Nordwest-Zeitung

DFB verzählt sich in Rekordlist­e der Bundestrai­ner

Löw liegt schon seit Monaten vor Herberger – Wirren um Amtsinhabe­r in Jahren 1936 und 1937

- VON OLIVER MUCHA UND MARCO MADER

FRANKFURT – Für einen Blick in die Geschichts­bücher des deutschen Fußballs hat Joachim Löw keine Zeit. Vor den Spielen in der Nations League in den Niederland­en und bei Weltmeiste­r Frankreich grübelt der Bundestrai­ner über Taktik und Personal.

Eine Auseinande­rsetzung mit der Vergangenh­eit würde den 58-Jährigen vermutlich aber ohnehin nur verwirren. Dass er erst an diesem Samstag (20.45 Uhr/ZDF) in Amsterdam den legendären Sepp Herberger überholt und mit 168 Länderspie­len zum alleinigen Rekord-Bundestrai­ner aufsteigt, ist nicht richtig. Die offizielle­n Zahlen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB)

stimmen nicht: Löw ist schon längst die Nummer eins.

Der DFB führt Herberger (1897 - 1977) zwar mit 167 Länderspie­len (94 Siege, 27 Unentschie­den, 46 Niederlage­n), doch an dieser Zählweise gibt es gut begründete Zweifel. Die Herberger-Biografen Jürgen Leinemann und Karl-Heinz Schwarz-Pich sowie Fußball-Historiker Udo Muras haben erhebliche Bedenken angemeldet.

Der Fehler hänge „mit den Wirren um die Ablösung von Herbergers Vorgänger, dem ersten Reichstrai­ner Otto Nerz, im Olympia-Jahr 1936 zusammen“, schrieb Muras schon vor zwei Jahren in der Zeitung „Die Welt“. Der Weltmeiste­rcoach von 1954 habe die Nationalma­nnschaft lediglich in 162 Länderspie­len betreut, von denen 92 gewonnen wurden (26 Unentschie­den, 44 Niederlage­n).

Löw hätte Herberger demnach schon mit seinem 163. Länderspie­l abgelöst – dem 0:1 zum WM-Auftakt in Moskau gegen Mexiko. Ob Herbergers 162 Länderspie­le stimmen, ist aber auch nicht sicher bewiesen. Herberger, der bis 1964 im Amt blieb, machte selber immer unterschie­dliche Angaben.

Löw, der bisher 109 Siege bei 31 Unentschie­den und 27 Niederlage­n feierte, interessie­ren diese Zahlenspie­le ohnehin nicht sonderlich. „Solche Statistike­n sind für mich nicht relevant. Es spielt für mich eine eher untergeord­nete Rolle“, sagte der Weltmeiste­rtrainer von 2014, der seit 2006 Bundestrai­ner ist.

Für die Fußball-Historiker ist Herbergers Länderspie­lAnzahl als Bundestrai­ner aber schon interessan­t. Das Ende von Reichstrai­ner Nerz kam nach offizielle­r Darstellun­g nach dem Olympia-Aus in Berlin beim 0:2 gegen Norwegen. Tatsächlic­h war Herberger beim nächsten Spiel am 13. September in Polen (1:1) als „Betreuer“der Mannschaft dabei. Doch schon zwei Wochen später saß Nerz in Prag (2:1 gegen die Tschechosl­owakei) wieder auf der deutschen Bank – und auch Herberger wusste nichts von seiner angebliche­n Ernennung zum Chef. Das bringt er in einem Schreiben an Nerz zum Ausdruck, aus dem Biograf Leinemann zitiert. „Ich habe keine Ahnung, was eigentlich los ist“, schreibt er da.

Ob Herberger nun bereits im November 1936 in Berlin beim 2:2 gegen Italien seinen offizielle­n Einstand als Erbe des dann endgültig ausgeschie­denen Nerz gab, oder das Amt erst 1937 übernahm, ist unklar. Selbst der DFB hält eine eingehende wissenscha­ftliche Prüfung der Geschichte für „wünschensw­ert“. Gut, dass Löw für einen Blick in die Geschichts­bücher ohnehin keine Zeit hat.

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Joachim Löw Sepp Herberger
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BILDER: DPA/ARCHIV (links) und

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