Gespräch mit Tonne
NWZ vermittelt Treffen zwischen Karl Grotheer vom Stadtschülerrat und Minister Grant Hendrik Tonne
Bei der Ehrenamtsaktion „Oldenburger des Jahres“wurde Karl Grotheer mit einem Sonderpreis geehrt. Dafür vermittelte die Ð dem Vorsitzenden des Stadtschülerrats ein Gespräch mit Kultusminister Grant Hendrik Tonne .
Die Liste mit Fragen des 17-Jährigen Schülers war lang. Der Minister nahm sich eine Stunde Zeit, sie zu beantworten.
OLDENBURG/HANNOVER – Den direkten Draht ins Kultusministerium: Für Karl Grotheer hat die Ð ihn hergestellt. Der Vorsitzende des Stadtschülerrats und Sonderpreisträger bei der Aktion „Oldenburger des Jahres“bekam nun die Gelegenheit, Grant Hendrik Tonne eine Stunde lang stellvertretend für alle Oldenburger Schüler mit Fragen zu löchern.
Es gibt Kaffee, Früchtetee und Kekse im Büro des Minis- ters. Tonne ist überpünktlich und gut gelaunt. Karl hat eine lange Liste mit Fragen zusammengestellt, gesammelt auch von anderen Schülern. Sie sprechen kurz über den Föderalismus, an dem der Minister im Bildungsbereich festhalten möchte. Den Bund sieht er mit Großaufgaben wie Arbeit, Rente oder Gesundheit ausreichend beschäftigt. Seinen eigenen Arbeitsbereich abzugeben, dafür hat er keine Argumente. Schließlich ist auch seine Aufgabenliste gut gefüllt.
■ LEHRERMANGEL
Karl wurde von der Cäcilienschule berichtet, dass es dort zu viele Religionslehrer aber zu wenig Französischlehrer gibt. Die Schulen hätten es sehr schwer, punktgenau das an Fachunterricht anzubieten, was sie gerne hätten, entgegnet der Minister. Viele Faktoren, zum Beispiel die Verteilung auf die Studienfächer, hätten darauf Einfluss. Seine Landesschulbehörde sieht er in der Aufgabe, die Löcher zu erkennen und Lösungen zu finden, zum Beispiel durch Abordnungen. „Das gelingt aber nicht in jedem Einzelfall. Nicht im städtischen Bereich. Und auf dem Land wird es noch ein bisschen schwieriger.“In der Diskussion um die Quereinsteiger verweist er darauf, dass diese kurz- und mittelfristigen Ansätze immer noch besser seien, als wenn gar keine neuen Lehrer eingestellt würden. „Das machen wir aus der Notwendigkeit, dass Köpfe gebraucht werden.“Nun müsse dafür gesorgt werden, dass dies nicht nur ein Notnagel ist, sondern die Schule auch im Sinne der Multiprofessionalität bereichert wird.
■ NOTENGEBUNG
Natürlich ist auch die Art der Leistungsbewertung unter den Schülern stets ein heißes Thema, wie Karls Themenkomplex zeigt. Bei diesem stets emotional diskutierten Thema wirbt Tonne auch für andere Möglichkeiten als Noten, zum Beispiel Entwicklungsberichte. „Ich persönlich finde sie viel differenzierter.“Im Übrigen habe er selbst auch mal in einer Mittelstufen-Klausur eine Fünf gehabt. „Was einfach daran lag, dass ich zu faul war, Vokabeln zu lernen.“Noten sagen also nicht alles aus. Dennoch hört man heraus, dass einer Abschaffung von Noten eine viel zu große, über Jahrzehnte gewachsene, Vertrautheit der Gesellschaft mit diesem System, entgegensteht.
■ SCHÜLERVERTRETUNG
Während der Landesschülerrat über ein gewisses Budget für seine Arbeit verfügt, müsse der Oldenburger Stadtschülerrat ohne garantierte Mittel auskommen, klagt Karl.
Tonne empfiehlt, hier das direkte Gespräche mit dem Oberbürgermeister. „Ich denke, auch die Stadt Oldenburg hat ein großes Interesse daran, dass Schüler sich organisieren und für ihre Positionen kämpfen.“
■ DIGITALISIERUNG
Die technische Ausstattung der Schulen ist ein Thema, bei dem Karl und der Stadtschülerrat schon lange schnellere Fortschritte fordern. Noch sind Taschenrechner in diesem Bereich ein Thema. So hat Karl von Fällen gehört, dass Geräte, die auch mal um die 100 Euro kosten, von Schülern teils neu angeschafft werden müssen, weil sie nicht einem bestimmten Modell entsprechen, obwohl sie vergleichbare Leistungen bringen. Tonne verweist dabei auf das Problem der Prüfungssituationen. „Es darf niemand übervorteilt werden, weil ein Gerät mehr kann als das andere.“
Diese Hürde wirkt umso höher, wenn Tonne über seine Strategie für die künftige Ausstattung spricht. „Bring you own device“, also die Nutzung der eigenen, ohnehin vorhandenen Handys und Tablets im Unterricht, sieht er nämlich als wichtigen Baustein bei der Digitalisierung der Schulen. „Dort gibt es aber von den Möglichkeiten der Geräte eine große Spanne.“Das sei ein bislang ungelöstes Problem, trotzdem müsse man dorthin kommen.
Denn morgens Tablets auszuteilen und am Ende des Schultages wieder einzusammeln, sei zwar immerhin ein Schritt nach vorne, aber zu wenig. „Das Lernen endet doch nicht mit Schulschluss.“Stattdessen müsse man die Ressourcen, die bei den Schülern vorhanden sind, nutzen. ■ INKLUSION
Der Stadtschülerrat hatte sich im Schulausschuss gegen die politische Mehrheit gestellt und für den Erhalt der Förderschule Lernen in Oldenburg ausgesprochen. Nicht weil er gegen die Inklusion sei, sondern weil er die Bedingungen an den Schulen noch nicht für ausreichend hält, um gemeinsames Lernen für alle sinnvoll gestalten zu können, erklärt Karl.
Tonne verteidigt den eingeschlagenen Weg. Nach all dem, was man wisse, lernten Schüler gemeinsam mehr, als wenn man sie auseinanderreiße – selbst unter Bedingungen, die noch nicht ausreichten. Das Lernen in sogenannten Defizitgruppen sei nicht gewinnbringend, auch wenn es darüber tradierte Gegenansichten gebe. „Das sind eher gefühlte Werte.“