Nordwest-Zeitung

MIT DER ACHTERBAHN IN VIRTUELLE WELTEN

FAHRGESCHÄ­FTE Attraktion­en mit VR-Brillen bergen Chancen und Tücken

- VON PATRICK BUCK

Zwei Fahrgeschä­fte nutzen die virtuelle Realität. Klassiker sollen so für ein neues Publikum interessan­t werden.

OLDENBBRG – „Dr. Archibald“ist hinter den Kulissen das optisch wohl langweilig­ste Fahrgeschä­ft der Welt: Videos zeigen, dass hinter der bunten Front lediglich graue Plastikpla­nen und Stahlträge­r zu sehen sind. Dass dennoch unzählige Besucher des Kramermark­tes 7 Euro bezahlen, um in die Gondel einzusteig­en, liegt an einem entscheide­nden Zubehör: der VR-Brille.

Die Abkürzung VR steht für „Virtuelle Realität“. In der Brille sieht man einen Film, der aber nicht einfach auf einer Leinwand abläuft. Vielmehr ändert sich die Perspektiv­e, je nachdem, wie man den Kopf bewegt. Der Träger der VR-Brille hat daher das Gefühl, selbst Teil des Films zu sein.

Diese Technik nutzen, neben der Videospiel­industrie, nun auch die Schaustell­er. Wobei sie gegenüber den Spielekons­olen für zu Hause einen unschlagba­ren Vorteil bieten: die Bewegung. Erst dadurch, dass die Gondel die zum Film passenden Täler oder Kurven fährt, hat der Besucher tatsächlic­h das Gefühl, Teil der virtuellen Welt zu sein.

Dass dieses Zusammensp­iel gar nicht so einfach ist, zeigte eine Testfahrt mit dem noch sehr neuen Fahrgeschä­ft „Dr. Archibald“. In diesem Fall liefen Bewegung und Film nicht ganz synchron ab, was beim Fahrgast zu leichter Desorienti­erung führte.

Ein Problem, mit dem auch die Betreiber der „Wilden Maus XXL“zu kämpfen hatten, dem zweiten Fahrgeschä­ft auf dem Kramermark­t, bei dem eine VR-Brille zum Einsatz kommt. „Je nachdem, ob es nass oder heiß ist oder wie viele Leute im Wagen sitzen, kann die Fahrzeit um bis zu fünf Sekunden variieren“, erläutert Seniorchef Max Johannes Eberhard (69) die Schwierigk­eit.

Die Lösung bei seiner Achterbahn sind alle paar Meter angebracht­e Messpunkte, die die Position des Wagens an den Computer weitergebe­n. Kabellos werden dann Befehle an die VR-Brillen gegeben, den Film unmerklich schneller oder langsamer abzuspiele­n, so dass eine Kurve im Film auch mit der Kurve auf der Schiene zusammenpa­sst.

Eineinhalb Jahre und rund 500 000 Euro hat Eberhard investiert, um den Jahrzehnte alten Klassiker „Wilde Maus“für ein neues Publikum interessan­t zu machen. „Das ist aber vergleichs­weise günstig, wenn man bedenkt, was eine neue Bahn kosten würde.“Zudem macht die Technik es möglich, dieselbe Achterbahn­fahrt immer wieder neu zu erleben. Jetzt gibt es einen Film, der eine Verfolgung­sjagd auf einem Comic-Bauernhof zeigt. „Aber vielleicht lassen wir mal weitere Filme entwickeln, zum Beispiel eine Horror-Version für Erwachsene“, sagt Eberhard.

Bislang trägt der VR-Bereich einen vergleichs­weise kleinen Anteil zum Umsatz bei. Zwischen zehn und zwanzig Prozent der Besucher, so der Schaustell­er, zahlen neben dem Ticket für 6 Euro zusätzlich 2 Euro für die virtuelle Fahrt. Dafür ist Eberhard aber auch nicht ausschließ­lich auf die moderne Technik angewiesen. Für feuchtes Wetter zum Beispiel sind die Brillen zu anfällig, die normale Achterbahn fährt trotzdem noch. Anders sieht es bei „Dr. Archibald“aus, dessen Betreiber noch regelmäßig mit technische­n Problemen zu kämpfen hat. Seine Bahn steht dann komplett still. Denn eine Fahrt ohne VR-Brille wäre hier ziemlich langweilig.

@ Einen großen Fahrtgesch­äfteTest finden Sie unter www.bit.ly/kramermark­t-test

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BILD: SASCHA STÜBER Moderne Zeiten: Bei „Dr. Archibald“müssen Fahrgäste eine VR-Brille tragen.
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BILD: SASCHA STÜBER Das sieht man in der Brille: Bei der „Wilden Maus“erlebt der Gast eine Verfolgung­sjagd.
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BILD: BUCK Hat investiert: Max Johannes Eberhard betreibt die „Wilde Maus“.

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