Rotarzt-Einsatz per Videochat
M 4 mediziner aus dem Klinikum rund um die Uhr erreichbar
Beim Bereitschaftsdienst geht es nicht bei jedem Anruf es um Leben und Tod. Im Modellprojekt wird der Arzt per Video zugeschaltet.
OLDE!BURG/BERNE/DELMENHORST – „Ich muss zugeben, ich war zunächst skeptisch.“Dennis Heidenreich fährt seit 17 Jahren im Rettungswagen Einsätze in der Region. Jetzt nimmt der Notfallsanitäter an einem Modellprojekt zur Telemedizin des Klinikums Oldenburg, der JohanniterUnfallhilfe und der Kassenärztlichen Vereinigung teil – und ist nun zu manchen Patienten nicht mehr im Rettungswagen unterwegs, sondern im Auto. Ausgestattet ist er dabei mit einem Gerät für telemedizinische Untersuchungen und einem TabletPC.
ARZT AUF ANFRAGE
Wer in Delmenhorst seit dem 1. Juli diesen Jahres von Freitagabend bis Montagfrüh die Nummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes wählt ( 116117), landet in der Telefonzentrale der Johanniter-Unfall-Hilfe. Dort wird eingeschätzt, ob ein Hausbesuch bei dem Patienten ausreicht oder der Einsatz eines Rettungswagens nötig ist.
Ist Ersteres der Fall, macht sich eine examinierte medizinische Fachkraft auf den Weg zum Anrufer – so wie Dennis Heidenreich. Er nimmt bei seinem Besuch eine erste Einschätzung beim Patienten vor und kann gegebenenfalls einen Arzt hinzuziehen. Dafür nimmt er über einen Videochat Kontakt zu Notfallmedizinern im Klinikum Oldenburg auf. Auch die Vitaldaten des Kranken kann er – mit dessen Einverständnis – direkt dorthin übermitteln.
24 STUNDEN BESETZT
An dieser Stelle kommen Dr. Daniel Overheu, Ärztlicher Leiter für Telemedizin im Klinikum Oldenburg, und seine Kollegen ins Spiel. Angesiedelt in der Universitätsklinik für Anästhesie, ist die Telemedizin-Zentrale rund um die Uhr besetzt. „Wir können die Vitaldaten der Patienten zeitgleich hier bei uns verfolgen und uns per Videoübertragung ein Bild von dem Patienten machen“, erklärt Overheu. Gleichzeitig können die Patienten Fragen an den Arzt stellen. Gemeinsam wird dann die weitere Behandlung besprochen.
32 Einsätze hat das Team seit dem Start des Projektes absolviert. Und die Skepsis bei Dennis Heidenreich hat sich schnell gelegt. „Die Menschen reagieren bisher sehr positiv“, erzählt er. „Sie sind froh, dass jemand da ist und sich um sie kümmert.“Nicht selten käme es vor, dass zu Patienten, die gar nicht lebensbedrohlich erkrankt sind, ein Rettungswagen ausrückt. „Es gab zum Beispiel den Fall, dass jemand mit Fieber behandelt wurde und woanders hatte ein Mensch einen Herzinfarkt“, sagt Heidenreich. Solche Engpässe könnten mit der neuen Aufgabenaufteilung verhindert werden.
PATIENTEN AUF SEE
Durch die Telemedizin soll die Versorgung von Patienten auf dem Land verbessert werden – dort sind fehlende Ärzte ein großes Problem. Und dass die Behandlung per Internet funktioniert, haben die Telemediziner aus dem Klinikum Oldenburg bereits unter Beweis gestellt.
„Was 100 Kilometer weit weg auf dem Meer funktioniert, funktioniert auch auf dem Land“, sagt Daniel Overheu. Schon seit Jahren betreut das Telemedizin-Team gemeinsam mit den Berner Johannitern die medizinische Versorgung von Arbeitern in Windparks in Nord- und Ostsee. Auch hier werden die Vitaldaten der Patienten mit modernen Geräten direkt ins Klinikum zum diensthabenden Mit modernen Geräten werden die Daten übertragen.
Arzt übertragen. Dieser kann dann Anweisungen zur Behandlung oder Medikamentengabe geben. Mit einer Kamera, die der Ersthelfer am Körper trägt, werden zudem Live-Bilder übertragen. 18 Einsätze im Monat gab es zuletzt.
Wie auch an Land ist hier nicht jeder Fall ein lebensbedrohlicher Notfall. „Wir werden auch wegen vereiterter Mandeln konsultiert“, erklärt Overheu. Ebenso könne beim Modellprojekt „116117“den meisten Patienten zu Hause geholfen werden – nach ersten Erfahrungen sogar 85 Prozent.
Damit die Telemedizin auf dem Land erfolgreich funktioniert, sind stabile Internetund Mobilfunkverbindungen unverzichtbar. Dafür will sich die Bundestagsabgeordnete Astrid Grotelüschen (CDU) einsetzen. Das sagte sie bei einem Besuch bei den Johannitern in Berne zu.