Uuropa baut in Migrationsfrage auf Ägypten
Beachtliche Wende: EU-Verteilquote vorerst vom Tisch – Türkei-Modell angestrebt
KALZBURG – Eihrelang bemühte sich die EU um eine faire Verteilung der Lasten in der Flüchtlingskrise auf alle Mitgliedstaaten. Beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Salzburg deutete sich am Donnerstag erstmals eine Wende an – Ägypten scheint bereit zu helfen.
Der österreichische Bundeskanzler nahm sich am Donnerstagmorgen besonders viel Zeit für die Medienvertreter. „Ich sage seit Jahren“, begann Sebastian Kurz, der beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Salzburg nicht nur Gastgeber, sondern auch EU-Vorsitzender ist, „dass mit einer Verteilquote für Flüchtlinge die Probleme nicht gelöst werden“. Die Beratungen der Staatenlenker hätten dies wieder gezeigt: „Die Chance, dass eine Quote für jeden Mitgliedsstaat in den nächsten Jahren eine Lösung ergibt, halte ich für überschaubar.“Es gebe allerdings Regierungschefs, die das Thema weiter auf der Agenda halten wollten, „deshalb werden wir auch immer wieder darüber reden“.
Tatsächlich sieht die Mehrheit der EU-Länder den Schlüssel zur Beilegung dieses Streitpunktes an anderer Stelle: Möglicherweise schon bis zum Ende des Jahres soll der Ausbau von Frontex zu einer
10 000 Mann starken Küstenund Grenzschutz-Truppe beschlossen werden. Das auf Wunsch Italiens eingefrorene Mandat der EU-Marinemission „Sophia“könnte dann über die reine Seenotrettung hinaus auch auf das Aufbringen von Schlepperbooten ausgeweitet werden.
Die Einheiten sollen demnach die geborgenen Flüchtlinge nicht mehr in europäische Häfen bringen, sondern nach Nordafrika. Auf diesen Vorstoß hatten sich die Staatsund Regierungschefs bereits im Juni verständigt. Neu ist: Am vergangenen Wochenende hat der ägyptische Staatschef Abd al-Fattah as-Sisi zugesagt, mit der EU zusammenzuarbeiten.
Sollte man sich bei einem EU-Ägypten-Gipfel im Februar einig werden, würde Kairo die Migranten aufnehmen, so dass diese fortan nicht länger europäischen Boden erreichen. „Ausschiffungszentren“heißen die geplanten Einrichtungen. Gedacht ist an eine Kopie des Modells, dass die Union seit drei Jahren mit Ankara praktiziert – und das zum Erliegen des Zustroms über türkisches Territorium geführt hat.
Die positiven Signale aus Kairo, die as-Sisi offensichtlich am vergangenen Wochenende bei einem Besuch von Ratspräsident Tusk und dem österreichischen Kanzler Kurz gegeben hatte, wären im Falle einer belastbaren Zusage ein Durchbruch.
In Salzburg vereinbarte man wie erwartet, den Gesprächen noch etwas Zeit zu geben, um einen Kompromiss zu finden. Nun soll ein endgültiger Text bis November vorliegen und dann bei einem EU-Sondergipfel gebilligt werden.