Hochkarätige Musik auf hohem Niveau interpretiert
Oldenburger Kammerchor trifft mit „Lob und Klage“auch das Herz der Zuhörer
EVERSTEN – Die erklingende Musik, so der Leiter des Oldenburger Kammerchores, Johannes von Hoff, in einer kurzen Ansprache in der Ansgari-Kirche, solle nicht nur ins Ohr, sondern auch ins Herz gelangen. Mit „Lob und Klage“übertitelt, sang der Kammerchor hochkarätige A-Cappella-Chormusik aus den letzten 400 Jahren auf hohem interpretatorischen Niveau.
Lob und Klage sind gewiss allgemein menschliche Reaktionsweisen auf das Leben überhaupt. Große Kunst, hier die Musik, sucht, diesen allgemein menschlichen Inhalten eine angemessene Form zu leihen. Streng geformtes Lob und streng geformte Klage greifen Individuelles auf, verwandeln es aber in etwas Allgemeines, auch nach Jahrhunderten noch Berührendes.
Am Anfang des auch programmatisch genau durchdachten Konzertes standen ein Lob- und ein Trauerpsalm aus der „Geistlichen Chormusik 1648“von Heinrich Schütz. Nach 30 Jahren schrecklichem Krieg und dem kaum mehr absehbaren, dann doch eingetretenem, Friedensschluss aus Erschöpfung aller Kräfte standen Klage über das Geschehen und Lob für Gottes unergründlichen Ratschluss gewiss bei vielen Zeitgenossen nah beieinander, ja, vermischten sich.
In seinem gewaltigen Werk greift Heinrich Schütz diese Erfahrung in 29 Motetten auf, wovon die fünfstimmige „Die mit Thränen säen“und die sechsstimmige „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“in mustergültigen, sauber intonierten, sehr gut einstudierten, rundum textverständlichen, stimmlich gut ausbalancierten und flexibel aufs fordernde Dirigat reagierenden Interpretationen erklangen. Von Natur aus reagiert ein 30- köpfiger Kammerchor schneller und sauberer als ein Großchor. Genau das machte den besonderen Reiz des Konzertes aus: fließende Deklamationen, Farbigkeit, Transparenz.
Nicht nur die einzelnen Werke waren mustergültig geformt, auch der formale Aufbau des Konzertes bestach durch Stringenz: So folgten auf die Motetten von Schütz Kyrie (Klage!) und Gloria (Lob!) aus der Messe für zwei Chöre a cappella von Frank Martin und das Lamento für Orgel des 1940, zwei Tage vor dem Waffenstillstand bei Saumur, gefallenen Jehan Alain. Diese formale Abfolge von mehrstimmigen Motetten, Kyrie und Gloria aus einer Messe und intermittierendes Orgelwerk (an der Orgel: Natalia Gvozdkova) wiederholte sich dreimal.
Alle Werke waren absolut hörenswert, aber neben den Schütz-Motetten und drei Motetten aus dem „Israelsbrünnlein“von Johann Hermann Schein stach das eher unbekannte „Herr, wie lange“von Georg Schumann hervor durch seine spätestromantische Wärme und Zartheit, durch melodischen Reichtum und einem äußerst subtilen Schwanken zwischen Verhaltenheit und Ekstatik. Das 80minütige Konzert endete mit langem Applaus für die Chorleistung sowie die gelungene Evokation von Lob und Klage.