MIT DER ACHTERBAHN IN VIRTUELLE WELTEN
FAHRGESCHÄFTE Attraktionen mit VR-Brillen bergen Chancen und Tücken
Zwei Fahrgeschäfte nutzen die virtuelle Realität. Klassiker sollen so für ein neues Publikum interessant werden.
OLDENBBRG – „Dr. Archibald“ist hinter den Kulissen das optisch wohl langweiligste Fahrgeschäft der Welt: Videos zeigen, dass hinter der bunten Front lediglich graue Plastikplanen und Stahlträger zu sehen sind. Dass dennoch unzählige Besucher des Kramermarktes 7 Euro bezahlen, um in die Gondel einzusteigen, liegt an einem entscheidenden Zubehör: der VR-Brille.
Die Abkürzung VR steht für „Virtuelle Realität“. In der Brille sieht man einen Film, der aber nicht einfach auf einer Leinwand abläuft. Vielmehr ändert sich die Perspektive, je nachdem, wie man den Kopf bewegt. Der Träger der VR-Brille hat daher das Gefühl, selbst Teil des Films zu sein.
Diese Technik nutzen, neben der Videospielindustrie, nun auch die Schausteller. Wobei sie gegenüber den Spielekonsolen für zu Hause einen unschlagbaren Vorteil bieten: die Bewegung. Erst dadurch, dass die Gondel die zum Film passenden Täler oder Kurven fährt, hat der Besucher tatsächlich das Gefühl, Teil der virtuellen Welt zu sein.
Dass dieses Zusammenspiel gar nicht so einfach ist, zeigte eine Testfahrt mit dem noch sehr neuen Fahrgeschäft „Dr. Archibald“. In diesem Fall liefen Bewegung und Film nicht ganz synchron ab, was beim Fahrgast zu leichter Desorientierung führte.
Ein Problem, mit dem auch die Betreiber der „Wilden Maus XXL“zu kämpfen hatten, dem zweiten Fahrgeschäft auf dem Kramermarkt, bei dem eine VR-Brille zum Einsatz kommt. „Je nachdem, ob es nass oder heiß ist oder wie viele Leute im Wagen sitzen, kann die Fahrzeit um bis zu fünf Sekunden variieren“, erläutert Seniorchef Max Johannes Eberhard (69) die Schwierigkeit.
Die Lösung bei seiner Achterbahn sind alle paar Meter angebrachte Messpunkte, die die Position des Wagens an den Computer weitergeben. Kabellos werden dann Befehle an die VR-Brillen gegeben, den Film unmerklich schneller oder langsamer abzuspielen, so dass eine Kurve im Film auch mit der Kurve auf der Schiene zusammenpasst.
Eineinhalb Jahre und rund 500 000 Euro hat Eberhard investiert, um den Jahrzehnte alten Klassiker „Wilde Maus“für ein neues Publikum interessant zu machen. „Das ist aber vergleichsweise günstig, wenn man bedenkt, was eine neue Bahn kosten würde.“Zudem macht die Technik es möglich, dieselbe Achterbahnfahrt immer wieder neu zu erleben. Jetzt gibt es einen Film, der eine Verfolgungsjagd auf einem Comic-Bauernhof zeigt. „Aber vielleicht lassen wir mal weitere Filme entwickeln, zum Beispiel eine Horror-Version für Erwachsene“, sagt Eberhard.
Bislang trägt der VR-Bereich einen vergleichsweise kleinen Anteil zum Umsatz bei. Zwischen zehn und zwanzig Prozent der Besucher, so der Schausteller, zahlen neben dem Ticket für 6 Euro zusätzlich 2 Euro für die virtuelle Fahrt. Dafür ist Eberhard aber auch nicht ausschließlich auf die moderne Technik angewiesen. Für feuchtes Wetter zum Beispiel sind die Brillen zu anfällig, die normale Achterbahn fährt trotzdem noch. Anders sieht es bei „Dr. Archibald“aus, dessen Betreiber noch regelmäßig mit technischen Problemen zu kämpfen hat. Seine Bahn steht dann komplett still. Denn eine Fahrt ohne VR-Brille wäre hier ziemlich langweilig.
@ Einen großen FahrtgeschäfteTest finden Sie unter www.bit.ly/kramermarkt-test