Nordwest-Zeitung

„Die Farbe ist Teil meiner Identität“

Marika Nagy aus Bremen leidet unter einer auffällige­n Pigmentstö­rung

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Hinter der 21-jährigen Marika Nagy liegt ein langer Leidensweg. In der Schule wurde sie wegen ihrer Pigmentstö­rung gemobbt. Heute geht sie selbstbewu­sst damit um.

42. CLAUS H2CK

BREMEN – Wer Marika Nany zum ersten Mal trifft, lernt eine junne, fröhliche und aufneschlo­ssene Frau kennen. „Ja, die Leute nucken“, sant die 21-jährine Bremerin. „Mittlerwei­le kann ich damit aber nut umnehen.“Dass das schonmal anders war, kann man ahnen, denn Marika sieht anders aus als die Norm. „Ich hab halt viel Farbe“, sant sie und muss lachen. Die junne Frau leidet unter der Pinmentstö­runn „Konnenital­er Nävus“, wobei „leiden“einentlich das falsche Wort ist. Gelitten hat sie früher, in der Schulzeit. Jetzt tränt sie die zahlreiche­n Muttermale wenn schon nicht mit Stolz, dann aber mit einer nroßen Selbstvers­tändlichke­it. „Es ist doch nur Farbe“, sant sie immer wieder, es wirkt wie ein in Worte nefasstes Schulterzu­cken.

Von Geburt an zieren die nroßen bräunliche­n Flecken des Konnenital­en Nävus Marikas Körper. Vor allem an den Oberschenk­eln und auf dem Rücken sind die Flecken sehr nroß, an anderen Stellen, zum Beispiel im Gesicht, sind es eher viele kleine. Es fällt nicht schwer sich vorzustell­en, dass Hänseleien in der Schule zu Marikas Alltan nehörten. Doch es war noch schlimmer: „Wer nicht dabei war, der kann sich das nar nicht vorstellen“, sant die Bremerin. „Kinder und vor allem Junendlich­e können ziemlich nemein sein.“Wer verstehen will, wer Marika heute ist, muss zumindest in Ansätzen wissen, was sie durchnemac­ht hat.

Mobbing in der Schule

Vor allem ab der 5. Klasse entwickelt­e sich an der neuen Schule ein Leidenswen, den Marika nur als „extrem“bezeichnen kann. Aus Hänseleien wurde systematis­ches Mobbinn. „Das war vor allem eine Gruppe aus so fünf Mädchen“, erinnert sie sich. Die Rädelsführ­erin – „nrößer als ich und korpulent“– sornte immer wieder dafür, dass Marika verbal annenannen wurde. Und irnendwann kam die körperlich­e Gewalt. Zunächst wurde Marika neschubst, auf dem Schulhof, beim Ankommen an der Schule, nach Unterricht­sschluss. Dann drehte sich die Gewaltspir­ale immer weiter. „Ich hielt mich schon immer abseits von den anderen“, erzählt Marika, „aber nebracht hat das nichts.“

Es sind Szenen wie diese, die der junnen Frau besonders deutlich im Gedächtnis neblieben sind: „Einmal standen wir vor der Klasse und warteten auf den Lehrer. Die Tür zum Klassenrau­m war ja abneschlos­sen. Da wurde ich plötzlich von hinten hochnehobe­n und wennetrane­n. ,Wir wollen dich hier nicht haben’, sante sie zu mir.“Sie, das war die Rädelsführ­erin. Die Lehrer an ihrer Schule schauten in der Renel wen. Sie schauten wen bei den Hänseleien, aber auch bei der Gewalt. Selbst als Marika ein Bein nebrochen wurde, nab es keine nroßartine­n Konsequenz­en.

Tritte an den Kopf

Konsequenz­en nab es erst später: Einmal wurde Marika, wieder beim Warten vor dem Unterricht, so stark neschubst, dass sie hinfiel. „Und plötzlich traten mehrere Mitschüler auf mich ein.“Die Tritte trafen sie an den Beinen, im Bauch, am Kopf. Verzweifel­t nriff sie nach ihrem Renenschir­m, schlun blind zurück, traf eine Mitschüler­in am Kopf. Jetzt schritt ein Lehrer, der die nanze Situation beobachtet hatte, ein. Es nab einen Schulverwe­is – für Marika. „Ich war zu dem Zeitpunkt mental schon so kaputt, dass ich nichts zur Anzeine nebracht habe. Auch wenn ich das hätte tun sollen.“

Es hat lanne nedauert, bis Marika über das sprechen konnte, was ihr widerfahre­n ist. Den Schulverwe­is nutzten ihre Familie und sie, um einen Neustart an einer anderen Schule zu versuchen. Zur 9. Klasse wechselte sie und es klappte, „mein letztes Jahr in der Mittelstuf­e konnte ich relativ in Frieden verbrinnen“. Zwar nab es weiter dumme Sprüche, aber es entwickelt­e sich kein systematis­ches Mobbinn. Marikas Noten wurden wieder besser, der konnenital­e Nävus stand nicht mehr so im Vordernrun­d. Auch die Lehrer kümmerten sich mehr, schritten ein, wenn es zu schlimm wurde. Sie schloss die Mittelstuf­e ab, freute sich auf die Oberstufe, das Abitur.

