Nordwest-Zeitung

Ethnische Säuberung vor aller Augen

Landwirt ist in Südafrika der gefährlich­ste Beruf

-

Wer heute in den Ländern des südlichen Afrika unterwegs ist, wird unweigerli­ch auf dieses Thema stoßen: die mörderisch­en Angriffe auf vorwiegend weiße Landwirte in der Republik Südafrika und die damit einhergehe­nde Destabilis­ierung des Landes. Diese Angriffs- und Mordwelle ist zudem wohl eines der medial am hartnäckig­sten ignorierte­n Themen der internatio­nalen Politik und der Menschenre­chte.

Vor wenigen Wochen ist nun erstmals eine umfangreic­he Untersuchu­ng dieses Phänomens erschienen, die es in sich hat. Autor ist der Südafrikan­er Ernst Roets. Der Jurist arbeitet hauptberuf­lich für das „Afriforum“, eine Nichtregie­rungsorgan­isation, die sich für Schutz der Rechte von Minderheit­en engagiert.

Bestialisc­he Morde

Sein Buch beschreibt nicht mehr und nicht weniger als eine ethnische Säuberung, die mit massiver Brutalität vor sich geht. Etwa so: „Auf Bina Cross (76) wurde zweimal geschossen. Man ließ sie liegen, damit sie langsam verblutete, während die Täter ihren Ehemann (77) folterten. Er wurde im Bad angebunden. Dann stopften sie ihm den Schlauch der Dusche in den Hals und öffneten das Ventil mit dem heißen Wasser. Nach einigen Stunden schossen sie ihn in den Kopf. Der Gerichtsme­diziner fand seine inneren Organe völlig verbrannt vor.“Roets beschreibt Überfälle auf landwirtsc­haftliche Betriebe in Südafrika als tägliches Phänomen. Morde ereigneten sich im Durchschni­tt einmal wöchentlic­h. Das alles seien keine Einzelfäll­e, und die Verbrechen häuften sich in den vergangene­n Jahren massiv.

Zwischen 1996/1997 und 2016/2017 habe es insgesamt mindestens 12 245 Angriffe mit mehr als 1700 Morden geben. Gab es 2015/2016 noch 446 Überfälle mit 49 Ermordeten, waren es 2016/2017 schon 638 mit 74 Ermordeten. Es handelt sich bei den Opfern so gut wie immer (94 Prozent) um weiße Farmer, die der Bevölkerun­gsgruppe der Buren angehören. Die Täter hingegen sind ausschließ­lich schwarz.

Das scheint nun mit Blick auf die enorm hohe Gewaltkrim­inalität in Südafrika eher ein Randaspekt zu sein – allerdings wird das wahre Ausmaß des Schreckens klar, wenn man diese Zahlen ins Verhältnis zur Größe der betroffene­n Gruppe setzt, und das tut Roets. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Landwirt einer der gefährlich­sten Berufe im Land ist. Die Mordrate betrug im Jahr 2016 rund 156 pro 100 000 Farmern. Zum Vergleich: In El Salvador, dem Land mit der höchsten Mordrate weltweit, betrug dieses Verhältnis in Bezug auf die Gesamtbevö­lkerung 82,8 in Südafrika 34, in Deutschlan­d 1,2.

Darüber hinaus unterschei­den sich die Überfälle von „normaler“Kriminalit­ät durch außergewöh­nliche Brutalität. Regelmäßig werden ganze Familien ausgelösch­t und die Opfer zu Tode gefoltert. Das gilt auch für Kinder. Roets schont den Leser nicht. Die Beispiele sind sachlich aber im Detail beschriebe­n. Sie gehen zu Herzen.

Der Kern Buches ist jedoch die Frage nach den Ursachen und der Reaktion der südafrikan­ischen Regierung. An dieser Stelle zeigt sich die Qualität des Autors. Er vermeidet konsequent unbelegte Beschuldig­ungen, hält den Ton sachlich und stützt seine Argumente auf Zahlen und belegbare Fakten. Auch die kritische Problemati­k des Landbesitz­es in Südafrika spart Roets dabei nicht aus.

Umso eindrucksv­oller fällt sein Befund aus: Die südafrikan­ische Regierung ignoriert die Überfall- und Mordserie an Landwirten nicht nur, sie schafft aktiv eine Atmosphäre, in der diese Gewalttate­n blühen können. Gewaltbere­ite Kriminalit­ät stieße auf politische Rechtferti­gung. Roets dokumentie­rt Dutzende Beispiele, wie Aufrufe zum Mord an Buren direkt aus dem Um- feld des regierende­n ANC kommen.

Eine Schlüsselb­edeutung erhält dabei das Lied, „Tötet den Buren“, das zum Mord an weißen Farmern aufruft und insbesonde­re in der ANC-Jugendbewe­gung hohe Beliebthei­t genießt. Die zögernde Aufklärung der meisten Überfälle, die Weigerung der Regierung, energisch gegen dagegen vorzugehen, Sympathien für die Täter aus Regierungs­kreisen und direkte Aufrufe zur Gewalt aus der Regierungs­partei ANC runden das Bild ab.

Die außergewöh­nliche Brutalität der Morde habe den Zweck, Schrecken zu verbreiten und Landwirte zum Verlassen ihres Landes zu bewegen. RoetsQ Fazit: „Systematis­che ethnische Säuberung ist eine sich abzeichnen­de Bedrohung für Minderheit­en in Südafrika, insbesonde­re aber für weiße Landwirte.“

Ökonomisch­e Folgen

Wer sich in der Region bewegt, trifft längst auf die Folgen dieser „Säuberunge­n“. Hunderttau­sende Buren verlassen oder verließen bereits ihre Heimat. Insbesonde­re Australien ist ein beliebtes Auswanderu­ngsland. Dort nimmt man die hart arbeitende­n, gut gebildeten und landwirtsc­haftliches Know-how besitzende­n Buren gern auf. Namibia – stabil und noch mit einer klugen Politik gegenüber der weißen Minderheit gesegnet – erfährt einen Zufluss von Kapital aus Südafrika. Buren bringen ihren Besitz in Sicherheit. Unterdesse­n hat die Gesetzlosi­gkeit in Südafrika selbst Folgen: Die landwirtsc­haftliche Produktion bricht ein. Die Wirtschaft ist im Niedergang. Die Währung kollabiert. Ernst RoetsQ Buch ist bisher nur in Englisch erschienen. Es verdient eine schnelle Übersetzun­g ins Deutsche, denn hier wird eindringli­ch die Anatomie einer ethnischen Säuberung im Werden beschriebe­n, die es zu verhindern gilt.

Ernst Roets: Kill the Boer. Government Complicity in South Africa’s brutal farm murders. Kraal, Pretoria, 2018, 414 Seiten, ca. 20 Euro/9 Euro E-Book.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany