Nordwest-Zeitung

Doping-Jäger schließen Russland wieder ins Herz

Russische Agentur nach drei Jahren rehabiliti­ert – Scharfe Proteste auch aus Deutschlan­d

- VON JJRG MEBUS

VICTORIA – Dem weltweiten Sturm der Entrüstung zum Trotz hat die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) die russische Anti-Doping-Agentur Rusada wieder aufgenomme­n und damit den Weg für eine vollständi­ge Rückkehr der Großmacht in den Weltsport freigemach­t. Drei Jahre nach der Aufdeckung des staatlich gedeckten Dopingsyst­ems wird das Riesenreic­h damit auf höchst fragwürdig­e Weise rehabiliti­ert. Die Wada befördert sich mit diesem Beschluss gleichzeit­ig in eine tiefe Glaubwürdi­gkeitskris­e.

Die Exekutive habe bei der Sitzung in Victoria (Seychellen) mit „großer Mehrheit entschiede­n“, sagte Wada-Chef Craig Reedie, angeblich mit 9:2 Stimmen: „Die Entscheidu­ng ist verbunden mit einem klaren Zeitplan, nach dem der Wada Zugang zum Moskauer Anti-Doping-Labor und den darin vorhandene­n Proben gewährt werden muss.“Stichtag dafür ist der 30. Juni 2019. Sollte dies nicht eingehalte­n werden, würde es die Exekutive unterstütz­en, die Rusada wieder zu suspendier­en.

Wada-Vizepräsid­entin Linda Helleland ging nach der Abstimmung hart mit ihren Kollegen ins Gericht. „Die Entscheidu­ng wirft einen Schatten auf die Glaubwürdi­gkeit der Anti-Doping-Bewegung“, sagte die Norwegerin: „Heute haben wir für die

ehrlichen Sportler auf der ganzen Welt versagt.“Sie hatte zuvor erklärt, gegen die Wiederaufn­ahme zu stimmen.

Auch aus Deutschlan­d kamen kritische Reaktionen. „Die Entscheidu­ng der Wada, die Rusada zum jetzigen Zeitpunkt als compliant, also regelkonfo­rm arbeitend, einzustufe­n, ist ein herber Rückschlag für uns. Die Entscheidu­ng setzt ein falsches Signal“, teilte Andrea Gotzmann, die Vorstandsv­orsitzende der Nationalen Anti-Doping Agentur Nada, mit: „Das Vertrauen in die Wada ist massiv erschütter­t. Die Vision von einem unabhängig­en Regelungsg­eber ist mit der heutigen Entscheidu­ng des WadaExekut­iv-Komitees zerstört worden.“In Moskau wurde das Ergebnis dagegen mit Freude vernommen. „Wir begrüßen die Entscheidu­ng der Wada“, erklärte die stellvertr­etende Premiermin­isterin Olga Golodez.

Während der Rusada-Sperre waren russische Sportler nicht gänzlich von der Weltbühne verbannt. Das Internatio­nale Olympische Komitee ließ nach individuel­ler Prüfung bei den Sommerspie­len 2016 rund 270 Athleten des Landes unter neutraler Flagge antreten, bei den Winterspie­len 2018 waren 168 am Start. Auch bei den Weltcups in verschiede­n Sportarten durften sie dabei sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany