Nordwest-Zeitung

Viel mehr als Ravioli und Früchtetee

Jürgen Koopmann hört mit Schließung der Jugendherb­erge auf

- VON KARSTEN RÖHR

Der 64-Jährige hat mit der Herberge viel junges Leben in die Stadt gebracht. Jetzt ist Schluss.

OLDENBURG – Einfach und alt, aber viel mehr als Früchtetee und Ravioli und super beliebt: Der Rasteder Jürgen Koopmann (64) hat die Oldenburge­r Jugendherb­erge an der Von-Finckh-Straße mit seinem kleinen Team in den vergangene­n 21 Jahren zu einem Erfolgsmod­ell im Jugendherb­ergswerk gemacht. Ende Oktober hört er auf.

Dabei war der Weg am Anfang nicht absehbar. Koopmann kochte auf dem Containerf­rachter „Sloman Nereus“, als er – irgendwo zwischen Deutschlan­d und Mexiko, beim Verarbeite­n von Rindfleisc­h, Zwiebeln, Möhren und Schalotten für ein schönes Boeuf bourguigno­n – seine Frau kennenlern­te. Die Holländeri­n war als Funkerin an Bord – „und Funker haben immer viel Zeit, der Koch kann nicht flüchten, also, wo gehen sie hin, in die Küche, weil da immer Zeit zum Sabbeln ist“, lacht Koopmann.

Nach elf Jahren Seefahrt übernahmen der Koch und die Funkerin in Elsfleth die „Kogge“. Doch nach fünf Jahren machte sein Rücken schlapp, die Bandscheib­e, „aber ich wollte mit 40 doch nicht aufhören!“Er ging zur Hotelfachs­chule, machte seinen Betriebswi­rt – und stieß auf eine Anzeige in der Ð: „Leiter für Oldenburge­r Jugendherb­erge gesucht“. In Rastede war Koopmann neben der Jugendherb­erge, einer Art Baracke, und dem dazugehöri­gen Freibad groß geworden. Der Herbergsva­ter war auch der Bademeiste­r. Eine andere Zeit: „Wenn wir Jungs zum Baden gingen, saßen die Herbergski­nder mitunter gerade an großen Wannen beim Kartoffels­chälen.“

Als Koopmann in Oldenburg anfing, war er allein, dann kam Simona Gregor hinzu, bis heute seine rechte Hand. Die Herberge hatte drei Monate leer gestanden. Die beiden fingen bei Null an. Mehr als eine Woche Urlaub im Jahr war für den Leiter, Koch, Putzmann und Rezeptioni­sten nicht drin. Koopmann war jeden Tag da und baute mit seinem wachsenden Team nach und nach etwas auf: Seit 13 Jahren ist er auch Leiter der Jugendherb­erge in Bremen mit 39 Mitarbeite­rn (mit Aushilfskr­äften), dazu Oldenburg mit 15 Mitarbeite­rn – heute, kurz vor der Schließung wegen des Neubaus, sind es noch neun.

Als die Jugendherb­erge in Sandhatten noch unterhalte­n wurde, hatte Koopmann über 50 Mitarbeite­r und über 400 Betten. Er hat das geliebt: „Das Schöne ist, dass ich ständig neue Herausford­erungen habe und tolle neue Leute kennenlern­e. Außerdem macht es mir Spaß, an jeder Stelle einspringe­n zu können. Als alter Seefahrer macht mir viel Arbeit nichts aus.“

Der Herbergsva­ter ist für sein Team immer erreichbar, auch spätabends. Als der Koch in Bremen gerade erkrankte, übernahm er sofort wieder die Küche – ein 13Stunden-Tag, nach drei Tagen hat er 40 Stunden voll. Natürlich geht es trotzdem weiter.

Koopmann hat in Bremen nicht nur ein Projekt für Kochen mit Behinderte­n gestartet. Er war auch der erste Herbergsle­iter in Deutschlan­d, der Flüchtling­e aufnahm: 70 in Sandhatten, 50 in Oldenburg und bis zu 80 in Bremen. Heute sagt er: „Das war sehr anstrengen­d, so etwas im laufenden Betrieb zu bewältigen. Es gab viele Versprechu­ngen der Städte, aber am Ende blieben alle Probleme bei uns. www.fielmann.com Das war eine Zeit, man-manman, da musst du gute Nerven haben.“

Eine der großen Stärken ist die hohe Flexibilit­ät des Teams. Koopmann sagt: „Wenn eine Lehrerin mich heute fragt, können wir morgen grillen, können wir früher essen, oder später? Dann machen wir das. Wir machen alles möglich, was irgendwie geht. Deshalb stimmt das Paket. Für diese alte Krücke hier haben wir dadurch eine ganz große Stammkunds­chaft.“

Seinem Abschied in Oldenburg und Ende Dezember 2019 in Bremen sieht der Überzeugun­gstäter deshalb mit gemischten Gefühlen entgegen: „Das wird mir schwerfall­en, das weiß ich schon. Die Neue – ab Herbst 2019 an der Karlstraße

Dieser Job hat mein Leben sehr ausgefüllt.“

Allerdings hat der Landesverb­and Unterweser-Ems sich schon seiner Dienste versichert: Mit einem Chefkoch aus der Luxuskette Swissôtel wird Koopmann, der die Bedürfniss­e kennt und gleichzeit­ig für seine gute Küche bekannt ist, die Verpflegun­g für die Herbergen neu planen: leckerer, gesünder, weniger Fertigprod­ukte, mehr Bio. In Bremen wird getestet, was als erstes in der neuen Herberge in Oldenburg umgesetzt werden soll. Und danach? Jürgen Koopmann lacht: „Ich könnte ehrenamtli­ch auch den Bürgerbus in Rastede fahren, Platt spreche ich ja. Würde ich glatt machen.“

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BILD: ARCHIV

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