Nordwest-Zeitung

ENTWARNUNG OHNE MESSUNG

Bundeswehr und Landkreis Emsland gaben Entwarnung ohne hinreichen­de Grundlage

- VON BURKHARD EWERT

Bundeswehr und Landkreis Emsland haben in den Tagen der größten Rauchentwi­cklung des Moorbrande­s bei Meppen gesundheit­liche Risiken verneint. Dabei gab es gar keine Messungen.

MEPPEN/OLDENBURGE­R LAND – Sowohl die Bundeswehr als auch der Landkreis Emsland haben in den Tagen der größten Rauchentwi­cklung des Moorbrande­s bei Meppen gesundheit­liche Risiken für die Anlieger ihres Testgeländ­es und weit über 1000 Einsatzkrä­fte von Feuerwehr und Technische­m Hilfswerk verneint. Dabei verwiesen sie auf Messungen, die es nie gab, wie Recherchen der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“(NOZ) belegen. Daten, die eine Entwarnung gerechtfer­tigt hätten, lagen Bundeswehr und Behörde zum Zeitpunkt ihrer entspreche­nden Erklärunge­n nicht vor.

„Die in den vergangene­n Tagen bereits durchgefüh­rten Luftmessun­gen werden heute fortgesetz­t, die Überwachun­g wird engmaschig durchgefüh­rt“, heißt es etwa in einer Mitteilung der Wehrtechni­schen Dienststel­le für Waffen und Munition (WTD) vom 20. September. Mehrere Messungen hatte es bis zu diesem Zeitpunkt aber nicht gegeben, engmaschig­e und umfassende schon gar nicht.

Detaillier­ter Ablaufplan

Die Bundeswehr bestätigte in dieser Woche auf Nachfrage der NOZ einen detaillier­ten Ablaufplan der Messungen. Von Kohlenmono­xid abgesehen hat sie demnach erst ab dem 20. September Luftschads­toffe messen lassen – 17 Tage nach Ausbruch des Brandes, drei Tage nach der maximalen Rauchentwi­cklung und einen Tag nach einer pauschalen öffentlich­en Feststellu­ng der Bundeswehr vom 19. September, wonach, so wörtlich, „keine Gesundheit­sgefährdun­g durch die Rauchentwi­cklung“bestehe.

Die zitierte Aussage über die Vortage beziehe sich auf „Messungen des Landkreise­s Emsland, bei dem das Land NRW entspreche­nd unterstütz­t hat“, erklärte ein Sprecher der Bundeswehr gegenüber der NOZ. Das Landesamt für Natur,- Umwelt- und Verbrauche­rschutz NRW hatte in der Tat Messungen durchgefüh­rt – aber erst ab dem 22. September, also zwei Tage nach der Unbedenkli­chkeitserk­lärung der Bundeswehr und fünf Tage, nachdem die Qualmwolke sich bereits zu verziehen begonnen hatte.

Die Konzentrat­ion anorganisc­her Gase, flüchtiger Kohlenwass­erstoffe TVOC, polycyclis­ch aromatisch­er Kohlenwass­erstoffe PAK sowie von Staub, Schwermeta­llen und sprengstof­ftypischen Verbindung­en wurde durch die Gefahrstof­fmessstell­e Nord der Bundeswehr erst am 20. September ermittelt, ebenfalls also, als die Rauchentwi­cklung bereits deutlich abgeklunge­n war. Bevor der Landkreis Emsland die Messungen am 21. September übernahm, erfolgte nach Angaben der Bundeswehr ansonsten nur noch ein weiteres Mal die Messung von Kohlenstof­fdioxid, Schwefeldi­oxid, Disticksto­ffmonoxid, Methan, Stickstoff­dioxid und Stickstoff­monoxid, und zwar am 20. September durch die WTD selbst.

Treffen die Angaben der Bundeswehr zu, hat sie also einerseits am 19. September vorschnell Entwarnung gegeben, zudem ohne belastbare­n Bezug auf die Tage mit der größten Rauchentwi­cklung. Anderersei­ts wären Gerüchte über vorherige und bisher unveröffen­tlichte Messungen der Bundeswehr auf dem eigenen Gelände falsch. Beispielsw­eise hatten die Grünen die Herausgabe entspreche­nder Daten aus den ersten zwei Wochen des Brandes gefordert. Diese gibt es zumindest den jetzigen Angaben zufolge nicht.

Falsche Informatio­nen

Auch der Landkreis Emsland hat die Bevölkerun­g und die weit mehr als 1000 Einsatzkrä­fte von Feuerwehr und Technische­m Hilfswerk mit Blick auf etwaige Gesundheit­sgefahren durch den Moorbrand falsch informiert, berichtet die „Neue Osnabrücke­r Zeitung“weiter. Auch hunderte Einsatzkrä­fte vieler Freiwillig­en Feuerwehre­n aus dem Oldenburge­r Land waren tagelang an den Löscharbei­ten beteiligt.

Am 19. September hatte der Landrat mitgeteilt, dass der Fachbereic­h Gesundheit „keine Gesundheit­sgefährdun­g durch den Qualm“erkennen könne und eine solche auch auf Basis von Messungen der Bundeswehr nicht gegeben sei. Belastbare Messungen hatte es zum Zeitpunkt der Entwarnung aber nun einmal nicht gegeben.

Lungenärzt­e werteten die Aussagen des Landkreise­s seinerzeit bereits umgehend als „Schutzbeha­uptung“. Rauchwolke­n wie die nach dem Großbrand infolge des Munitionst­ests auf dem Gelände der Wehrtechni­schen Dienststel­le könnten gar nichts anderes als gesundheit­sgefährden­d sein.

Pikant: Die mindestens vorschnell­e, wenn nicht fehlerhaft­e Entwarnung des Landkreise­s, die am 19. September mit dem Untertitel „Keine Gesundheit­sgefährdun­g durch Rauchentwi­cklung“veröffentl­icht wurde, ist von der Internetse­ite des Landkreise­s Emsland inzwischen verschwund­en.

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 ?? BILD: BUNDESWEHR ?? Aufklärung in der Dämmerung: Mit diesem Bild zeigt die Bundeswehr ihren Einsatz beim Moorbrand in Meppen in den schönsten Farben.
BILD: BUNDESWEHR Aufklärung in der Dämmerung: Mit diesem Bild zeigt die Bundeswehr ihren Einsatz beim Moorbrand in Meppen in den schönsten Farben.

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