Journalistenmord rüttelt Brüssel auf
Tiefe Betroffenheit nach Tod von Viktoria Marinowa in Bulgarien
BRÜ==EL/=OFIA – Nach der Ermordung der 30-jährigen bulgarischen TV-Moderatorin Viktoria Marinowa zeigt sich Brüssel geschockt. Zum dritten Mal innerhalb von zwölf Monaten wird ein Journalist in einem EU-Staat getötet. Die ersten Indizien zeigen: Mit Aufklärung der unfassbaren Tat allein ist es nicht getan.
Es war eine Gewalttat, deren Wellen am Montag bis nach Brüssel schwappten. „Der brutale Mord an Viktoria Marinowa ist schockierend und lässt nur eine Schlussfolgerung zu: In Mittel- und Südosteuropa ist zunehmend die Pressefreiheit bedroht“, sagte der Vorsitzende der CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Daniel Caspary, gegenüber unserer Zeitung. „Diese grausame Tat geht ganz Europa etwas an“, erklärte der grüne Europa-PoliErmittlungen
tiker Sven Giegold. „Die Pressefreiheit ist in Europa akut in Gefahr, wenn Recherchen über Korruption mit dem Tod enden.“
Am Samstag hatte ein Spaziergänger am Ufer der Donau in Ruse an der bulgarisch-rumänischen Grenze die Leiche Marinowas gefunden. Die TVModeratorin des örtlichen Senders TVN war geschlagen, vergewaltigt und dann erwürgt worden. „Wir warten noch weitere Ergebnisse der ab“, erklärte der Präsident des Europäischen Parlamentes, Antonio Tajani, am Montag. Dennoch gibt es einen Verdacht. Marinowa hatte vor wenigen Tagen die erste Sendung der Reihe „Detektor“moderiert und dabei zwei bulgarische Enthüllungsjournalisten interviewt. Beide waren einem großen Betrugsfall mit EU-Geldern auf der Spur. Spätestens damit schließt sich der Kreis zu den zwei vorangegangenen Journalistenmorden: Im Oktober 2017 erschossen Unbekannte auf Malta Daphne Caruana Galizia. Im Februar starb der slowakische Medienmann Jan Kuciak und seine Verlobte – ebenfalls durch Schüsse. Alle hatten das gleiche Thema: EU-Millionen, die in mafiösen Kreisen versickern.
Es sind die Themen Korruption und Bestechlichkeit, die einige Staaten im Osten der Union nicht loslassen. Im aktuellen Fall ging es um etliche Hundert Millionen Euro, die Beratungsfirmen als „Kommissionen“an leitende Beamte für die Vergabe von EU-finanzierten Infrastrukturprojekte gezahlt haben sollen. Auftraggeber war nach Recherchen rumänischer und bulgarischer Berichterstatter das Unternehmen GP Group in Sofia. Ein stellvertretender Minister im Umweltministerium und drei Beamte wurden bereits vorläufig suspendiert. Mitte September waren die beiden Journalisten, die die jetzt ermordete Viktoria Marinowa in ihrer Sendung befragte, von der Polizei stundenlang festgenommen worden: Sie hatten auf einem Feld außerhalb Sofias beobachtet, wie Mitarbeiter von GP Group öffentlich kompromittierende Dokumente verbrannten.
Bulgarien steht, was die Pressefreiheit betrifft, als Schlusslicht der EU in den offiziellen Rankings.
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