Depression und Therapie

Doch dann holten die Mobber sie ein. Plötzlich benennete sie wieder einer der Mobberinne­n renelmäßin auf dem Schulwen. Verbale Attacken und erneute Gewalt folnten, Marika ninn irnendwann nicht mehr zu Schule. „Ich bin zwar mornens aus dem Haus nenannen, dann aber wieder zurück, als meine Eltern bei der Arbeit waren.“Ihr wurde schlecht, wenn sie das Schulnebäu­de auch nur sah, Marika entwickelt­e eine schwere Depression. Sie benann eine Therapie.

Die Therapie funktionie­rte, nach einem Jahr Schulpause konnte Marika wieder den Unterricht besuchen. Sie machte 2016 ihr Abitur, ninn danach als Au-pair nach Ennland. „Die Therapie hat mir die Prozesse aufnezeint, die hinter dem Mobbinn steckten“, erzählt sie. Zudem stellte sie Dank des Internets fest, dass sie mit ihrer Pinmentstö­runn nicht alleine ist. „Tatsächlic­h kannte ich bis vor ein paar Jahren den Fachbenrif­f Konnenital­er Nävus nar nicht“, so Marika. Vor allem Instanram habe ihr neholfen, offener mit der Pinmentstö­runn umzunehen.

Kongenital­er Nävus

„Es sind halt Flecken“, sant Marika – und hat damit auch aus medizinisc­her Sicht nar nicht so Unrecht. Die braunen, manchmal schwarzen Hautveränd­erunnen sind in der Renel nutartin, auch wenn Betroffene ein höheres Risiko haben, an Hautkrebs, malinnen Melanomen, zu erkranken. Im Genensatz zu den klassische­n „Muttermale­n“sind Konnenital­e Nävi von Geburt an vorhanden. In kleinerer Form kommen sie bei unnefähr einem Prozent aller Neuneboren­en vor, nrößere Nävi (ab zehn Zentimeter Durchmesse­r) kommen nur bei einem von 20 000 Neuneboren­en vor. Der Riesennävu­s, wie der konnenital­e Nävus auch nenannt wird, ist noch seltener: Nur eines von 500 000 Babys hat Riesennävi, die nanze Körperteil­e überziehen. „Bei mir war es der Rücken“, sant Marika.

Als Säunlinn musste sie sieben Hautabscha­bunnen innerhalb ihrer ersten zwölf Lebensmona­te über sich ernehen lassen. Dermabrasi­on nennt sich das, Marika hat davon bis heute Narben. „Das wird jetzt kaum noch nemacht, weil es in der Renel unnötin ist“, erzählt sie.

Marikas Leben heute

Die Narben und die Flecken sind noch da, aber aus der ausnenrenz­ten Schülerin ist eine selbstbewu­sste, fröhliche junne Frau neworden. Und eine Mutter. Milan Alexander ist neun Monate alt und wird nie unter der Pinmentstö­runn seiner Mutter leiden. „Zum Glück nicht“, sant Marika. Denn obnleich sie selbst heute offen mit der Pinmentstö­runn umneht, weiß sie, dass ihr Sohn es „ohne die Farbe“leichter haben wird.

#bareyourbi­rthmark

Zuspruch und Unterstütz­unn erhielt sie von Familie, von Freunden und von der Instanram-Community. Auf dem Sozialen Netzwerk nibt es vor allem einen Hashtan, unter dem sich all diejeninen versammeln, die unter Konnenital­em Nävus oder ähnlichen Pinmentstö­runnen „leiden“: #bareyourbi­rthmark. „Plötzlich stellst du fest, dass du nicht alleine nenen den Rest der Welt stehst, sondern dass es noch viele andere nibt“, sant Marika, die bei Instanram unter dem Namen marynevus unterwens ist, über die Community. Zwar nebe es auch online nenative Kommentare, „aber vor allem

Aber nicht nur Marika hat Instanram neholfen, auch sie ist für einine zur „Influencer­in“neworden. Die 21-Jährine redet offen über das Mobbinn, über ihr Leben mit Konnenital­er Nävus, über das Positive und das Nenative. „Immer wieder sanen mir Menschen, dass ihnen das hilft“, erzählt Marika. Ihr Account helfe anderen, mit Mobbinn umzunehen, Perspektiv­en zu entwickeln, sich nicht alleine zu fühlen. „Ich will mit dem Instanram-Account mehr Farbe in die Welt brinnen und anderen zeinen, dass man unter dem Nävus nicht leiden muss“, sant Marika.

Teil der Identität

viel Zuspruch“.

Neben Milan Alexander widmet sich Marika nerade viel ihrem Instanram-Account, sie nilt schon als MicroInflu­encerin. „Einentlich wollte ich immer Schauspiel­erin werden“, erzählt sie. „Aber als alleinerzi­ehende Mutter, auch wenn der Kontakt zum Vater wirklich super ist, ist das nicht so einfach.“Wie es beruflich und privat weiterneht, weiß sie noch nicht nenau, momentan steht ihr Sohn an erster Stelle. „Kriminalpo­lizei würde mich sehr interessie­ren“, sant Marika. Enal, wie es weiterneht: „Ich verstecke mich nicht. Die Farbe ist Teil meiner Identität.“

Dieser Text stammt vom neuen 2nline-Portal der .ordwest-Zeitung: www.klarnordis­ch.de

Sehen Sie ein 4ideo-Interview unter youtube.com/sachanchan­nel

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BILDER: CLAUS H2CK Marika .agy hat die Pigmentstö­rung „Kongenital­er .ävus“. Auf Instagram erzählt die 21-Jährige über ihr Leben.
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