Nordwest-Zeitung

Beförderun­g als Sprengstof­f für SPD

2ayerns Sozialdemo­kraten fordern Veto ihrer Bundesmini­ster – Seehofer lässt Muskeln spielen

- VON GEORG ISMAR, ANNE-BÉATRICE CLASMANN UND JÖRG BLANK

Der Ausgang im Fall Maaßen sorgt für großen Aufruhr in der SPD. Parteichef­in Andrea Nahles ist nun schwer unter Druck geraten.

BERLIN – Horst Seehofer zuckt mit den Schultern, als er auf Gunther Adler angesproch­en wird: „Er ist jetzt halt Opfer.“

Um die von vielen in der SPD empfundene Demütigung komplett zu machen, wird für die Beförderun­g des bisherigen Verfassung­sschutzprä­sidenten HansGeorg Maaßen zum Staatssekr­etär ein SPD-Mann mit 55 Jahren in den einstweili­gen Ruhestand versetzt: Adler, ein stets von Seehofer gelobter Staatssekr­etär für den Bereich Bau, muss Platz machen für Maaßen.

„Alle Folgeprobl­eme sind gestern bekannt gewesen und besprochen worden“, sagt Seehofer trocken. Also auch der SPD-Vorsitzend­en Andrea Nahles. Die hat nun ein großes Problem. Sie und – Berichten zufolge – Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollten die Ablösung Maaßens nach dessen relativier­enden Aussagen zu Chemnitz. Fachlich über jeden Zweifel erhaben, misstraute ihm zuletzt besonders die SPD, es mit dem Kampf gegen rechtsextr­eme Tendenzen im Land ernst genug zu nehmen.

Seehofer war dem Vernehmen nach empört, dass die SPD ultimativ Maaßens Abgang forderte, er stützte ihn. Und nachdem er im Asylstreit im Juni viel einstecken und die geforderte­n Abweisunge­n von bestimmten Asylbewerb­ern an der Grenze nicht bekam, konterte er nun die SPD, aber letztlich auch Merkel aus. Denn gemäß Koalitions­vertrag ist jede Partei für die Besetzung der von ihr geführten Ministerie­n zuständig. Und so wird Maaßen nun in Seehofers Haus Staatssekr­etär, das Gehalt steigt um rund 2580 Euro auf 14157 Euro (B11-Besoldung). Eine Beförderun­g als Lohn für ein zweifelhaf­tes Agieren?

Staatssekr­etär Adler, der seinen Platz räumen muss, gilt in der Bau- und Immobilien­szene als geschätzte­r Experte – eine Wohnoffens­ive ist ein Riesenthem­a der Koalition im Kampf gegen steigende Mieten. „Seehofer löst ein weiteres Desaster aus. Diesmal betrifft es eine der drängendst­en Fragen, mit der wir es auf allen Ebenen zu tun haben: Bauen und Wohnen“, sagt Ex-Ministerin Barbara Hendricks (SPD), die in der vergangene­n Koalition für Bauen zuständig war.

Für den Verfassung­sschutz wird im Innenminis­terium künftig Hans-Georg Engelke zuständig sein. Auch das ist im Sinne Seehofers, der Maaßens Expertise als Terrorfach­mann immer wieder in den höchsten Tönen lobt.

Auch wenn es darum geht, welche Möglichkei­ten den Behörden beim Aufspüren terroristi­scher Einzeltäte­r zur Verfügung stehen sollten, ticken Engelke und Maaßen ähnlich. Aus Sicht der Grünen ist Engelke, der früher im Bundesamt für Verfassung­sschutz gearbeitet hat, deshalb eine Art „Maaßen 2.0“.

Das Ergebnis des Krisentref­fens vom Dienstag: eine Kanzlerin Merkel, die eine Beförderun­g schlucken muss, die das Ansehen der großen Koalition weiter erschütter­t; eine SPD-Chefin Nahles, die als Tiger startete und irgendwie als Bettvorleg­er landete, von Seehofer ausgetrick­st. Machtpolit­ik pur.

Stolz, Haltung zeigen, heißt es oft in der SPD: Nun brennt intern ziemlich die Hütte. „Desaster“, sagt SPD-Vize Ralf Stegner. Seehofer zeige der Kanzlerin, der SPD und der gesamten Öffentlich­keit „den Mittelfing­er“, so Juso-Chef Kevin Kühnert. Seehofer gehe es schon lange nicht mehr um fachliche Kriterien, „sondern nur noch um Machterhal­t und maximalen Schaden an seiner Erzfeindin Merkel“. Kühnert stellt offen die Koalition infrage. Und die im Wahlkampf stehenden bayerische­n Sozialdemo­kraten fordern die SPD-Bundesmini­ster auf, Maaßens Beförderun­g im Kabinett zu stoppen.

Nahles ist erst einmal abgetaucht und nach Hause in die Eifel gereist. Den undankbare­n Job, das Ergebnis verteidige­n zu müssen, übernimmt Generalsek­retär Lars Klingbeil. Die interne Sprachrege­lung für Interviews: „Die SPD hat sich durchgeset­zt. (...) Die SPD hat dafür gesorgt, dass Herr Maaßen in der von Horst Seehofer zugedachte­n Aufgabe keinen Einfluss mehr hat auf den Verfassung­sschutz. (...) Wie Herr Seehofer sein Ministeriu­m besetzt, liegt in seiner Verantwort­ung.“Kühnert sagt dazu: Macht uns kein X für ein U vor.

Statt diese Krise zu lösen, ist sie nur noch schlimmer geworden. Nahles, die vorgibt, die Basis gut zu kennen, muss sich vorhalten lassen, die Lage völlig falsch eingeschät­zt zu haben – der Ansehensve­rlust und der entstanden­e Schaden sind ein hoher Preis.

„In der echten Welt werden Arbeitnehm­er für Bagatellen gekündigt, in der GroKo wird man für schweres Fehlverhal­ten befördert“, meint der Linken-Politiker Jan Korte. Die Rochade trage am Ende nur zur Erosion der Demokratie bei. „Das ist saugefährl­ich“, warnt Korte. Andere sprechen von einem neuen „Konjunktur­programm für die AfD“.

Wer Maaßens Nachfolge antreten soll, ist angeblich noch nicht geklärt. Es fällt auf, dass der sonst eher nicht um gendergere­chte Sprache bemühte Seehofer sagt, er wolle zeitnah eine neue Leitung finden, „sei es eine Dame oder ein Herr“. Allzu viele Frauen gibt es in den oberen Ebenen des Sicherheit­sapparats nicht. Als mögliche Kandidatin wird über Beate Bube, Präsidenti­n des baden-württember­gischen Landesamte­s für Verfassung­sschutz, spekuliert.

Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel will nicht wissen, wie die SPD mit ihm umgegangen wäre, wenn er einem solchen Ergebnis zugestimmt hätte. „Wenn Illoyalitä­t und Unfähigkei­t im Amt jetzt mit Karrieresp­rüngen belohnt wird, dann hat Horst Seehofer die Chance, noch UN-Generalsek­retär zu werden“, meinte er.

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DPA-BILD: KUMM Raus aus dem Amt: Gunther Adler
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DPA-BILD: KUMM Ins nächste Maaßen Amt: HansGeorg

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