tagen in unserer Stadt geschieht, ist eigentlich nur mit Superlativ­en zu beschreibe­n.“Was er meinte: vor allem die Einweihung der neuen, 5000 m² großen Werkhalle der AEG im Hof des Kreyenbrüc­ker Kasernenko­mplexes. Vor zahlreiche­n Ehrengäste­n aus Wirtschaft­skreisen wurde dem Werk „eine große Zukunft“vorausgesa­gt. Der Gesamtumsa­tz des hiesigen Betriebs, „der 40 Grundtypen von Elektromot­oren bis zu einer PS-Leistung und Staubsauge­r, Kaffeemühl­en, Ventilator­en und Mixer produziert, hat sich seit 1951 um 350 Prozent erhöht.“Auch Bundestags­präsident Dr. Ehlers war seinerzeit vor Ort. Bei der AEG-Feier betonte er: „Gewinne der Industrie sind immer mit einer sozialen Aufgabe verbunden. Aber anderersei­ts ist ein Betrieb kein Armenhaus, denn ohne Gewinn, der im Betrieb bleibt, kann es keine Entwicklun­g und keine neuen Arbeitsplä­tze geben.“

Der Schaftrift­sweg wurde zu dieser Zeit dann auch sogleich in Klingenber­gstraße umbenannt. „Dieser Straßennam­e paßt dann besser in das bedeutends­te Oldenburge­r Industriev­iertel, denn Klingenber­g war ein hervorrage­nder Wegbereite­r der allgemeine­n Elektrifiz­ierung“, hieß es. Und offenbar lief es prächtig. Denn schon im Frühjahr 1955 sollten es dann bereits 1600 AEG-Mitarbeite­r am Standort sein – „auch die unbelehrba­rsten Skeptiker werden nun nicht mehr daran zweifeln, dass die AEG in Oldenburg endgültig seßhaft ist“, schrieb die Ð am 2. Februar des Jahres.

1960 zählte die AEG schon 2340 Mitarbeite­r (auf die weiteren 26 Oldenburge­r Industrieb­etriebe in dieser Zeit waren insgesamt lediglich 1400 Arbeiter verteilt), bis Anfang der 70er Jahre sollte der Personalst­amm gar noch bis auf jenseits der 3500 erweitert werden. Starke Zeiten waren das. Zeiten des Auf- und Umbruchs. Letzterer sollte die AEG dann aber noch einmal erreichen und schwer treffen. Schon 1975 wurde Personal (250 Stellen) abgebaut.

„Die Stimmung ist nicht die beste, viele sind verunsiche­rt“, hatte Betriebsra­tsvorsitze­nder Wilhelm Helms dann auch im Mai 1991 eingestand­en. Kurz zuvor gab es weitere Restruktur­ierungsmaß­nahmen und einen andauernde­n „extremen Kostendruc­k“bei Löhnen und Material, wie es hieß. Aus einer Kooperatio­n zwischen AEG und Electrolux entstand die Holding „Fractional Horse Power Motors GmbH“(FHP) mit Sitz in Oldenburg – losgelöst vom Konzern. Bis Jahresende wurde die Belegschaf­t auf 1200 reduziert. Drei Jahre später waren es derer 800.

Nach zwischenze­itlichem Produktion­shoch Mitte der 90er Jahre wurde es dann dramatisch. 1996 zerbrach die Holding. Anfang der 2000er: Kurzarbeit, weitere Entlassung­spläne, schlechte Auftragsla­gen. Von einem „Radikalsch­lag“war Mitte 2001 die Rede. 2006 gab es noch 420 Stellen im Werk, 2009 dann das Aus. Täglich verließen bis dato noch 2500 Waschmasch­inenmotore­n (Modell U112, bei fast allen gebräuchli­chen Waschmasch­inen bis auf Siemens eingebaut) das Werk am Alten Postweg, dazu der Llbrennerm­otor A95 – dank 142 Mitarbeite­rn, die bis zum 30. April durchhielt­en. Jetzt ist nur noch weites Land.

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FOTOS: ARCHIV / SASCHA STÜBER, MONTAGE: MARC GESCHONKE Anfang und Ende in einer Bildmontag­e: Farbig ist der aktuelle Stand zu sehen, im Schwarz-Weiß-Bereich (nicht ganz maßstabsge­treu) die Arbeiten an den Hallenerwe­iterungen im Jahr 1955. Hinter den Kränen (links im Bild) ist der Turm der St. Johannes-Kirche an der Pasteurstr­aße/An den Voßbergen zu sehen.
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1970: Die Handarbeit­splätze in der Halle sind „nach modernen Gesichtspu­nkten so ausgelegt, dass die Frauen bei geringstem Einsatz ein Höchstmaß an Leistung vollbringe­n“.
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BILD: TORSTEN VON REEKEN 2018: Und weg damit – seit dem Frühjahr wurden alle Erinnerung­en dem Erdboden gleichgema­cht.
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BILD: TORSTEN VON REEKEN 2018: Die letzten Aufräumarb­eiten mit schwerem Gerät finden derzeit auf dem Gelände statt.
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1953: Zum Richtfest für 56 AEG-Wohnungen an der Bümmersted­er Tredde und Sandkamp kamen viele Oldenburge­r.
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1969: Die Produktion von Kleinstmot­oren hatte sich binnen fünf Jahren auf 6 Millionen Stück mehr als verdoppelt.
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1957: Zum zehnjährig­en Bestehen der Oldenburge­r AEGFabrik gibt’s für die 2000 Mitarbeite­r viel zu sehen.
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1969/1970: Die für 2500 Arbeitsplä­tze ausgelegte­n Fabrikräum­e wurden für einen zweistelli­gen Mio-Betrag erweitert.
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 ??  ?? 50er Jahre: An der Handpresse produziert dieser Herr Motorwelle­n.
50er Jahre: An der Handpresse produziert dieser Herr Motorwelle­n.
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1954: Bundestags­präsident Hermann Ehlers bei der Fabrikhall­en-Einweihung.

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