Nordwest-Zeitung

Trotzige May fordert Brüssel heraus

EU und Briten liegen weit auseinande­r – Premiermin­isterin: Nordirland nicht in Zollunion

- VON JOSILVIA KUSIDLO UND CHRISTOPH MEYER

Die britische Presse wettert unerbittli­ch gegen „dreckige Ratten der EU“. Die kalte Dusche beim Gipfel für May ist für ihre Landsleute schwer zu verkraften.

ZONDON – EinIn Tag nach dem von Konfrontat­ion geprägten EU-Gipfel in Salzburg hat die britische Premiermin­isterin Theresa May Flagge gezeigt. Sie forderte von Brüssel neue Brexit-Vorschläge. Die Verhandlun­gen seien in einer Sackgasse. „Ich habe die EU immer mit Respekt behandelt. Großbritan­nien erwartet dasselbe“, sagte May in ungewöhnli­ch scharfen Worten am Freitag in London.

Rückendeck­ung hatte May zuvor von der heimische Presse bekommen. So druckte die Boulevardz­eitung „The Sun“am Freitag eine Fotomontag­e von zwei bewaffnete­n Gangsrendu­ms

tern, die Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron und den EU-Ratschef Donald Tusk zeigen sollen. Das Blatt bezeichnet­e die Politiker als „dreckige Ratten der EU“und schrieb: „Euro-Gangster überfallen May aus dem Hinterhalt“.

„Nein, Nein, Nein“schrieb die Zeitung „Metro“auf

Deutsch auf ihrer Titelseite. Andere Blätter nannten die Vorgänge in Österreich „demütigend“für May.

„Kein Abkommen ist besser als ein schlechtes Abkommen“, betonte die Regierungs­chefin in London. Darauf müsse sich Großbritan­nien vorbereite­n. Sie werde weder das Ergebnis des Refe- rückgängig machen noch ihr Land auseinande­rbrechen lassen. Darauf liefen die bisherigen Vorschläge der EU aber hinaus.

Sie habe einen dritten Weg vorgeschla­gen, sagte May. Es sei nicht akzeptabel, dass dieser abgelehnt werde, ohne dass detaillier­te Gründe oder Gegenvorsc­hläge vorgebrach­t würden.

In zwei Bereichen seien London und Brüssel noch weit auseinande­r: bei den künftigen Wirtschaft­sbeziehung­en und in der Frage, wie künftig Grenzkontr­ollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland vermieden werden könnten.

In beiden Fragen will Theresa May unnachgieb­ig sein. Großbritan­nien werde nie Brüssels Vorschlag akzeptiere­n, dass Nordirland in der Zollunion bleibe. Das würde das Auseinande­rbrechen des Landes bedeuten. Auch ein Verbleib im Europäisch­en Wirtschaft­sraum sei nicht akzeptabel.

Auf dem informelle­n EUGipfel in Österreich waren Mays Vorschläge auf Ablehnung gestoßen. Die Union hatte den Zeitdruck überrasche­nd erhöht. Statt wie von Ratschef Donald Tusk vorgeschla­gen eine Verlängeru­ng der Frist bis zu einem Sondergipf­el Mitte November zuzulassen, entschied der Gipfel, beim ursprüngli­chen Plan für Mitte Oktober zu bleiben.

Die Brexit-Verhandlun­gen verlaufen seit Monaten zäh. Großbritan­nien will Ende März 2019 austreten. May hat nicht nur Ärger mit der EU, sondern steht auch in ihrer eigenen Partei kurz vor dem Parteitag massiv unter Druck. Sie regiert seit einer gescheiter­ten Neuwahl mit einer hauchdünne­n Mehrheit und ist von Revolten von mehreren Seiten bedroht. Immer wieder wird daher über ihren Rücktritt spekuliert.

Auf dem Labour-Parteitag am Sonntag in Liverpool wird bereits für die Zeit nach einem Regierungs­wechsel geplant.

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