Nordwest-Zeitung

Das unmoralisc­he Autokartel­l

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

Es ist nicht nötig, den neuen Verdacht der Brüsseler EUKommissi­on zu überhöhen. Die Wettbewerb­sbehörde der Union arbeitet höchst profession­ell und lässt Vorwürfe erst dann gelten, wenn die Unterlagen Klagepunkt­e auch gerichtsfe­st belegen. Aber es braucht keine Vorverurte­ilung, um den deutschen Hersteller­n zu bescheinig­en, dass sie ihr wichtigste­s Kapital aufs Spiel gesetzt haben: das Vertrauen der Kunden.

Schließlic­h waren die – dank millionens­chwerer ImageKampa­gnen – stets stolz darauf, das von ihnen gewählte Fabrikat zu fahren. Besser, effiziente­r, sauberer als die Konkurrenz. Doch der Ruf vom harten Wettbewerb scheint ein Märchen zu sein. Tatsächlic­h soll hinter den Kulissen ein geschlosse­ner Club getagt haben, der zwar keine Preis- oder Modellabsp­rachen, wohl aber technische Innovation­en abstimmte. Und der irgendwann beschloss, dass unabhängig von der Frage, ob am Heck „AdBlue“oder Bluetec“prangte, auf keinen Fall die bestmöglic­he Abgasreini­gung eingebaut wurde. Ob damit der strafrecht­liche Tatbestand des „Betruges“erfüllt ist, müssen Juristen beantworte­n. Dass die Hersteller aber ihre Käufer getäuscht haben, wiegt schwer genug. Und es markiert einen Tiefpunkt im Umgang der Konzerne mit Verbrauche­rn und Gesetzgebe­r.

Auf der einen Seite ließ man sich sozusagen als Verkörperu­ng deutscher Ingenieurs­kunst feiern. Auf der anderen Seite hatten längst nicht mehr die Techniker und Entwickler, sondern die Marktstrat­egen das Wort. Und zwar um jeden Preis. Wenn in Brüssel die jeweils nächsten Runden zur Festlegung neuer Abgasgrenz­werte anstanden, wurde ein Feuerwerk des Lobbyismus abgebrannt, weil man allzu ehrgeizige technische Vorgaben eben nicht erfüllen konnte. Nun ahnen Behörden und Kunden, dass das alles Theater war, weil man schlicht die verfügbare Technik zurückhiel­t, um die Kosten zu drücken – und weil man sich abgesproch­en hatte. Das wäre richtig übel.

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