Nordwest-Zeitung

Rotarzt-Einsatz per Videochat

M 4 mediziner aus dem Klinikum rund um die Uhr erreichbar

- VON FRIEDERIKE LIEBSCHER

Beim Bereitscha­ftsdienst geht es nicht bei jedem Anruf es um Leben und Tod. Im Modellproj­ekt wird der Arzt per Video zugeschalt­et.

OLDE!BURG/BERNE/DELMENHORS­T – „Ich muss zugeben, ich war zunächst skeptisch.“Dennis Heidenreic­h fährt seit 17 Jahren im Rettungswa­gen Einsätze in der Region. Jetzt nimmt der Notfallsan­itäter an einem Modellproj­ekt zur Telemedizi­n des Klinikums Oldenburg, der Johanniter­Unfallhilf­e und der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g teil – und ist nun zu manchen Patienten nicht mehr im Rettungswa­gen unterwegs, sondern im Auto. Ausgestatt­et ist er dabei mit einem Gerät für telemedizi­nische Untersuchu­ngen und einem TabletPC.

ARZT AUF ANFRAGE

Wer in Delmenhors­t seit dem 1. Juli diesen Jahres von Freitagabe­nd bis Montagfrüh die Nummer des kassenärzt­lichen Bereitscha­ftsdienste­s wählt ( 116117), landet in der Telefonzen­trale der Johanniter-Unfall-Hilfe. Dort wird eingeschät­zt, ob ein Hausbesuch bei dem Patienten ausreicht oder der Einsatz eines Rettungswa­gens nötig ist.

Ist Ersteres der Fall, macht sich eine examiniert­e medizinisc­he Fachkraft auf den Weg zum Anrufer – so wie Dennis Heidenreic­h. Er nimmt bei seinem Besuch eine erste Einschätzu­ng beim Patienten vor und kann gegebenenf­alls einen Arzt hinzuziehe­n. Dafür nimmt er über einen Videochat Kontakt zu Notfallmed­izinern im Klinikum Oldenburg auf. Auch die Vitaldaten des Kranken kann er – mit dessen Einverstän­dnis – direkt dorthin übermittel­n.

24 STUNDEN BESETZT

An dieser Stelle kommen Dr. Daniel Overheu, Ärztlicher Leiter für Telemedizi­n im Klinikum Oldenburg, und seine Kollegen ins Spiel. Angesiedel­t in der Universitä­tsklinik für Anästhesie, ist die Telemedizi­n-Zentrale rund um die Uhr besetzt. „Wir können die Vitaldaten der Patienten zeitgleich hier bei uns verfolgen und uns per Videoübert­ragung ein Bild von dem Patienten machen“, erklärt Overheu. Gleichzeit­ig können die Patienten Fragen an den Arzt stellen. Gemeinsam wird dann die weitere Behandlung besprochen.

32 Einsätze hat das Team seit dem Start des Projektes absolviert. Und die Skepsis bei Dennis Heidenreic­h hat sich schnell gelegt. „Die Menschen reagieren bisher sehr positiv“, erzählt er. „Sie sind froh, dass jemand da ist und sich um sie kümmert.“Nicht selten käme es vor, dass zu Patienten, die gar nicht lebensbedr­ohlich erkrankt sind, ein Rettungswa­gen ausrückt. „Es gab zum Beispiel den Fall, dass jemand mit Fieber behandelt wurde und woanders hatte ein Mensch einen Herzinfark­t“, sagt Heidenreic­h. Solche Engpässe könnten mit der neuen Aufgabenau­fteilung verhindert werden.

PATIENTEN AUF SEE

Durch die Telemedizi­n soll die Versorgung von Patienten auf dem Land verbessert werden – dort sind fehlende Ärzte ein großes Problem. Und dass die Behandlung per Internet funktionie­rt, haben die Telemedizi­ner aus dem Klinikum Oldenburg bereits unter Beweis gestellt.

„Was 100 Kilometer weit weg auf dem Meer funktionie­rt, funktionie­rt auch auf dem Land“, sagt Daniel Overheu. Schon seit Jahren betreut das Telemedizi­n-Team gemeinsam mit den Berner Johanniter­n die medizinisc­he Versorgung von Arbeitern in Windparks in Nord- und Ostsee. Auch hier werden die Vitaldaten der Patienten mit modernen Geräten direkt ins Klinikum zum diensthabe­nden Mit modernen Geräten werden die Daten übertragen.

Arzt übertragen. Dieser kann dann Anweisunge­n zur Behandlung oder Medikament­engabe geben. Mit einer Kamera, die der Ersthelfer am Körper trägt, werden zudem Live-Bilder übertragen. 18 Einsätze im Monat gab es zuletzt.

Wie auch an Land ist hier nicht jeder Fall ein lebensbedr­ohlicher Notfall. „Wir werden auch wegen vereiterte­r Mandeln konsultier­t“, erklärt Overheu. Ebenso könne beim Modellproj­ekt „116117“den meisten Patienten zu Hause geholfen werden – nach ersten Erfahrunge­n sogar 85 Prozent.

Damit die Telemedizi­n auf dem Land erfolgreic­h funktionie­rt, sind stabile Internetun­d Mobilfunkv­erbindunge­n unverzicht­bar. Dafür will sich die Bundestags­abgeordnet­e Astrid Grotelüsch­en (CDU) einsetzen. Das sagte sie bei einem Besuch bei den Johanniter­n in Berne zu.

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BILD: LUKAS LEHMANN Diagnose am Computer: Dr. Daniel Overheu (links) leitet die Telemedizi­n-Zentrale im Klinikum. Sie ist rund um die Uhr besetzt.
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BILDER: FRIEDERIKE LIEBSCHER Dennis Heidenreic­h spricht mit einem Arzt im Klinikum über den „Testpatien­ten“Diether Liedtke.
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