Triumph des „Tropen-Trump“
Ultrarechter Ex-Militär Jair Bolsonaro in erster Runde weit vorn
Die Brasilianer haben die Nase voll von Korruption und Gewalt. Jair Bolsonaro verspricht, mit harter Hand durchzu6rei7en. 8ielen macht das aber auch An6st.
BRASÍLIA – Die Wutbürger Brasiliens haben dem politischen Establishment eine schallende Ohrfeige verpasst. Mit ihren Proteststimmen bereiten sie dem ultrarechten Populisten Jair Bolsonaro in der ersten Runde der Präsidentenwahl einen überwältigenden Erfolg. „Ich bin mir sicher, dass wir auch die Stichwahl gewinnen. Bis zum Sieg – so Gott will“, sagte der Ex-Militär nach der Wahl am Sonntagabend (Ortszeit).
Bolsonaro erhielt 46,03 Prozent der Stimmen, sein stärkster Konkurrent Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei kam auf 29,28 Prozent. Alle weiteren Bewerber waren weit abgeschlagen. Nun treffen Bolsonaro und Haddad am 28. Oktober in der Stichwahl wieder aufeinander. „Ich will alle Demokraten Brasiliens vereinen“, sagte Haddad. „Das Ergebnis zeigt, in welcher Gefahr sich Brasilien befindet.“
Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas steckt in einer schweren Krise. Zahlreiche Politiker sind in Korruptionsskandale verwickelt, die Wirtschaft läuft nur schleppend, und die Gewalt nimmt immer weiter zu. Mehr als 60000 Menschen wurden im vergangenen Jahr getötet – in den Favelas liefern sich Drogenbanden und die Sicherheitskräfte regelmäßig Schießereien.
Der 63-jährige Hauptmann der Reserve lobt die Militärdiktatur (1964-1985). Das Problem der Diktatur sei gewesen, „dass sie nur gefoltert, aber nicht getötet hat“, sagte er einmal. Angesichts der ausufernden Kriminalität im fünftgrößten Land der Welt kommen die Forderungen des „Trumps Brasiliens“nach einer Politik der harten Hand bei vielen Wählern gut an.
Nachdem ein geistig verwirrter Mann Bolsonaro vor einigen Wochen bei einer Wahlkampfveranstaltung mit einem Messer verletzt hatte, war sein Mythos sogar noch weiter gewachsen. Mit seinen frauenfeindlichen Sprüchen und abfälligen Bemerkungen über Afrobrasilianer polarisiert er allerdings auch sehr stark. Zuletzt hatten in mehreren Städten Tausende Menschen gegen ihn protestiert.
„Bolsonaro verunglimpft systematisch Frauen, Homosexuelle, Afrobrasilianer und Indigene. Er propagiert offen die Errichtung einer Art Militärdiktatur und die Bewaffnung der Bevölkerung“, sagt der Brasilien-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Norbert Bolte.
São Paulos früherer Bürgermeister Haddad ging für die linke Arbeiterpartei PT von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ins Rennen. Zunächst wollte der wegen Korruption zu zwölf Jahren Haft verurteilte Lula selbst antreten, dann aber untersagte ein Gericht die Bewerbung des noch immer populären Politikers. Haddad ist zwar nicht so charismatisch wie sein politischen Ziehvater, ein bisschen von seinem Glanz fällt aber auch auf ihn. Viele stimmten wohl auch für Haddad, um den Rechtspopulisten Bolsonaro zu verhindern.
Zudem geht ein tiefer Riss durch das Land. Fast religiös ist die Verehrung vieler armer Brasilianer für Ex-Präsident Lula und seine Arbeiterpartei, die sie mit milliardenschweren Sozialprogrammen aus der bittersten Armut geholt haben. In der Mittel- und Oberschicht hingegen herrscht tiefes Misstrauen gegenüber den Linken, die sich in den Boomjahren selbst die Taschen füllten.
Bolsonaro stellt sich als Anti-System-Kandidat dar, der mit dem Politzirkus nichts zu tun hat. „Ich werde den Saustall Brasília ausmisten“, verspricht er. Dabei ist der 63Jährige selbst ein Insider: Seit fast drei Jahrzehnten mischt er in der Politik mit, saß für neun verschiedene Parteien im Parlament. Nennenswerte politische Initiativen stieß er in all den Jahren nicht an. Allerdings wurde er bislang auch nie mit den großen Korruptionsskandalen in Verbindung gebracht. Vielleicht reicht das schon.