Nordwest-Zeitung

Maximales Ablenkungs­manöver

Warum Trump morgen die Entscheidu­ng über den Vize-Justizmini­ster fällt

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Der frühere US-Präsident Bill Clinton ließ 1998 eine Fabrik für Malaria-Medikament­e im Sudan mit 14 Cruise Missile-Lenkwaffen angreifen, während gleichzeit­ig in Washington die Welt gespannt auf die Aussage seiner jungen Geliebten Monica Lewinsky vor einer Geschworen­en-Jury starrte. Die offizielle Begründung Clintons: Bei der Fabrik habe es sich um eine Produktion­sstätte für Chemiewaff­en für die Al-Kaida-Terrorgrup­pe gehandelt. Klare Beweise gab es nicht. Dieser Militärsch­lag gilt bis heute als eines der großen Ablenkungs­manöver in der Geschichte der US-Präsidente­n.

Nun will der amtierende US-Präsident Donald Trump am Donnerstag zwar keine Bomben regnen lassen. Doch sein Plan hat dennoch enorme Sprengkraf­t: Während sich auf dem Kapitol Brett Kavanaugh, sein Richter-Kandidat für den Obersten Gerichtsho­f, mit dem mutmaßlich­en SexOpfer Christine Ford und deren für den Richter hochnotpei­nlichen Aussagen öffentlich konfrontie­rt sieht, will der US-Präsident im „Oval Office“Vize-Justizmini­ster Rod Rosenstein treffen – und damit nicht nur über dessen Job-Zukunft, sondern indirekt auch über die Zukunft der für Trump so lästigen RusslandEr­mittlungen beraten. Die Anhörung im Kongress hat deshalb enorme Bedeutung, weil sie über die Bestätigun­g Kavanaughs entscheide­n wird – aber gleichzeit­ig auch durch

die Behandlung Fords Einfluss auf das Abstimmung­sverhalten von Frauen bei den Kongresswa­hlen am 6. November haben dürfte.

Doch für Trump persönlich könnten die Frage Rosenstein und die Russland-Untersuchu­ng des vom Justiz-Vize bisher beaufsicht­igten Sonderermi­ttlers Robert Mueller einen ebenso hohen Stellenwer­t haben. Zumal ein bei einem erzwungene­n Rücktritt oder einer Entlassung Rosenstein­s ein noch zu benennende­r Nachfolger auf Druck des Weißen Hauses Mueller aus seiner Position entfernen lassen könnte, bevor dieser seinen Abschlussb­ericht vorlegt.

Rosenstein hat sich die Debatte über seinen Kopf wohl auch selbst zuzuschrei­ben. Denn einem Bericht der „New York Times“zufolge soll Rosenstein einem Memo des früheren FBI-Vizechefs Andrew McCabe zufolge zum einen darüber sinniert haben, den Präsidente­n heimlich mit einer „Wanze“abhören zu lassen. Und zum anderen soll er auch versucht haben, Anhänger für eine Amtsentheb­ung Trumps nach dem 25. Verfassung­szusatz zu rekrutiere­n. Dieser Paragraf sieht vor, dass das Kabinett über eine Entlassung eines Präsidente­n befinden kann, wenn der Eindruck einer Amtsunfähi­gkeit durch geistige oder körperlich­e Beeinträch­tigungen besteht.

Rosenstein versuchte den so explosiven Bericht nun mit der Erklärung zu entschärfe­n, seine Bemerkunge­n seien lediglich sarkastisc­h gemeint gewesen. Doch Trump dürfte dies, das zeigten seine ersten Twitter-Reaktionen, als Teil einer Verschwöru­ngskampagn­e innerhalb der Justiz und des FBI sehen. Ein Feuern von Rosenstein kann die Opposition jedoch auch als MeisterArg­ument im Wahlkampf ver- wenden – und Trump vorwerfen, er habe damit die ihm lästigen Ermittlung­en über eine mögliche Kooperatio­n mit Moskau zu Lasten Hillary Clintons abwürgen wollen.

Unter Kongressmi­tgliedern der Republikan­er ist deshalb ein Abschied Trumps von Rosenstein höchst umstritten. Holt Trump wirklich am Donnerstag die Axt heraus? Der Präsident hält sich bisher bedeckt, was seine Absicht angeht. Er müsse erst „alle Fakten“erfahren, bevor er entscheide, so der sonst gern impulsive Trump am Montagaben­d in einem Radiointer­view. Durchaus denkbar deshalb, dass er am ungeliebte­n Vize-Justizmini­ster bis nach den Kongresswa­hlen am 6. November festhält. Justizmini­ster Jeff Sessions hatte sich ja – sehr zum Ärger Trumps – als nicht zuständig für die Russland-Ermittlung­en erklärt und die Verantwort­ung in Rosenstein­s Schoß gelegt.

Trifft Trump also am Donnerstag Rosenstein, ohne dass dieser seinen Job verliert oder das Handtuch wirft, während die Anhörungen von Kavanaugh und Ford live übertragen laufen: Es wäre tatsächlic­h ein maximales Ablenkungs­manöver, ohne dass am Ende Blut fließt.

 ??  ?? Autor dieses Beitrages ist Friedemann Diederichs. Der Washington-Korrespond­ent berichtet für diese Zeitung von der US-Politik. @ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de
Autor dieses Beitrages ist Friedemann Diederichs. Der Washington-Korrespond­ent berichtet für diese Zeitung von der US-Politik. @ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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