Ein erster Schritt
Natürlich ist die Missbrauchsstudie der Katholischen Kirche unbefriedigend. Zu groß ist das Dunkelfeld, das unbeleuchtet bleibt; zu stark war der Einfluss der Bischofskonferenz auf die Wissenschaftler; zu viele Jahre sind seit Beginn der Missbrauchsdebatte 2010 bis zur Vorstellung der Studie im Jahr 2018 vergangen.
Und trotzdem: Der jetzt vorgelegte Bericht stellt für die Kirche einen enorm wichtigen ersten Schritt in die Zukunft dar. Denn er stellt die richtigen Fragen.
Die Forscher fragen, ob die zölibatär lebenden Beschuldigten, häufig als „sexuell unreif“charakterisiert, besonders anfällig für solche Taten sind. Das muss und wird jetzt diskutiert werden.
Vor allem aber wirft die Studie die Frage auf, ob die Machtstrukturen im autoritären Umfeld der Kirche ein Klima des Wegschauens und des Vertuschens schaffen. Und die Antwort auf diese Frage kann nur lauten: ja. Wer sollte im hierarchischen Kontext einer streng katholischen Kirchengemeinde einen Missbrauchsfall oder gar das Gemeindeoberhaupt anzeigen? Ein untergeordneter Kirchenmitarbeiter? Tiefgläubige Gemeindemitglieder etwa? Das minderjährige Opfer selbst, vermutlich von schwersten Selbstvorwürfen geplagt vor dem Hintergrund der restriktiven Sexuallehre der Kirche?
Hinzu kommt ein falsch verstandenes Wertesystem: Könnte ein Missbrauchsvorwurf, womöglich sogar ein falscher, nicht einen sehr viel nachhaltigeren Schaden für die Institution Kirche bedeuten als für eine einzelne Person?
Es ist eine Haltung, wie wir sie auch im Fall des Krankenhausmörders Niels Högel beobachten konnten: Die Sorge um die Klinik, um mögliche wirtschaftliche und soziale Folgen wog schwerer als das Verantwortungsgefühl für das Individuum. Oder um es mit den Worten der Kirche zu sagen: als die Nächstenliebe.
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