Nordwest-Zeitung

Ein Machtmensc­h unter Druck

Für Ministerpr­äsident Markus Söder geht es nächsten Sonntag um alles

- VON VMIONCHA ELCRC

Mit viel Geschick hat der CSU-Politiker seinen alten Rivalen Seehofer ausgeboote­t. Jet8t könnte es ihm aber selbst an den Kragen gehen.

HANOVEN 9 Dlaubt man den Umfragen, dann reitet Markus Söder ein totes Pferd. Egal, was er tut oder ankündigt, welche Volten und Salti er schlägt: in den Prognosen zur Landtagswa­hl schmilzt die CSU ab. Gut möglich, dass Söder sich bald fragen lassen muss, warum der Wähler die CSU sieben Monate nach seiner Wahl zum Ministerpr­äsident auf ein gutes Drittel der Stimmen rasiert hat.

Söder stünde nicht an der Spitze des wirtschaft­lich stärksten Bundesland­es, würde er sich von Gegenwind allzu leicht bremsen lassen. Geduldiger Machtwille, sagen Freunde wie Gegner, sei eine Kerneigens­chaft des Markus Thomas Theodor Söder. Hinzu kommen Gaben, die zum Rüstzeug erfolgreic­her Politik gehören: Zähigkeit, Fleiß, eine feine Antenne für Stimmungen, dazu eine geradezu chamäleonh­afte Flexibilit­ät und eine Fähigkeit zur Selbstinsz­enierung, die ihresgleic­hen sucht. Ohne jede Scheu bringt Söder in Gesprächen unter, dass bereits seine Lehrer ihm die Fähigkeit zu höheren Weihen attestiert­en, dass er ein 1,3er-Abi schaffte und dass im Jugendzimm­er des 16-jährigen in Nürnberg keine Sportoder Musikgröße­n hingen – sondern ein Poster mit FranzJosef Strauß.

Mit 27 holt er sein erstes Direktmand­at, mit 28 wird er Landeschef der Jungen Union, mit 36 ist er Generalsek­retär. Er gilt als provokativ, rücksichts­los, zählt Talkshowau­ftritte, plädiert für das häufigere Singen der Nationalhy­mne in Klassenzim­mern und erarbeitet sich einen Ruf als „Wadlbeißer“. Der ersten Krise, dem Rücktritt seines Mentors Edmund Stoiber, begegnet er mit einem gezieltem Imagewande­l: Die Wortwahl wird staatstrag­ender, der Zeitgeist verlangt nach mehr Kümmern um die Umwelt – und Söder macht’s als Schwarzer. Unter Horst Seehofer übernimmt der vierfache Vater das Umweltmini­sterium, das er medienwirk­sam zum „Lebensmini­sterium“aufpeppt, inklusive Gesundheit, Klimaschut­z, Energie.

Söder-Krise Nummer 2 trägt den Namen Karl-Theodor zu Guttenberg, der Söder nicht nur die Show stiehlt, sondern ihm als Franke auch höhere Weihen verbaut. Denn zwei Franken in exponierte­r Position kann die mächtige Fraktion der Oberbayern nie zulassen. Das Problem löst die Plagiatsaf­färe, über die Guttenberg stürzt. Wieder erfindet sich Söder neu, plädiert nun, da sich der politische Wind gedreht hat, für den Atomaussti­eg. Lernfähig sei er, sagen seine Fans, beliebig, finden seine Gegner.

Als Vielgesich­tiger austoben und gleichzeit­ig Botschafte­n versenden kann Söder als bekennende­r Fan der fränkische­n Fastnacht. Er trat schon als „Shrek, der tollkühne Held“auf, als Gandhi, als Stoiber oder als Arbeiterki­nd Homer Simpson. Kultfigure­n müssten es sein, sagt Söder.

Gerade die vorletzte Etappe von Söders bisheriger Karriere, das Finanzmini­sterium, ist überlagert von der kompakten Feindschaf­t zweier Alphatiere. Seehofer braucht Söder, weil er weiß, dass der Laden dann läuft. Söder wiederum nutzt sein Ministeram­t, um sich eine stabile Hausmacht aufzubauen und mit einem makellosen Etat Respekt einzuheims­en. An die 90 000 Kilometer legt er jedes Jahr zurück, absolviert 1000 Termine, macht Selfies, verteilt Förderbesc­heide. Immer im Blick: Seehofers Sessel.

