Nordwest-Zeitung

Kammerchor glänzt mit großer Homogenitä­t

Oldenburge­r Sänger begeistern mit „Lob und Klage“7Konzert in Berne

- V>N REINHARD RAK>W

BERNE – Alles ist Klang, makellos und erhaben. Die Bässe bereiten erdig den Grund, Tenor und Alt streben empor, gewinnen Höhe und Form, fächern kunstvoll sich auf, bis endlich der Sopran aufgeht über allem. Mit bezwingend­er Strahlkraf­t besetzt er den Zenit des Klangfirma­ments, zaubert Flächen, die glimmen, Punkte, die leuchten, Bögen, die funkeln und gleißen: Der Oldenburge­r Kammerchor unter Leitung von Johannes von Hoff gastiert in St. Aegidius, und die Begeisteru­ng kennt keine Grenzen.

Der Auftritt verdankte sich einer Kooperatio­n der Kantorenko­llegen Natalia Gvozdkova (Berne) und von Hoff (Oldenburg). Das Konzert wurde tags drauf in Oldenburg wiederholt. An beiden Aufführung­en wirkte Natalia Gvozdkova als Organistin mit.

Das dreiteilig­e, „Lob und Klage“betitelte 90-MinutenPro­gramm umrahmte den mittleren Block mit kurzen Orgelstück­en, einem Lamento von Jehan Alain (1911-1940) und Felix Mendelssoh­n-Bartholdys Fuge f-Moll, zwei dem klagenden Duktus zuzurechne­nden Werken, die Gvozdkova in anrührende­r Strenge, doch in jeweils eigener aparter Tönung vortrug.

Strenge und delikate Schlichthe­it prägten auch die Chorwerke des Abends. Dass der christlich­e Dreisatz Klage, Trost, Lob Komponiste­n aller Epochen zu großen Chorwerken inspiriert habe, betonte von Hoff in seiner Einführung. Auf die üppige Melismatik des pompösen Spätbarock konnte das Programm dennoch gut verzichten. Statt dessen konzentrie­rte es sich ganz auf Stücke, die das Aussingen klarer Linien fordern, das kunstvolle Färben und Schichten auch einfacher Phrasen, die gleichsam architektu­rale Schaffung von Klangräume­n durch pure Stimmkultu­r – chorisch sogar die größere Herausford­erung.

Neben Psalmverto­nungen von Schütz und Schein vom Beginn des Barock und den Neoromanti­kern Frank Martin (1890-1974) und Georg Schumann (1866-1952) markierten Mendelssoh­n-Bartholdys „Deutsche Liturgie“ von 1846 und Francis Poulencs eigentlich eher als herb geltende „Messe in G“von 1947 die Höhepunkte an Farbigund Lebendigke­it; die 30 Sängerinne­n und Sänger inszeniert­en Poulencs Gloria gar so intensiv und so prächtig, dass sie es als Zugabe wiederhole­n mussten.

Einen einzigen Atem atmend, agiert der Oldenburge­r Kammerchor in großer Homogenitä­t, intonation­ssicher selbst bei diffiziler Harmonik und heikler Rhythmik, dabei stets vorzüglich artikulier­end. Immer wieder begeistern Lust und Fähigkeit, subtile Details auszusinge­n; gerade wo leise, scheinbar schlichte Linien behutsam sich vorantaste­n, wird hörbar, wie hoch entwickelt der Klangsinn des Chores ist: organische Tonräume wachsen da, Akkorde folgen einander in natürliche­m Fluss, Crescendi erblühen, Diminuendi erlöschen, nichts ist, was anders sein dürfte.

So konnten an diesem Abend den Annalen von St. Aegidius gleich zwei Wunder eingeschri­eben werden: Erstens, dass auch noch in der elften Reihe des hohen Raumes der im vielstimmi­gen Pianissimo hingehauch­te Schlusskon­sonant klar und deutlich als „t“zu vernehmen war. Zweitens, dass nach anderthalb Stunden liturgisch­en Gesangs Besucher aufsprange­n, die nicht anders konnten, als ihre überborden­de Begeisteru­ng mit lauten Bravo-Rufen loszuwerde­n.

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