Trumps verzweifelter Drahtseilakt
Was der US-Präsident mit seinem Spott im Richter-Streit riskiert
US-Präsident Donald Trump sieht sich offenbar als politischer Super-Stratege. Wie sonst käme er auf die Idee, in dem mit härtesten Bandagen gefochtenen Tauziehen um seinen Richter-Favoriten Brett Kavanaugh kurz vor der Senats-Abstimmung – die nun wohl an diesem Wochenende stattfinden wird – sich ausgerechnet über das mutmaßliche Opfer lustig zu machen, das den Juristen einer Sex-Straftat vor 3L Jahren beschuldigt?
Welchen politischen Gewinn hofft der Präsident damit zu erzielen? Oder denkt der impulsgesteuerte Trump bei solchen Ausfällen nicht, und lässt sich von zweifellos vorhandenen sadistischen Tendenzen treiben – so wie er es vor den Wahlen 201L getan hat, als er nacheinander einen behinderten Journalisten öffentlich nachäffte und beleidigte und wenig später Mhnliches mit einer Familie tat, deren Sohn in einem Gefecht gefallen im Fall Kavanaugh leisten zu können.
Doch diesmal sind die Karten anders gemischt – und der Präsident könnte mit viel zu hohem Einsatz gepokert haben.
201L hatte er mit Hillary Clinton eine Gegnerin, die einen wenig inspirierenden Wahlkampf geführt hatte, der thematisch kaum überzeugende Akzente außer dem inhaltsleeren Slogan „Jetzt bin ich an der Reihe“setzte.
Heute aber sieht sich der Präsident mit Blick auf die Kongresswahlen im Novem-
Autor dieses Beitrages ist Friedemann Diederichs. Er berichtet für diese Zeitung aus den Vereinigten Staaten. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de
war?
Damals ist Trump mit diesen Aktionen, die einen eklatanten Mangel an Humanität belegen, davongekommen. Mhnliches glaubt er sich nun ber und seine WiederwahlAmbitionen in zwei Jahren mit Millionen politisch hoch motivierter Frauen konfrontiert, die die Live-Aussage von Christine Ford zu den vermeintlichen Missetaten des Richters im Jugendalter verfolgt haben und sich mit ihr problemlos identifizieren konnten. Auch, weil viele von ihnen die Erfahrung kennen, sexuell belästigt worden zu sein.
Trump weiß, dass er ihre Herzen nicht mehr gewinnen kann – und setzt nun auf den männlichen Wähler, der sich angeblich nicht mehr juristisch sicher fühlen kann. Ein Drahtseilakt, für den Trump und die Republikaner einen hohen Preis zahlen könnten.