Den offenen Angriff scheut er, laviert zwischen Loyalität und Sticheleie­n, übt sich im Netzwerken, wohl wissend, dass in Bayern zwar eine gewisse Seehofer-Müdigkeit besteht, ein Putschist aber nicht mit Sympathien überhäuft wird. Seehofers Hinweis, Söder sei „von Ehrgeiz zerfressen“, habe einen „schlechten Charakter“und neige zu „Schmutzele­ien“, deutet an, dass aus Parteifreu­nden Intimfeind­e geworden sind. Dass Seehofer einknickt, nach Berlin flüchtet und Söder seinen Stuhl überlässt, ist das Ergebnis eines Abnützungs­kampfes, den der Jüngere und Geduldiger­e gewonnen hat.

Als Ministerpr­äsident startet Söder mit einer Fehleinsch­ätzung. Binnen kürzester Zeit präsentier­t er dem Land ein 100-Punkte-Wellnesspr­ogramm, das es in sich hat, aber viele erneut an Söders Hang zum Klotzen statt Kleckern erinnert: Bayerische Eigenheimz­ulage, bayerische­s Baukinderg­eld, Pflegeplat­zgarantie, Polizeiauf­gabengeset­z, eigene Positionie­rung beim Thema Asyl, zusätzlich­e bayerische Polizei an der Grenze. Er hängt Kruzifixe auf, erntet aber vor allem Spott. Programme wie die 700-Millionen-Euro-Offensive „Bavaria One“sollen an die sehr erfolgreic­he Standortpo­litik von Strauß anknüpfen und über gezielte Förderung von Spitzentec­hnologie in Luft- und Raumfahrt den starken Industrieu­nd Bildungsst­andort Bayern sichern und ausbauen. Im Medienecho bleibt nur Häme über „Söderchens Mondfahrt“.

Die Schuhe eines Franz-Josef Strauß könnten am Ende zu groß bleiben für Söder. Nicht nur, weil heute via Internet sofort das Schwert gezogen wird gegen alles Pointierte, gegen allzu starke Figuren oder jeden kleinen Fehler. Sondern auch, weil Söder die Macht deutlich mehr interessie­rt als der Grundsatz. Dass er sich für eine Amtszeitbe­grenzung ausgesproc­hen hat und diese für Bayern umsetzen will, war eine Konzession an den Zeitgeist, ein Stich Richtung Kanzlerin, keine Einsicht in eine Notwendigk­eit der Begrenzung von Macht. Zumal zehn Jahre als Ministerpr­äsident ja nicht das Ende einer Karriere sein müssen.

Dass der Start des Projekts Landesvate­r in einen wichtigen Wahlkampf gefallen ist, ist eine der größeren Herausford­erungen für Söder. Er, bei dem eine gewisse Kernaggres­sivität zur Grundausst­attung gehört, tritt nun pastoraler auf, rudert öfter mal zurück. Dass er trotz seiner landesväte­rlichen Gehversuch­e der alte geblieben ist, zeigen diese Tage gut. Für den Fall, das die CSU ein Debakel erlebt, hat der Spitzenkan­didat argumentat­iv schon vorgebaut: Schuld an den schlechten Umfragewer­ten, sagt er, seien die Berliner. Also Seehofer. Ob der 51-jährige Machtmensc­h seinem Widersache­r demnächst den Parteivors­itz abknöpft, ob er die Macht weiter teilen oder am Ende, etwa bei einem Ergebnis nahe 30 Prozent, selbst gehen muss – das entscheide­t der Souverän.

 ?? DPA-BILD: KNEFFEL ?? Sas wohl wird? Markus Söder (CSU), Ministerpr­äsident von Bayern, in nachdenkli­cher Stimmung
DPA-BILD: KNEFFEL Sas wohl wird? Markus Söder (CSU), Ministerpr­äsident von Bayern, in nachdenkli­cher Stimmung

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