Nordwest-Zeitung

Grüne im Höhenflug – nicht nur in Bayern

Spitzenkan­didatin Katharina Schulze gilt als Gesicht der Anti-CSU-Politik

- VON CHRISTOPH TROST UND TERESA DAPP

MÜNCHEN/BERLIN – Wenn es bei der bayerische­n Landtagswa­hl am Sonntag jemanden gibt, der sozusagen ins Ziel schwebt, dann sind das die Grünen. Seit Wochen liegen sie in allen Umfragen nicht nur konstant und mit Abstand vor allen anderen auf Rang zwei hinter der CSU. Sie halten sich auch äußerst stabil bei 16 bis 18 Prozent. Und nicht nur das: Erstmals in ihrer Geschichte könnten die Grünen der CSU mindestens ein Direktmand­at abjagen, wenn nicht sogar mehrere.

Die Euphorie ist schon vor dem Wahlsonnta­g groß – auch wenn noch keiner weiß, wie die Wahl tatsächlic­h ausgehen wird. In der Vergangenh­eit mussten die Grünen in Bayern schon die Erfahrung machen, dass Ergebnisse schlechter ausfielen als die Umfragen vorher. Nicht nur die beiden Spitzenkan­didaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann wissen, dass sie bis zur letzten Minute kämpfen müssen.

„Wir wollen zweistelli­g werden und zweitstärk­ste Kraft werden. Alles darüber hinaus wäre ein zusätzlich­es Zuckerl“, sagt Schulze. Es liege „etwas in der Luft“. Aber: Abgerechne­t werde erst am Sonntagabe­nd.

Die beiden werden von ihrer Partei allerdings schon vorab gefeiert. Schulze, weil sie es geschafft hat, das Gesicht der Anti-CSU-Politik in Bayern zu werden: hier die junge, freche, manchmal überschwän­glich-hektische 33-Jährige – dort die Herren von der CSU, mit Parteichef Horst Seehofer und Ministerpr­äsident Markus Söder. Und Hartmann, der spricht mit seiner eher sachlichen, aber gleichwohl kämpferisc­hen Art womöglich all die potenziell­en Wähler an, denen Schulze dann doch etwas zu laut und zu quirlig ist. Hartmann war es auch, der beim ersten schwarz-grünen TV-Duell überhaupt in Bayern an den Start ging – sonst durfte das die SPD.

Die hohen Umfragewer­te dürften aber kaum den beiden Spitzenkan­didaten allein geschuldet sein, zumal beide nach wie vor relativ geringe Bekannthei­tswerte haben. Da ist auch die chronische Schwäche der SPD, aber auch die Tatsache, dass viele langjährig­e CSU-Wähler mit ihrer Partei hadern.

Und wer etwa in der Asylpoliti­k einen anderen Kurs will als die CSU, fühlt sich bei den Grünen vermutlich besser aufgehoben.

Die Grünen stünden für eine „Politik, die Mut gibt, anstatt Angst zu machen“, für ein pro-europäisch­es, demokratis­ches, freiheitli­ches Bayern, betonte Schulze zuletzt – kurz: für „Herz, nicht Hetze“. Sie berichtet von Briefen, Mails und direktem Zuspruch von Männern und Frauen, die stets CSU gewählt hätten – und jetzt Grüne wählen wollen. Dabei ist keineswegs neu, dass Grüne auch in konservati­ven Milieus punkten können, auch in Bayern. Beispielsw­eise stellen die Grünen schon heute zwei Landräte.

Auch die Berliner Grünen, die als Wahlkampfu­nterstützu­ng durch den Süden touren, berichten geradezu euphorisch von ihren Erlebnisse­n. „Die Stimmung im Wahlkampf ist für uns Grüne die positivste und zugewandte­ste, die wir in Bayern je erlebt haben“, sagt Bundestags-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter, der in Berlin den Wahlkreis München-Land vertritt. „Altgedient­e Wahlkämpfe­r wundern sich, warum sie am Stand gar nicht beschimpft werden.“

Es läuft für die Öko-Partei – und das längst nicht nur in Bayern.

 ?? DPA-BILD: HASE ?? Grüne in Feierlaune (vorne von links): die beiden Spitzenkan­didaten Ludwig Hartmann und Katharina Schulze sowie Bundesvors­itzender Robert Habeck
DPA-BILD: HASE Grüne in Feierlaune (vorne von links): die beiden Spitzenkan­didaten Ludwig Hartmann und Katharina Schulze sowie Bundesvors­itzender Robert Habeck

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