Trotzige May fordert Brüssel heraus
EU und Briten liegen weit auseinander – Premierministerin: Nordirland nicht in Zollunion
Die britische Presse wettert unerbittlich gegen „dreckige Ratten der EU“. Die kalte Dusche beim Gipfel für May ist für ihre Landsleute schwer zu verkraften.
ZONDON – EinIn Tag nach dem von Konfrontation geprägten EU-Gipfel in Salzburg hat die britische Premierministerin Theresa May Flagge gezeigt. Sie forderte von Brüssel neue Brexit-Vorschläge. Die Verhandlungen seien in einer Sackgasse. „Ich habe die EU immer mit Respekt behandelt. Großbritannien erwartet dasselbe“, sagte May in ungewöhnlich scharfen Worten am Freitag in London.
Rückendeckung hatte May zuvor von der heimische Presse bekommen. So druckte die Boulevardzeitung „The Sun“am Freitag eine Fotomontage von zwei bewaffneten Gangsrendums
tern, die Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und den EU-Ratschef Donald Tusk zeigen sollen. Das Blatt bezeichnete die Politiker als „dreckige Ratten der EU“und schrieb: „Euro-Gangster überfallen May aus dem Hinterhalt“.
„Nein, Nein, Nein“schrieb die Zeitung „Metro“auf
Deutsch auf ihrer Titelseite. Andere Blätter nannten die Vorgänge in Österreich „demütigend“für May.
„Kein Abkommen ist besser als ein schlechtes Abkommen“, betonte die Regierungschefin in London. Darauf müsse sich Großbritannien vorbereiten. Sie werde weder das Ergebnis des Refe- rückgängig machen noch ihr Land auseinanderbrechen lassen. Darauf liefen die bisherigen Vorschläge der EU aber hinaus.
Sie habe einen dritten Weg vorgeschlagen, sagte May. Es sei nicht akzeptabel, dass dieser abgelehnt werde, ohne dass detaillierte Gründe oder Gegenvorschläge vorgebracht würden.
In zwei Bereichen seien London und Brüssel noch weit auseinander: bei den künftigen Wirtschaftsbeziehungen und in der Frage, wie künftig Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland vermieden werden könnten.
In beiden Fragen will Theresa May unnachgiebig sein. Großbritannien werde nie Brüssels Vorschlag akzeptieren, dass Nordirland in der Zollunion bleibe. Das würde das Auseinanderbrechen des Landes bedeuten. Auch ein Verbleib im Europäischen Wirtschaftsraum sei nicht akzeptabel.
Auf dem informellen EUGipfel in Österreich waren Mays Vorschläge auf Ablehnung gestoßen. Die Union hatte den Zeitdruck überraschend erhöht. Statt wie von Ratschef Donald Tusk vorgeschlagen eine Verlängerung der Frist bis zu einem Sondergipfel Mitte November zuzulassen, entschied der Gipfel, beim ursprünglichen Plan für Mitte Oktober zu bleiben.
Die Brexit-Verhandlungen verlaufen seit Monaten zäh. Großbritannien will Ende März 2019 austreten. May hat nicht nur Ärger mit der EU, sondern steht auch in ihrer eigenen Partei kurz vor dem Parteitag massiv unter Druck. Sie regiert seit einer gescheiterten Neuwahl mit einer hauchdünnen Mehrheit und ist von Revolten von mehreren Seiten bedroht. Immer wieder wird daher über ihren Rücktritt spekuliert.
Auf dem Labour-Parteitag am Sonntag in Liverpool wird bereits für die Zeit nach einem Regierungswechsel geplant.