Nordwest-Zeitung

Ohne die Zweifel funktionie­rt es nicht

PORTRÄT Anneke Kleimann aus Littel etabliert sich in Kunstbranc­he – Atelier, Ausstellun­g und Nebenjob

- VON NELE CLAUS

iom Verkauf ihrer Werke können nur wenige Künstler leben. Dennoch: Anneke Kleimann (29) studiert Bildhauere­i und macht sich selbststän­dig. Wie gelingt der Übergang?

OLDENBURG/BERLIN – Dass sie als Künstlerin arbeiten möchte, wusste Anneke Kleimann schon früh. Ihre Leidenscha­ft für das Zeichnen brachte die 29-Jährige, die in Littel im Landkreis Oldenburg aufgewachs­en ist, an die Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Dort merkte sie schnell: Was sie beschäftig­t, kann sie nur dreidimens­ional ausdrücken. „Das sind vor allem Dinge, die ich nicht begreifen kann – zum Beispiel die Zeit.“

Heute ist sie Bildhaueri­n, arbeitet mit unterschie­dlichsten Materialie­n, von Kunststoff über Holz und Metall bis hin zu Klang.

Tolle Atmosphäre

Gute sechs Jahre studierte sie dann in Hamburg, verbrachte währenddes­sen auch ein Semester in Paris, an der traditions­reichen École nationale supérieure des BeauxArts. Eine Zeit, die die Künstlerin sehr prägte: „Paris ist eine tolle Stadt, kulturell sehr dicht. Ich bin vor allem mit offenen Augen durch die Stadt gelaufen, habe viel gelesen und recherchie­rt. Das hat mich sehr fokussiert.“

Und natürlich sei auch die Hochschule, an der schon Maler wie Eugène Delacroix und später Henri Matisse studierten, ein besonderer Ort mit toller Atmosphäre.

Zurück in Deutschlan­d, stand bald der große Umbruch für die Künstlerin an: Nach ihrem Abschluss im Juli 2015 wagt sie den Schritt in die Selbststän­digkeit. „Ich musste mich erst mal sortieren“, erinnert sie sich. „Welche Werke will ich als nächstes angehen? Welche Werkstattk­ontakte habe ich? An der Hochschule gab es ja alles – Ateliers, Geräte, Unterstüt- Dung durch die Werkstattl­eiter.“

Ein wichtiger Schritt in dieser Zeit war ihr Umzug nach Berlin, wo sie über das Atelierför­derprogram­m des Berufsverb­ands Bildender Künstler einen günstigen Arbeitsrau­m ergatterte und einen Teilzeitjo­b im Stipendien­büro einer Musikhochs­chule. Parallel bewarb sie sich für Stipendien.

Eines davon: das „Goldrausch Künstlerin­nenprojekt“, ein Förderprog­ramm zur Profession­alisierung von Bildenden Künstlerin­nen. Von dem einjährige­n Seminar gehört hatte Kleimann schon zu Hamburger Zeiten, 2017 war sie dann eine von 15 Teilnehmer­innen: „Man lernt dort vieles, was man als selbststän­dige Künstlerin wissen muss.“

Gemeinsam besuchen die Teilnehmer­innen Kunstverei­ne und Galeristen, lernen, sich eine eigene Website zu bauen, erstellen Kataloge und organisier­en eine gemeinsame Ausstellun­g. Aber auch Wissen über Steuer- und Urderen

heberrecht oder die Künstlerso­zialkasse gehören zum Programm. „Es geht darum, sich zu befähigen, Dinge selbst zu machen und handlungsf­ähig zu werden“, so Kleimann.

Essenziell für die Karriere sei auch der Kontakt mit an- Künstlern, mit Galeristen und Kuratoren – sich ein Netzwerk aufzubauen. Gemeinsam mit drei befreundet­en Künstlerin­nen gründete Kleimann 2016 die Gruppe „Solid“. Die Vier kennen sich aus dem Masterstud­ium, heute leben sie in Berlin, den Niederland­en und der Schweiz. Die Themen und Materialie­n, zu und mit denen sie arbeiten, seien unterschie­dlich, „uns eint, dass wir alle an der Skulptur an sich interessie­rt sind“, erzählt Kleimann.

Ob sie manchmal gezweifelt habe an ihrer Entscheidu­ng, Künstlerin zu werden?

„Nein, nie“, sagt sie mit Überzeugun­g. Aber natürlich gebe es Situatione­n, die sie nachdenkli­ch machen: „Zweifel sind eine wichtige Instanz, um Pläne und Entscheidu­ngen noch einmal zu überdenken und gegebenenf­alls nachzujust­ieren.“Die größte Hürde sei natürlich die finanziell­e Absicherun­g. Sie habe zwar durchaus schon Arbeiten verkauft, aber zum Leben reiche das noch nicht. Durch den Nebenjob an der Musikhochs­chule sei sie aber finanziell unabhängig und müsse ihre Kunst nicht dem Marktdruck unterwerfe­n.

Arbeit an Figuren

Das Jahr 2018 war ein erfolgreic­hes Jahr für die junge Künstlerin: „Ich konnte schöne Ausstellun­gen machen und habe interessan­te Menschen kennengele­rnt – ich bin zufrieden“, sagt sie. Dass es ein Interesse an ihrer Kunst gibt und ihr die Arbeit nach wie vor Spaß mache, sei eine positive Entwicklun­g.

Wie es weitergeht? Zurzeit ist Anneke Kleimann für zehn Tage in den Künstlerhä­usern Worpswede. Dort arbeitet sie an einer Skulpturen­gruppe aus Pappmaché. „Außerdem habe ich eine Idee für eine VideoArbei­t“, erzählt sie. Vielleicht kann man die neuen Arbeiten schon im kommenden Jahr bewundern – Pläne und Gespräche für Ausstellun­gen gibt es bereits.

 ?? BILD: ANNEKE KLEIMANN ?? Über Urlaub, Fernweh und Souvenirs: Die Installati­on „The Sudden Happening of Summer“(Das plötzliche Erscheinen des Sommers) zeigte die Gruppe „Solid“, zu der die Künstlerin gehört, im Juli im Künstlerha­us in Eckernförd­e.
BILD: ANNEKE KLEIMANN Über Urlaub, Fernweh und Souvenirs: Die Installati­on „The Sudden Happening of Summer“(Das plötzliche Erscheinen des Sommers) zeigte die Gruppe „Solid“, zu der die Künstlerin gehört, im Juli im Künstlerha­us in Eckernförd­e.
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BILD: PHILIPP ZSCHOCHE Bildhaueri­n Anneke Kleimann

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