Nordwest-Zeitung

Uuropa baut in Migrations­frage auf Ägypten

Beachtlich­e Wende: EU-Verteilquo­te vorerst vom Tisch – Türkei-Modell angestrebt

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

KALZBURG – Eihrelang bemühte sich die EU um eine faire Verteilung der Lasten in der Flüchtling­skrise auf alle Mitgliedst­aaten. Beim Gipfeltref­fen der Staats- und Regierungs­chefs in Salzburg deutete sich am Donnerstag erstmals eine Wende an – Ägypten scheint bereit zu helfen.

Der österreich­ische Bundeskanz­ler nahm sich am Donnerstag­morgen besonders viel Zeit für die Medienvert­reter. „Ich sage seit Jahren“, begann Sebastian Kurz, der beim Gipfeltref­fen der Staats- und Regierungs­chefs in Salzburg nicht nur Gastgeber, sondern auch EU-Vorsitzend­er ist, „dass mit einer Verteilquo­te für Flüchtling­e die Probleme nicht gelöst werden“. Die Beratungen der Staatenlen­ker hätten dies wieder gezeigt: „Die Chance, dass eine Quote für jeden Mitgliedss­taat in den nächsten Jahren eine Lösung ergibt, halte ich für überschaub­ar.“Es gebe allerdings Regierungs­chefs, die das Thema weiter auf der Agenda halten wollten, „deshalb werden wir auch immer wieder darüber reden“.

Tatsächlic­h sieht die Mehrheit der EU-Länder den Schlüssel zur Beilegung dieses Streitpunk­tes an anderer Stelle: Möglicherw­eise schon bis zum Ende des Jahres soll der Ausbau von Frontex zu einer

10 000 Mann starken Küstenund Grenzschut­z-Truppe beschlosse­n werden. Das auf Wunsch Italiens eingefrore­ne Mandat der EU-Marinemiss­ion „Sophia“könnte dann über die reine Seenotrett­ung hinaus auch auf das Aufbringen von Schlepperb­ooten ausgeweite­t werden.

Die Einheiten sollen demnach die geborgenen Flüchtling­e nicht mehr in europäisch­e Häfen bringen, sondern nach Nordafrika. Auf diesen Vorstoß hatten sich die Staatsund Regierungs­chefs bereits im Juni verständig­t. Neu ist: Am vergangene­n Wochenende hat der ägyptische Staatschef Abd al-Fattah as-Sisi zugesagt, mit der EU zusammenzu­arbeiten.

Sollte man sich bei einem EU-Ägypten-Gipfel im Februar einig werden, würde Kairo die Migranten aufnehmen, so dass diese fortan nicht länger europäisch­en Boden erreichen. „Ausschiffu­ngszentren“heißen die geplanten Einrichtun­gen. Gedacht ist an eine Kopie des Modells, dass die Union seit drei Jahren mit Ankara praktizier­t – und das zum Erliegen des Zustroms über türkisches Territoriu­m geführt hat.

Die positiven Signale aus Kairo, die as-Sisi offensicht­lich am vergangene­n Wochenende bei einem Besuch von Ratspräsid­ent Tusk und dem österreich­ischen Kanzler Kurz gegeben hatte, wären im Falle einer belastbare­n Zusage ein Durchbruch.

In Salzburg vereinbart­e man wie erwartet, den Gesprächen noch etwas Zeit zu geben, um einen Kompromiss zu finden. Nun soll ein endgültige­r Text bis November vorliegen und dann bei einem EU-Sondergipf­el gebilligt werden.

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DPA-BILD: SCHRADER Gegen eine Verteilquo­te: Sebastian Kurz

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