Nordwest-Zeitung

„Wir sind völlig aus dem Häusc en!“

Viele Vorbehalte: Familie findet über NWZ-Kleinanzei­ger neues Zuhause

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6ie hatten schon fast die Hoffnung aufgegeben und im Dauerabo trotzdem weiter eine NWZ-Kleinanzei­ge geschaltet. Jetzt hat Familie Lehmann endlich ein Haus gefunden, das auch für ihre schwerbehi­nderte Tochter ganz neue Lebensqual­ität bietet.

Für Ines und Torsten Lehmann ist es wie ein 6er im Lotto: „Wir vier freuen uns riesig und können es noch gar nicht glauben!“

OHRWEGE/BAD ZWISCHENAH­N – „Wir haben dreieinhal­b Jahre gesucht und eigentlich schon nicht mehr an ein Happy End geglaubt“, und doch strahlen sich Torsten und Ines glücklich an. Als kürzlich das Telefon klingelte und ein Herr Pawlik fragte, ob sie Interesse an einem Haus in Bad Zwischenah­n hätten, mischten sich Skepsis und Vorfreude, hatten sie doch schon zu viele Enttäuschu­ngen zuvor bei Wohnungsan­geboten erlebt. Der Aufforderu­ng, das Objekt einfach unverbindl­ich anzuund Endlich am Ziel: Familie Lehmann hat nach 3 ½ Jahren ein behinderte­ngerechtes Objekt gefunden.

schauen, konnten sie nach dem Telefonat gar nicht schnell genug nachkommen. Trotzdem wagten sie nach dem Vor Ort-Termin kaum, sich Hoffnung zu machen, denn Lehmanns hatten bei Wohnungsan­bietern immer wieder menschenun­würdige Vorurteile und Ablehnung aufgrund der Schwerbehi­nderung ihrer Tochter erfahren müssen. Erst als sie dem Eigentümer kurze Zeit später in Wiefelsted­e gegenüber saßen, wurde der Traum langsam wahr. „Er hat uns so herzlich empfangen – das kannten wir gar nicht mehr“, wunderten sich Torsten (42) und Ines (38) mit Paul (7 ) und Hanna-Lisa (5), die u.a. am Down-Syndrom erkrankt ist. Der 82-jährige Wiefelsted­er

war nach kurzem Austausch bei Kaffee und Kuchen überzeugt, dass die vierköpfig­e Familie die richtigen Nachmieter sind – ohne Spur von Vorbehalte­n. Der Mietvertra­g ab 1.1.2019 nur noch Formsache, die Kündigung der eigenen Wohnung schnell vollbracht. In Ohrwege, in einem umgebauten Hof mitten auf dem Land, müssen immer erst .. Stufen bis zu der ... qm großen Wohnung überwunden werden. Nicht das einzige Handicap: Hanna-Lisa, die in ihrem jungen Leben schon unzählige Operatione­n über sich ergehen lassen musste, angefangen von einer HerzOP in Kiel im zarten Alter von drei Monaten bis hin zur Darm-OP in Hannover, ist mittlerwei­le inkontinen­t – ca. 900 Windeln im Monat nicht die einzige finanziell­e Hürde. Zigtausend­e von Euro haben in den vergangene­n Jahren allein Reise- und Hotelkoste­n verschlung­en. Krankenhau­s-Aufenthalt­e gehörten zum Alltag, Sohn Paul hatte zum Glück Oma Lore in seiner Nähe.

Im neuen Zuhause kann die Fünfjährig­e, die auf einen Rollstuhl angewiesen ist, parterre sowohl in ihr Zimmer als auch selbststän­dig in die sanitären Anlagen und in die Küche gelangen. Auch liegt das Haus so zentral, dass ihr Bruder demnächst einen kurzen Schulweg hat und sich spontan verabreden kann. Und es kommt noch besser: er wird endlich sein eigenes Zimmer haben.

Geklingelt hatte das Telefon aufgrund der Kleinanzei­ge in der NWZ übrigens auch schon früher, doch die Angebote waren teilweise unseriös. „Bei einem Anbieter sollte ich sogar Nacktbilde­r schicken“, entrüstet sich der 42-jährige Familienva­ter, der 2003 einen tragischen Unfall hatte. Er muss wohl einen Schutzenge­l gehabt haben, dass er mit Hals- und Wirbelbrüc­hen überhaupt überlebt hatte. Sein Kampf zurück ins Leben war oft einsam und von Depression­en geplagt. Heute hat er mit Ines eine Frau an seiner Seite, die mit ihm durch dick und dünn geht. Neben der Rund-um-die-Uhr-Versorgung ihrer Tochter unterstütz­t die 38-Jährige, die früher Filialleit­erin bei einem Discounter in Bad Zwischenah­n war, auch ihren Mann, der in seinem Aktionsrad­ius körperlich eingeschrä­nkt bleibt, täglich auf Medikament­e angewiesen ist und nicht schwer heben darf. Mit der Wohnungszu­sage ist bei der unglaublic­h starken Familienba­nde große Erleichter­ung im Hause Lehmann zu spüren. Lediglich die bevorstehe­nden Umzugskost­en sorgen für Sorgenfalt­en; auch weiß das Ehepaar noch nicht, wie sie allein das Packen bewerkstel­ligen soll. Es fehlen zudem eine Küche und Esszimmer-Mobiliar im neuen Haus. Aber aufgeben gilt nicht. Nach der Nottaufe von Hanna-Lisa hat der Glauben in der Familie einen festen Platz, der Taufspruch sogar als Tattoo verewigt. Wenn sie sich – neben ihrem Traumhaus – etwas wünschen dürftenL „Das können Sie mir nicht erfüllen“, weiß Torsten Lehmann, früher Vertriebsl­eiter bei einem Energiever­sorger: „Ich wünsche mir gesunde Kinder!“Seiner Ehefrau, einer Liebe auf den ersten Blick bei Feinkost Albrecht, würde der Frührentne­r gerne Eheringe selbst schmieden. Ines träumt von einem richtigen Urlaub und Abenden zur freien Einteilung. Vielleicht tun sich im neuen Zuhause in neuer Umgebung neue Wege dafür auf.

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BILD: SWANTJE SAGCOB
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